F.R. auf der Suche nach sich selbst (Interview)
Passend zur Veröffentlichung seines vierten Studioalbums Wer bist du? trafen wir den aus Braunschweig stammenden F.R. Der junge Mann, Jahrgang 1990, machte vor einigen Jahren mit online Battles auf sich aufmerksam. 2004 folgte das Debütalbum Das Mundwerk.  Zuletzt war F.R. 2008 durch seine Single Rap braucht Abitur in aller Munde. Mittlerweile ist Fabian Römer 20 geworden, hat sein Abi in der Tasche und konzentriert sich voll und ganz auf seine wahre Leidenschaft, die Musik. Wir baten einen ernsten, aber gut gelaunten F.R. zum Gespräch und sprachen mit ihm über seine orientierungslose Generation, Volksverdummung, die durch Reality-Shows herbeigeführt wird und was für ihn einen wahrhaft intelligenten Menschen ausmacht. Zudem kommen wir auf seinen Wunderkind-Status und seinen Hang zum Perfektionismus zu sprechen und versuchen herauszufinden, wer dieser F.R. eigentlich ist..: Seit deinen Anfängen im Rap wurdest du von vielen als Wunderkind bezeichnet. Ist der Erfolgsdruck mit so einem Titel größer?
Die Erwartungshaltung ist größer, weil die Leute immer den nächsten Schritt aus diesem Wunderkind-Status erwarten. Mittlerweile bin ich 20 Jahre alt und habe mich daran gewöhnt, aber auch davon losgelöst, da diese Wunderkind-Themaktik nicht mehr aktuell ist.


Gerade in den Staaten zerbrechen viele junge Talente an ihrem Erfolg und der Medienwelt. Kannst du dir erklären, warum das passiert?
Das liegt daran, dass sie zu schnell verheizt werden. Zum Glück war es bei mir nicht so, dass ich schon mit 13 auf MTV präsent gewesen wäre. Es war eine stetige, natürliche Entwicklung und deswegen bin ich auch nie Gefahr gelaufen, verheizt zu werden. Wenn es um wichtige Entscheidungen ging, habe ich sehr gut aufgepasst, dass diese auch gesund sind.


Hast du zum größten Teil selbst entschieden oder waren immer Leute zur Stelle, die dich beraten haben?
Es gab Leute die mich beraten haben, aber im Grunde genommen ging immer alles von mir aus. Am Anfang meiner Karriere mochte ich diesen ganzen Rummel nicht. Ich bin ganz normal zur Schule gegangen und fand es eher unangenehm, wenn mich Leute erkannt und angesprochen haben.


Wie sind deine Mitschüler damals mit der Situation umgegangen?

Das war sehr unterschiedlich. Am Anfang war es für viele komisch, dass so ein 14-jähriger aus ihrer Klasse plötzlich in den Zeitungen stand und als Rapper betitelt wurde. Nach ein, zwei Jahren hat sich das aber gelegt. Da wussten dann alle, dass ich dieser Typ bin der Rap macht. Zum größten Teil habe auf das, was ich mache nur coole Reaktionen bekommen.


Denkst du, du hast dich durch die Medienwelt anders entwickelt, als andere in deinem Alter?
Ich denke schon, aber ins positive. Ich bin schon in jungen Jahren so viel rumgekommen und habe viele Menschen kennengelernt, die ich sonst nie getroffen hätte. Dadurch konnte ich einiges an Menschenkenntniss und Lebenserfahrung gewinnen. Ich habe der Musik definitiv einiges zu verdanken.

Wie ist es dir gelungen Abi und Karriere unter einen Hut zu bekommen? Es ist doch bestimmt schwer, im einen Moment ein Konzert zu geben und gefeiert zu werden und im anderen Moment wieder zu Hause zu sitzen um für eine Matheklausur zu lernen.
Ich habe immer ganz klar meine Prioritäten gesetzt, war sehr fokussiert und motiviert. Da ich perfektionistisch bin, habe ich immer versucht, in beiden Bereichen hundert Prozent zu geben. Auch wenn ich diesen Mittelweg fahren musste, ist mir das immer ganz gut gelungen.


Dein Album stellt die Frage: Wer bist du? Bist du der Antwort auf diese Frage während der Arbeit an dem Album näher gekommen?
Ja, vielleicht ein bisschen. Ich habe einen Song, der heißt Mach dir nichts vor . Dieser Song ist ziemlich selbstkritisch. Diese Art von Track hilft einem, herauszufinden, wo bei einem selbst das Problem liegt oder was man für Charakterzüge hat. Dennoch ist die Frage noch nicht komplett beantwortet. Ich denke, das kann auch keiner für sich selbst beantworten. Auch kein 70- oder 80-jähriger. Natürlich kommt es auch darauf an, wie man die Frage angeht und aus welcher Perspektive man sie beantworten will. Ich denke schon, dass es gut ist sich über solche Dinge Gedanken zu machen.


Du machst keinen großen Wirbel darum, dass du eine pessimistische Einstellung zum Leben hast. Welche Erfahrungen könnten dazu geführt haben, dass dein Denken in diese Richtung geht? Bei deiner Karriere könnte man ja meinen, dass alles ganz gut lief.
Ansich schon und ich würde auch gerne das Wort pessimistisch durch perfektionistisch ersetzten, weil diese Eigenschaften oft Hand in Hand gehen. Durch den Perfektionismus gibt man sich mit den Dingen nicht sofort zufrieden, weil man denkt, dass man es noch besser machen könnte. In bin aber kein depressiver Mensch der nichts zu schätzen weiß. Ich genieße mein Leben wie es zurzeit ist. Das letzte Jahr war hammer und das kommt auch auf dem Album zum Ausdruck. Auch wenn es einige Songs gibt, die nicht grade fröhlich sind. Es gibt aber auch eine Phase auf dem Album, die total befreit und locker ist. Bei mir ist es wie bei jedem anderen auch so, dass der Charakter zwei Seiten hat. Es kommt immer ganz auf die jeweilige Situation an, in der man sich grade befindet.


Welche Eigenschaften dominieren nebem dem Perfektionismus deinen Charakter?
(kleine Pause) Ich finde es extrem schwer Charaktereigenschaften festzulegen. Das wird immer sehr schnell psychologisch und ich wage schwer Urteile über mich selbst oder auch andere Leute zu treffen. Ich weiß zwar was mich ausmacht und was ich für ein Typ bin, aber ich kann es schwer in Worte fassen. Das ist auch ein Grund dafür, warum ich das Album Wer bist du? genannt habe. Die Songs sprechen für sich. Es fällt mir wirklich schwer, dir jetzt an der Hand Charaktereigenschaften aufzuzählen, da muss man eher Leute fragen die mich kennen. Fällt es dir schwer, deinem eigenen Anspruch an dich selbst gerecht zu werden?
Auf jeden Fall, ich selbst bin mein größter Kritiker. Natürlich interessieren mich auch die Rezensionen, die über meine Werke verfasst werden, aber letztendlich gehe ich mit mir selbst vorab schon am härtesten ins Gericht. Ich habe einen sehr hohen Anspruch an mich selbst und es fällt mir schwer, dem gerecht zu werden. Deswegen release ich auch nicht jedes halbe Jahr ein neues Album, sondern meistens in einem zwei Jahres Rhythmus. Ich finde, dass man erstmal ein Stück leben muss, bevor man ein neues Album rausbringen kann.


Würdest du sagen, dass du besser Texte schreiben kannst wenn es dir gut geht oder wenn es dir schlecht geht? Viele Künstler behaupten ja, dass sie ideenreicher sind, wenn es ihnen nicht gut geht.
Das kommt nur auf die Art des Songs an. Ein Partysong entsteht, wenn ich gut drauf bin und ein trauriger Song, wenn es mir nicht gut geht.


Wenn ich deinen besten Freund fragen würde, was du für ein Mensch bist, was würde er sagen?
Ich hoffe, dann würde er sagen, dass ich ein zuverlässiger Typ bin, mit dem man über alles reden kann, denn das macht meiner Meinung nach eine Freundschaft aus.


Seit deinen Anfängen in der Musik distanzierst du dich von der deutschen Rapszene. Gibt es dennoch Künstler, mit denen du dich identifizieren kannst oder die dich durch ihre Skills flashen?
Ich hatte in meiner gesamten Laufbahn nie Vorbilder oder Idole, aber es gab schon Leute die ich für ihren Rap respektiert habe. Olli Banjo s Alben habe ich immer gefeiert und ich war ja auch mit ihm auf Tour. Mit Curse habe ich auch einiges zu tun gehabt. Das sind Leute die ich sehr gut finde. Darüber hinaus finde ich auch einige andere Künstler gut, die während der Jahrthausendwende im Rampenlicht standen. Ich bin was das angeht kein Schwarzmaler der alles scheiße findet.

Mal eine ganz andere Frage: Schaust du oft Fernsehen?
Nein, nur sehr selten. Wenn ich Zeit vorm Bildschirm verbringe, dann nur vorm Laptop. Manchmal wenn ich im Bett liege und mich nachts berieseln lassen möchte gucke ich kurz in TV Total rein aber sonst schaue ich fast gar nicht Fernsehen.


Bekommst du diese Entwicklung mit den unzählbaren Reality-Shows im Fernsehen mit, in denen oft Menschen gezeigt werden, die perspektivlos sind? Denkst du das spiegelt unsere jetztige Gesellschaft wieder oder unsere Gesellschaft entwickelt sich in diese Richtung?
Da kommt immer sofort die Frage auf, was zuerst war: Das Huhn oder das Ei? Sind es die Medien, die die Gesellschaft prägen oder entstehen die Medien aus den Gedanken der Gesellschaft heraus. Das ist eine eine schwer zu beantwortende Frage, aber die Realiy-Show Entwicklung in den letzten zehn Jahren sind nicht das, was ich mir gerne anschaue. Es ist traurig wie dort mit bestimmten Werten umgegangen wird, und dass sich über bestimmte Leute lustig gemacht wird. Bei Sendungen wie der Supernanny ist es traurig, dass da kleine Kinder vor der Kamera zu sehen sind, die Scheiße bauen. Und im Anschluss bekommen Szenen, in denen man sieht, wie ein kleiner Junge seine Mutter beschimpft, dann 200.000 Klicks bei YouTube. Im ersten Moment lacht mach vielleicht noch darüber, aber wenn man dann darüber nachdenkt, dass diese Kids später erfahren, dass über sie gelacht wurde, ist es traurig und hat überhaupt keinen pädagogischen Wert.


Woran liegt es, dass diese Sendungen dennoch geschaut werden und die Nachfrage so hoch ist? Liegt das an der Faszination der Emotionen? Oder ist es für einige Leute eine Genugtuung zu sehen, dass es anderen noch schlechter geht, als ihnen selbst?
Einerseits ist es die Schadenfreude und andererseits ist es dieses stumpfe konsumieren, dieser stumpfe Humor. Die Leute gucken sich das an und lachen darüber, ohne sich in die Person hineinzuversetzen und sich Gedanken darüber zu machen, was wäre, wenn man selbst in dieser Situation wäre.


Wie definierst du Intelligenz? Misst du sie an der schulischen Bildung, legst du Wert auf emotionale Intelligenz,..?
Eine gute Mischung ist auf jeden Fall nicht zu verachten. Ich halte es für sehr wichtig die emotionale Intelligenz miteinzubeziehen. Sie ist sogar noch wichtiger, wird aber in der Schule überhaupt nicht berücksichtigt oder gefördert. Das ist ziemlich schade, denn ich denke, dass verfallene Werte wieder mehr in den Vordergrund rücken und regeneriert werden könnten, wenn die Schule es fördern würde. Meistens wird nur dieser Intelligenzquotient bemessen und emotionale Intelligenz und Einfühlungsvermögen sind leider unter den Tisch gefallen. Dein Vater ist Pfarrer, bei euch zu Hause gab es aber nie irgendwelche Zwänge, wie beispielsweise vor dem Essen zu beten. Du selbst wurdest von dem Beruf deines Vaters nicht beeinflusst, da dir der Glaube nicht aufgezwungen wurde. Bist du trotzdem gläubig?
Bei mir ist es so wie bei den meisten Leuten. Ich glaube daran, dass es etwas größeres gibt, aber ich kann es nicht genau definieren. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich keine Kraft aus Glauben ziehe, was schade ist. Ich bewundere die Leute, die Kraft aus ihrer Relgion ziehen. Ich denke, es ist Teil des Selbstfindungsprozesses festzustellen, ob man es braucht oder nicht.


Du hast letztes Jahr dein Abitur gemacht und beschlossen, deinen Fokus nun erstmal auf die Musik zu legen. Was würdest du machen, wenn du kein Musiker wärst?
Ich gehöre zu der orientierungslosen Generation. Sehr viele Leute in meinem Jahrgang haben sich in irgendein Studium gestürzt. Ich hatte den Vorteil Musiker zu sein und mich zum ersten mal zu hundert Prozent auf ein Album konzentrieren zu können. Dennoch stehe ich selbst auch vor der Frage, was ich später gerne machen würde. Ich bin eher der Typ, der gerne zweigleisig fährt, auch wenn das jetzt auf manche Dinge bezogen komisch klingt (lacht). Ich finde diesen Mittelweg eigentlich ganz cool und bin immer gut damit klar gekommen. Ich weiß nicht, wie lange mich das Künstlerdasein noch absolut befriedigt. Ich mache mir natürlich auch meine Gedanken und frage mich, was mich sonst interessieren könnte. Ich weiß zwar wo meine Talente liegen, aber nicht wie ich sie in der Arbeitswelt umsetzen könnte.


Wo siehst du dich in 20 Jahren?
Im Grab (lacht). Nein, im ernst: Ich weiß noch nichtmal wo ich in zwei Jahren stehe, deswegen kann ich diese Frage nicht beantworten.


Du bist also, wie deine Generation, orientierungslos?

Ja, ich bin aber auch ein Typ, der sich sehr kurzfristige Ziele setzt. Ich sage nicht, dass ich mit 40 ein Haus mit Garten haben möchte und am Meer wohnen will. Ich setze mir immer kurzfristige Ziele und versuche, da das beste draus zu machen.


Man findet ja auch oft auf dem Weg, was einen glücklich macht .
Der Weg ist das Ziel.

Das wollte ich erst auch sagen, aber ich dachte, das wäre ein bisschen platt ausgedrückt.
Dankeschön (lacht). Glaubst du an diesen ganzen Verschwörungstheorien-Hype?
Habt ihr den Videoblog gesehen?


Nein, generell.
Ich habe einen Song auf dem Album, der heißt Kein Weg vorbei . Ich poste immer Song-Blogs und erzähle zu jedem Song was. Es gibt einen Eintrag von mir, indem ich auch Bezug auf das Thema "Verschwörungstheorien" nehme. Ich kann nicht sagen ob ich daran glaube, weil es immer zwei sehr extreme Darstellungsweisen gibt. Einseits das, was einem im Fernsehen erzählt wird und andererseits das, was die Verschwörungstheorien sagen. Es gibt aber keine ausgewogene Darstellung dieser Dinge. Sei es die Frage, ob der 11. September 2001 inszeniert war, die Mondlandung gefaked war oder was auch immer. Ich bin ein normaler Hans-Wurst, der sich wie jeder andere die Verschwörungstheorie anschaut und dann erstmal denkt: "Auf jeden Fall, das sind doch alles Indizien die dafür sprechen, dass alles Fake war." Aber ich bin nicht der Typ Mensch, der dann genau alles nachforscht und die Quellen sucht und guckt, ob diese auch sicher sind.


Woran könnte es liegen, dass das Interesse an Verschwörungstheorien in den letzten Jahren so angestiegen ist? Kann es sein, dass das für manche vielleicht sogar so eine Art Ersatzreligion geworden ist?
Für die Leute ist das vielleicht so eine Art Thriller oder interessanter Film. Die schauen sich Zeitgeist an und denken: "Ok, krass", sind dann fasiziniert und geschockt und erzählen es ihren Freunden. Aber die Woche darauf ist es einem dann schon wieder egal und man wird dadurch nicht großartig beeinflusst, weil man sich sowieso in seinem eigenen Kosmos bewegt und daran führt kein Weg vorbei. Ich konzentriere mich auf die Dinge, die mir keiner nehmen kann. Selbst wenn alles um mich herum nur Fake und vom System beeinflusst wäre, hätte ich immer noch mein Umfeld und die Dinge, auf die ich Wert lege. Ich denke darauf sollte sich jeder konzentrieren, anstatt sich in irgendwelche Dinge reinzufuchsen, auf die es sowieso nie eine klare Antwort geben wird.


Wir danken dir für das aufschlussreiche Interview.
Ich danke euch.
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