Hoffnung für die Festival Saison 2021? Fusion legt Konzept vor

Hunderttausende Feiernde mussten 2020 auf fest eingeplante Highlights des Jahres verzichten. Auch für 2021 sieht es schlecht aus: Rock Am Ring, Southside, Hurricane und weitere Festivals sind bereits abgesagt. Darunter auch Deutschlands größtes Hiphop-Festival Splash!, für das man letztes Jahr noch Hoffnung auf einen Doppelschlag 2021 hatte.

Ein zweites Jahr ohne die feiernden Massen wird aber nicht nur für Besucherinnen und Besucher zur Härteprobe, sondern auch für diejenigen, die mit Bühnenbau, Lichttechnik, Gastronomie, bei der Planung oder als Acts bei Festivals Geld verdienen. Beim Splash! hofft man – wenn auch "nicht im gewohnten Setting" – dieses Jahr noch irgendwie gemeinsam feiern zu können.

Einige Schritte weiter geht Deutschlands vielleicht buntestes Festival, die Fusion. Man ist "diese Perspektivlosigkeit leid", wie die Veranstalter*innen in einem Statement auf ihrer Website schreiben. Man will "raus aus der defensiven Lethargie". Mit einem umfangreichen Hygiene- und Test-Konzept soll es möglich werden. 

Können Festivals 2021 stattfinden? Fusion wagt Vorstoß

Flächendeckende Tests vorm Einlass auf das Festivalgelände, eine weitere Testwelle von Samstag auf Sonntag, Hygienekonzepte. Bereits im Mai soll eine Teststation samt Labor auf dem Gelände betrieben werden, um auch die Vorbereitungen pandemiegerecht durchzuführen. Besucher*innen können sich im Vorfeld auch in Berlin, Hamburg und Jena oder Leipzig testen lassen.

"Mit unserem ausgeklügelten Konzept von PCR-Massentests wollen wir eine Zukunftsperspektive für Festivals und Kultur unter Pandemiebedingungen aufzeigen. [...] Alle Ticketinhaber:innen werden an einer der Stationen getestet werden. Ein Probenbatch wird im jeweils direkt angeschlossenen Labor innerhalb von 70 - 90 Minuten ausgewertet. Die Ergebnisse werden direkt digital in unser Ticket-System übermittelt."

Der Einlass erfolgt nur, wenn individuelle Chips für die jeweiligen Besucher*innen freigeschaltet werden durch ein negatives Ergebnis. Außerdem wird das Festival gesplittet. Statt einer 70.000-Menschen-Fusion, soll es Ende Juni/Anfang Juli an zwei aufeinander folgenden Wochenenden zwei 35.000-Menschen-Fusions geben. Bis zum Einlass nach einem negativen Testergebnis sind natürlich auch Masken angesagt. Alles zusammen soll zu einer Lage führen, die sicherer ist als andere Alltagssituation.

"Mit dieser Gesamt-Strategie erreichen wir, dass das Infektionsrisiko auf dem Festival auf ein minimales Restrisiko reduziert wird. Darunter verstehen wir ein signifikant geringeres Infektionsrisiko als bei allen anderen Alltagssituationen. Wir streben eine Sicherheit an, die uns und unseren Besucher*innen freie Bewegung und Begegnungen ohne die tagtägliche Angst vor einer Infektion und ohne die Angst, andere zu infizieren, ermöglicht. Alle können zu jedem Zeitpunkt des Festivals darauf vertrauen, dass auch alle anderen negativ getestet sind."

Kritik an Corona-Politik: "Die Einschränkungen sind ungleich verteilt"

Veranstalter Martin Eulenhaupt erklärt im Interview mit Zeit Campus, welche Schritte das Konzept nun durchlaufen muss. Der Landkreis Röbel entscheidet unter Beratung von Fachbehörden wie dem Bauamt und Gesundheitsamt, ob das Festival stattfinden darf. Auch die Polizei muss grünes Licht geben.

Neben dem Weg bis zu den ersten Gigs spricht Eulenhaupt auch über die Corona-Politik der Regierung und die ungleiche Behandlung für Industrie und Kultur. Auf der Fusion-Website heißt es:

"Der Infektionsschutz und die damit einhergehende Maßnahmen basieren in Deutschland nicht nur auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern sind zunehmend Spielball von Interessenskonflikten und politischer Abwägungen geworden. In Deutschland können während der Pandemie Waffen und Autos produziert werden, laufen Großraumbüros weiter als sei nichts passiert, werden auf Druck der Wirtschaft Lockerungen umgesetzt, auch wenn diese der Bekämpfung der Pandemie entgegenlaufen."

Dass die Einschränkungen während der Pandemie in seinen Augen "ungleich verteilt" sind, betont der Veranstalter auch im Interview. Er sieht die Kulturbranche in großer Gefahr:

"Anstatt den Ausfall unserer Branche zu kompensieren, sollten lieber Tests subventioniert werden, um ein Stattfinden unserer Veranstaltungen möglich zu machen. Ansonsten wird nach der Pandemie ein großer Teil der Festivalkultur verloren sein. [...] So langsam dämmert es ja allen, dass wir mit dem Virus noch länger zu tun haben und wir Mittel und Wege finden müssen, mit ihm zu leben, bevor die Kultur nicht mehr zu retten ist."

Bei aller Kritik wird aber auch betont, dass ein Großteil der Schutzmaßnahmen als "vernünftig" gesehen wird.

Wie wahrscheinlich ist das Ganze? Eulenhaupt sagt Zeit Campus, dass man natürlich auch ein politische Signal senden will. Konstruktive Vorschläge als Alternative zu Einschränkungen. Mit der Krankheit leben, die nicht wieder verschwinden wird.

Von einer Entscheidung der Politik über das (Nicht-)Stattfinden wird sicherlich auch große Signalwirkung nach außen ausgehen. Ist man bereit, Kulturschaffenden zu vertrauen und sie sich selbst helfen zu lassen, wenn schon niemand anders das tut? Oder vielleicht sogar, das Unternehmen zu unterstützen? Kann man der aktuellen Situation etwas Pragmatismus entgegensetzen?

Wie wahrscheinlich die beiden Fusions 2021 wirklich sind, kann man derzeit kaum sagen. Bisher gab es nirgends Vorstöße in dieser Größenordnung, auch wenn man zuletzt von Pilotprojekten auf dem Weg Richtung Normalität mitbekommen hat – besonders in den Niederlanden laufen einige solcher Proben. Auch die Veranstalter des Openair Frauenfeld in der Schweiz, Europas größtem Hiphop-Festival, planen aktuell noch mit einem OAF 2021. In wenigen Wochen werden wir vermutlich schlauer sein.

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