Farid Bang, Kollegah, der ECHO & Antisemitismus-Vorwürfe: Die Meinungen gehen auseinander

Die diesjährige ECHO-Verleihung ist bereits zwei Tage her und trotzdem weiterhin allgegenwärtig. Die Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber Farid und Kollegah, die Auseinandersetzung zwischen Toten Hosen-Frontmann Campino und Kolle am Donnerstagabend und die Ehrung des "JBG 3" Teams mit einem ECHO sorgen momentan für allerhand Meinungsäußerungen. Dabei stehen sich die verschiedensten Positionen, auch innerhalb der Deutschrap-Szene, gegenüber.

Der Sachverhalt ist eindeutig komplex: Während die vielzitierte Farid Bang-Line auf "JBG 3" Auslöser der Diskussion war, steht mittlerweile der Antisemitismus-Vorwurf gegenüber Kollegah im Vordergrund, mitausgelöst durch die Doku des WDR. Das wiederum wirft die Frage auf, was Battlerap darf und wo Meinungs- und Kunstfreiheit beginnen und enden.

Die Neon veröffentlichte heute ein Interview mit Fler, in welchem dieser ganz eindeutig Stellung zur Diskussion bezieht. Die Art und Weise, wie man mit Kollegah und Farid Bang umgehe, sei nicht in Ordnung, meint der Maskulin-Chef:

"Um die Kritik geht es bei mir in erster Linie gar nicht. Es geht darum, wie man die beiden kritisiert hat. Wenn man, wie in diesem Fall, Antisemitismus in den Vordergrund einer solchen Veranstaltung stellen möchte, kann man das gerne machen. Aber dann sollte man vielleicht auch schon im Vorfeld mit offenen Karten spielen. Das heißt, Kollegah und Farid Bang fair damit konfrontieren, damit sie die Chance haben, sich dafür zu rechtfertigen bzw. das Ganze zu entkräften. Nur wurde das nicht gemacht. Stattdessen hat man auf die beiden draufgehauen."

Anstatt den Dialog mit Kollegah und Farid zu suchen, habe man "nur Stimmung gegen die beiden gemacht". Farids Line sei "vielleicht geschmacklos oder politisch inkorrekt", mit Sicherheit aber nicht antisemitisch, so Fler. Überhaupt gebe es im Deutschrap kein Antisemitismus-Problem:

"Ja, und wenn die Sachen nicht politisch korrekt sind, dann sagt man sie trotzdem. Hip Hop interessiert die allgemeine Meinung nicht. Wir haben auch deshalb eine Stimme, weil wir sagen können, was wir wollen. Und eines steht für mich bei aller Diskussion außer Frage: Deutschrap hat kein Antisemitismusproblem. Das geht auch gar nicht, weil wir Multikulti sind. [...] Wenn ein Farid Bang in einem Song solche überspitzten Sachen sagt, dann geht es darum, mit Worten zu schocken und zu provozieren. Um mehr geht es aber nicht. Das nennt sich Entertainment. Leute sollen unterhalten werden – und das werden sie auf unterschiedliche Art und Weise."

Dass man Kollegah und Farid Bang als Opfer darstelle und ihre Aussagen im Battlerap-Kontext zu erklären versuche, stößt bei Retrogott allerdings auf starke Kritik. Er veröffentlichte ein ausführliches Facebook-Statement, in dem es heißt, Farids Auschwitz-Line sei "nicht Ausdruck von Kunstfreiheit, sondern Ausdruck von Verachtung". Das ließe auf eine antisemitische Haltung schließen:

"Es handelt sich hier nicht um reine Pietätlosigkeit, sondern um kalkulierte Provokation gegen eine bestimmte Gruppe. Der Holocaust wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Es wird hier nicht über Nazis gelacht, sondern über ausgehungerte, physisch und seelisch gequälte Menschen, die zu Unrecht zu 'Insassen' wurden."

Den Zusammenhalt im Deutschrap, auf den Fler in seinem Interview anspielt, und der nach Campinos ECHO-Rede auch von Künstlern wie Sido oder DCVDNS untermauert wurde, stellt für Retrogott offenbar eines der größten Probleme dar:

"Die Realitätsblindheit scheint einer doppelmoralischen Loyalität gegenüber einer ver-meintlichen Hiphop-Szene geschuldet zu sein, die zu vertreten heißt, sich für die Schwächeren einzusetzen, in diesem Falle: den armen Kollegah und den armen Farid Bang, die hier angeblich 'nur aus einem Grund', nämlich wegen ihres muslimischen Glaubens, an den 'Antisemitismus-Pranger' gestellt würden und dem 'Othering' von Campino zum Opfer fielen."

Abgesehen davon sei die Battlerap-Argumentation "zynisch", so Retrogott, und es gebe genug Beispiele dafür, dass es im Deutschrap auch anders ginge, "als Schwache auszugrenzen, zu belächeln [und] Reichtum und Stärke als Ideale zu inszenieren."

Retrogott

Hirnlose Verteidigungshaltung ist im Deutschrap gängig. Laut Herrn Marquart von Rap.de ist Kollegahs und/oder Farid Bangs Zeile, in der sie Opfer der Shoah diffamieren, zwar „geschmacklos, aber...

Mit ähnlichen Worten meldet sich auch die Antilopen Gang auf Facebook zu Wort, die übrigens bereits in der WDR Doku zum Thema Antisemitismus sprach. Das Statement zeigt durchaus eine Parallele zu Flers Aussage, man führe die Diskussion falsch. Die Mitglieder der Antilopen Gang meinen:

"Eine Diskussion über den Antisemitismus von Kollegah, der an Chemtrails und den Pizzagate, aber nicht an die Evolution glaubt, findet in der aktuellen Debatte überhaupt nicht statt."

Es ginge längst nicht nur um Hiphop und eine "vernachlässigenswerte Zeile" von Farid, sondern um politische Positonen, "zionistische Weltverschwörung" und einem "Volkszorn" den Kollegah "gegen die Mächtigen, die Medien und andere Feinde" schüren würde.

Antilopen Gang

Gestern haben wir SPIEGEL ONLINE ein Statement zur aktuellen Debatte um Kollegahs Antisemitismus und die Echoverleihung gegeben. Einige wichtige Punkte blieben im Artikel (http://spon.de/afc5q)...

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