David Pe - 20 Jahre Deutschrap
Er gilt als einer der Urgesteine des Deutschraps und freestylet bis heute wie kaum ein Zweiter. David Pe gilt innerhalb der deutschen Hiphop Szene als einer der Wegweiser und mit seiner Crew Main Concept hat er Untergrundgeschichte geschrieben. Kristof "Jigedi" Jansen sprach mit dem MC über die Wandlung der deutschen Hiphop Szene, warum Main Concept trotz Angeboten zur Blütezeit um das Jahr 2000 einen Majordeal ausschlugen und was er von Streetrap als Pendant zu Counsious Rap in Deutschland hält.

"Fanta 4 haben nie als Vornbild gedient" - 1995: Hiphop geht in den Mainstream

"Das war die positive Zeit des Hiphops, wir sind als Einheit aufgetreten." 1999/2000 Die "Blütezeit"

"Die Polizei rückte mit Wasserwerfen an, das war ein richtiger Kampf auf den Straßen." - Zeitsprung: 93/94: Jam Takeover von Gangstern

"Was ich dir sagen kann ist, dass Hiphop die Integration fördert" | "Deutsch ist sozusagen durch Hiphop cool geworden." - Hiphop und Streetrap

"Das macht Hiphop ja auch aus, es tut nichts zur Sache woher jemand kommt." Hiphop und Integration

"Den großen TV Erfolg haben wir nie angestrebt..." - Main Concept und David Pe heute

"Das sich Rap mit Elektro verbindet, okay, das ist so, aber man sah ja damals schon mit Crossover die ersten Vermischungen." Hiphop State of Mind eines Veteranen

"Wenn es ein Problem gibt und einer meint, er müsse das jetzt ausrappen, dann rappen wir das halt aus." - und: was war mit Raptile?



Main Concept habt ihr vor über 20 Jahren gegründet. Wie sahen deine Anfänge aus? Zu Beginn deiner Zeit als Rapper hast du ja noch auf Englisch gerappt.
Ich weiß gar nicht mehr, ob ich mich daran noch erinnere. Dieser mysteriöse vierte Mann auf unseren Covern war Kucher , der wurde später auch unter dem Namen Kucher George bekannt. Wir sind zusammen in eine Klasse gegangen und er ist durch seinen Nachbarn an Hiphop Tapes von den Beastie Boys , Fatboys , Run DMC und Public Enemy gekommen. Das war die Zeit in der auf Tele 5 Tanzhaus lief. Dort lief dann auch so was wie NWA , Public Enemy , Technotronic . Zu der Zeit war ich 14 und ging in die 9. Klasse. In dem Jahr sind dann ein paar Jungs zu uns durchgefallen. Das waren Rado , Tino und Alex . Die haben alle Rap gehört und hatten schon erste Kontakte und haben mich dann auf Partys mitgenommen auf denen Rap gespielt wurde. Zu der Zeit habe ich bereits Texte geschrieben, damals noch auf Englisch. Die wußten das und so hab ich dann mal mit denen auf einer dieser Partys gerappt und die Ersten aus der Szene kennengelernt. Darunter war auch Glammerlicious . Auf einem Open Air Festival in München sind wir zusammen aufgetreten. Er hat gebeatboxt und ich gerappt. Wir haben angefangen gemeinsam Lieder aufzunehmen, er ( Glammerlicious – Anmerkung der Redaktion) kannte bereits Explit und gemeinsam haben wir beschlossen eine Band zu gründen. Das hat sich dann aber nur im Freizeitheim abgespielt. Dort waren eine Menge US-Soldaten und dort wurde dann natürlich nur auf Englisch gerappt. Ich fand es damals irgendwie lustig auf Deutsch zu rappen und hab es dann hin und wieder gemacht. 1991 erschien dann Advanced Chemistry auf der Bildfläche. Die haben auf Deutsch gerappt. Ich hab dann auch angefangen Texte auf Deutsch zu schreiben, Glammerlicious hat mich dabei motiviert. Als ich dann angfing bei Auftritten mit den ganzen Gangstern auf Deutsch zu rappen, war das voll der Skandal. Die ganzen älteren Typen fanden das alle uncool. Anschließend haben wir uns von diesen Leuten losgelöst und gleichzeitig neue Leute kennengelernt. Darunter waren die Beginner , Massive Töne […] und Torch . Wir haben uns dann von der Münchner Freizeitheim Szene losgelöst und sind in die Freizeitheime anderer Städte gefahren. Dann gings los für uns. 1992 sind wir das erste Mal aus München rausgefahren. Karlsruhe ist mir in Erinnerung geblieben, weil ich dort viele Leute aus Stuttgart kennengelernt habe. Zum Beispiel Cora E. und Boulevard Bou . Damals waren wir noch die kleinen Scheißer und heute kommen die Leute und sagen mir: "Hey David, du bist schon seit 20 Jahren dabei, erzähl doch mal was über die Geschichte des deutschen Hiphops" . Damals waren es Leute wie Torch die so was gefragt wurden, aber mittlerweile hat sich das alles verwischt und jetzt rede ich auch über die Geschichte.

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"Fanta 4 haben nie als Vornbild gedient" - 1995: Hiphop geht in den Mainstream


Es ist nun mal so, dass du eine ganze Menge gesehen hast. Ab 1995/96 rum ist ja auch in Sachen Mainstream der Schalter umgelegt. War damals die Versuchung nicht groß zu sagen: 'so was wie Fettes Brot und Die Fantastischen 4 funktioniert zurzeit und ich mach was Ähnliches nur mit einem anderen Style...'? Hast du schon damals daran gedacht, die Sache frontal anzugehen und eventuell auch im Mainstream mitzumischen?
Fanta 4 haben nie als Vorbild gedient, ganz im Gegenteil. Die waren eher ein abschreckendes Beispiel. Im Nachhinein ist das natürlich Schwachsinn. Die haben ihren Weg gemacht, sind eine coole, etablierte und eine der wichtigsten Bands in Deutschland. Und das auch zu Recht. Aber damals stand so was wie " Die Da " (Song von Fanta 4 – Anm. d Red.) und ausverkaufte Gigs nicht für Hiphop, sondern für Kasperletheater. Wir haben halt unsere Platten gemacht und nie darüber nachgedacht, dass wir das jetzt so groß aufziehen. Mit München als Standort bist du auch isoliert. Wenn du in Hamburg oder Berlin gewohnt hast, hattest du bessere Chancen bei einer großen und professionellen Plattenfirma unterzukommen. Wir hatten ein Angebot von Bertelsmann ( BMG - Anm. d. R.) , aber da wollten wir nicht unterschreiben. Wir wollten unseren Ruf nicht ruinieren. Ich hätte nichts dagegen gehabt, kommerziell Musik zu machen […] aber es hat sich nicht ergeben. In der Zeit, in der es funktioniert hätte, haben wir eine Freestyle Platte ( Plan 58 – Anmerkung der Redaktion) veröffentlicht. Das war 2000. Das war halt das, was wir zu dem Zeitpunkt gemacht haben.

 
Habt ihr das Major Angebot nicht angenommen, um einer eventuellen Stiländerungen vorzubeugen?
Nein, das nicht. Wir haben wie gesagt, damals eine Freestyle Platte veröffentlicht. Mit so was hast du nicht viel Arbeit. Du releast keine Singles, drehst keine Videos dazu, so was wird nicht im Radio gespielt. Bertelsmann saß in München, Raptile war damals schon dort unter Vertrag. Der Mehlhose (Jan Mehlhose, bis 2007 Senior Director Strategy & Marketing/Director A & R Subword  – Anm. d. R.) hätte den Deal gerne gemacht, weil er überzeugt war. Aber wir wollten nicht dorthin, es lag konkret an Bertelsmann .

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"Das war die positive Zeit des Hiphops, wir sind als Einheit aufgetreten." - 1999/2000 Die " Blütezeit "


Lass uns auf das Jahr 1998 zurückkommen. Zu der Zeit gingen die Beginner durch die Decke, ihr wart mit ihnen auf ihrer Flashnizm Tour (Flashnizm, Beginner Album, erschien im August 1996 – Anm. d, R.). Die später stattgefundene Bambule Tour (Bambule, Beginner Album, erschien November 1998 – Anm. d. R.) war natürlich ein ganz anderes Kaliber, weil die Beginner damals einen Majordeal hatten. Die haben ein ganz anderes Bewusstsein von Hiphop geschaffen. Plötzlich hat der gemeine Hiphop Hörer nicht mehr nur Songs wie "Die Da" mit Hiphop assoziiert, sondern auch so was wie "Füchse" von den Beginnern.
Das war eine coole Zeit! Es herrschte so eine Aufbruchsstimmung. In der Zeit ging es voll ab. Das war die Revival Zeit, in der EPMD , Rakim und alle anderen wieder kamen. Das war in Deutschland genauso, wir waren ja alle davon inspiriert. Das war auch die Zeit, in der die Leute, die in den Jahren zuvor Erfahrung gesammelt haben, Erfolge feierten. Die Beginner , mit denen wir bereits 1994 unterwegs waren und unzählige Auftritte hatten, haben uns gefragt, ob wir mit ihnen touren wollen. Wir dann so: "Ja Logo, wieso nicht?" . Das war schon cool mit dem Bus. Das war für uns das erste Mal das wir mit einem Nightliner gefahren sind. Die Gigs mussten von 500er Hallen auf 3000er Hallen umgebucht  werden. Das war der Wahnsinn! Das war die positive Zeit des Hiphops, wir sind als Einheit aufgetreten. Zu dem Zeitpunkt wurden auch die Medien immer aufmerksamer und kamen massiv auf uns zu, was auch amüsant und lustig war. Beim Echo war ich mit dabei… War eine lustige Zeit. Aber nach und nach wurde das ein Geschäft. Da ist der Zustand den Hiphop heute angenommen hat. Heute geht es um Plattenverkäufe, du musst präsent sein.
 


 
Um das Jahr 2000 wurde es Praxis, jeden zu signen der "Haus" auf "Maus" reimen konnte, weil die Labels möglichst was vom Hype abhaben wolten. Wie hast du diese Zeit erlebt? Hast auch dir gedacht, dass, wenn es um die Top 50 der Charts geht, einige dort einfach nicht hingehören?
Das war die Zeit, in der das Hoch vorbei zog und Hiphop ausgeschlachtet wurde. Zu der Zeit hab es eine so krasse Medienpräsenz des deutschen Hiphops und da bin ich an einen Punkt angelangt, an dem ich mir sagte: 'Diese Medien, der ganze Small Talk und das TV, das Radio, das ist mir alles zu krass und zu oberflächlich.' Ich dachte mir, du kannst dich nicht im Fernsehen von irgendeiner Dumpfbacke interviewen lassen, die dann ohnehin nur scheiße zusammenschneidet. Das war mir zu krass. Was das charten angeht, war der Zug für uns dann auch schon abgefahren. Wir haben zu der Zeit auch keine Platten veröffentlicht. Wir haben erst wieder 2005 eine veröffentlicht, also zu der Zeit, als die Hoch-Zeit wieder vorbei oder sogar schon lange vorbei war. Wir haben uns auch bewusst dazu entschlossen zu der Zeit nichts zu veröffentlichen. Das hätten wir dann auf Teufel komm raus machen müssen, so einen Haus-auf-Maus-reimen-Scheiß. Das entsprach aber nicht unserer Arbeitsweise. So was haben wir nie gemacht, für uns war schon immer Qualität wichtig, wir wollten nicht einfach irgendwas raushauen.

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"Die Polizei rückte mit Wasserwerfen an, das war ein richtiger Kampf auf den Straßen. "   - Zeitsprung: 93/94: Jam Takeover von Gangstern

Wie war das damals eigentlich auf den Jams, so um 1993/94 rum. Da gab es dann die Stuttgarter, die Münchner und die Hamburger, die aufgetreten sind. Wenn die Berliner kamen, hat man weiche Knie bekommen. In der Autobiographie der Fantastischen 4 (Die Fantastischen Vier. Die letzte Besatzermusik – Anm. d. R.), wird beschrieben, dass, wenn die Berliner aufgetreten sind, oft aufgemischt wurde.
Das waren keine Berliner Rapper, sondern Writer und ihre Kumpel. Das waren halt Leute die auf Auseinandersetzungen aus waren. Die sind dahin gekommen um die Leute abzuziehen. Eine Jam in Frankfurt, mit irgendwelchen New Yorker Malern, Advanced Chemistry und irgendwelchen englischen Gruppen wurde beispielsweise von den Berlinern übernommen und die sagten dann, dass sie jetzt die Kasse machen würden. Das waren lauter Typen mit Bomberjacken, auch etwas Ältere mit Hunden - Gangster halt. Die sind da eingelaufen und haben den Leuten unter anderem die Schuhe abgezogen. Space zum Beispiel, so eher abgefuckter Typ mit Dreads, saß auf dem Klo und dann kam einer dieser Berliner und sagte: "Ey, gib mir dein Geld" , aber der Space hatte keine Kohle und holte dann ein paar Pfennige raus. Der Berliner hat ihm dann einen Fünfer gegeben und gesagt: "Kauf dir ein Bier" . (lacht) Das war eine der Ausnahmesituationen. In Hannover haben die Berliner sich mit den Cops angelegt. Da fand in der Stadthalle eine große Jam statt, dort waren dann Leute aus ganz Deutschland und Son Of Noise (britische Formation die aus Hardnoise hervorgegangen ist - Anm. d. R.) aus England. Die Polizei rückte mit Wasserwerfen an, das war ein richtiger Kampf auf den Straßen.  Also noch anders, als beispielsweise der Selfmade Vorfall in Berlin. Savas hat um 1998/99 seine Definition von Streetrap präsentiert. Die weitere Entwicklung von Streetrap, ist danach eigene Wege gegangen. Wie hast du das um 2000 erlebt, als Savas im Mainstream durch die Decke gegangen ist und wie das die Rapwelt verändert hat.
Savas habe ich vor langer Zeit kennengelernt, das war so 1995/96. Er hatte, wenn ich mich recht erinnere, in München einen Auftritt mit Islamic Force (Berliner Hiphop Formation – Anm. d. R.) und hat mit Kucher bei einem Kumpel von mir gepennt. Anschließend haben wir das Wochenende zusammen verbracht. Aus Battlerap hat sich eine richtige Disziplin entwickelt. Da gab es die coolen Leute, wie Kool Savas und Samy Deluxe , und dann gab es auch die Mitläufer, die in ihren Texten einfach andere beschimpft haben und sehr aggressiv gerappt haben. Das war mir zu anstrengend. Zu der Zeit hab ich mich eher zurückgezogen, weil ich zu dem Zeitpunkt auch mein Studium beendet habe. Ich kannte das alles aber schon, insofern hat sich daraus auch kein neuer Input ergeben.

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"Was ich dir sagen kann ist, dass Hiphop die Integration fördert" | "Deutsch ist sozusagen durch Hiphop cool geworden." - Hiphop und Streetrap


Wenn man den Zeitstreifen entlang geht, kommt man an den Punkt, an dem Aggro und Bushido erfolgreich wurden. Das war um 2004/2005. Mich würde interessieren, wie du das damals gesehen hast. Akzeptierst du Streetrap innerhalb der Hiphop Szene? Würdest du es überhaupt als Hiphop bezeichnen?
Klar, dass ist eine Form von Rap. Das ist die logische Konsequenz, das nimmt den selben Lauf wie in den USA und Frankreich. In den letzten Jahren hat sich eben diese aggressive Form von Rap durchgesetzt, diese unpolitische Selbstdarstellung von Rap. Es ist ja auch salonfähig geworden, krass zu sein, krasse Sachen zu sagen und Leute zu beschimpfen. Diese ganze Pornoscheiße ist wahrscheinlich ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das ist eine bestimmte Form von Rap, die sich etabliert hat und wenn man über Rap spricht, denkt jeder gleich an Gangsterrap. Das ist halt das, was in den letzten fünf Jahren präsent war. Natürlich gibt es Leute, die noch wissen, wie es früher war. Aber für die Leute, die jetzt dazugekommen sind, ist das Rap. Das Gute an der Sache ist, dass Ausländer, vor allem in Berlin, jetzt ein Sprachrohr haben. Die haben jetzt jemanden, der für sie spricht. Nur bei manchen davon, muss man sich fragen, was die uns sagen wollen.
Fördert das denn die Integration oder wird die Situation dadurch teilweise verschärft, weil man Subkulturen innerhalb einer Subkultur schafft?
Das kann ich dir nicht sagen, aber was ich dir sagen kann ist, dass Hiphop die Integration fördert. Allein die Tatsache, dass auf Deutsch gerappt wird, setzt eine gewisse Kenntnis der Sprache, dem Umgang damit und auch Interesse daran voraus. Was für mich zum Beispiel eine neue Ära eingeleitet hat, war, als Afrob und Ferris MC einen Hit mit Reimemonster gelandet haben. Die haben ganz normal deutsch gesprochen, es stand auch gar nicht zur Debatte und es hat sich auch niemand gewundert. Deutsch ist sozusagen durch den Hiphop cool geworden. Das ist der Verdienst, den Hiphop geleistet hat. Dadurch ist ja auch die ganze Indie Pop Szene entstanden. Erst dadurch ist es gewöhnlich geworden, dass Deutsch in der Musik verwendet wurde. Die ganzen Jungs die mich früher ausgelacht haben, weil ich auf Deutsch gerappt habe, haben später auch irgendwann mal angefangen auf Deutsch zu rappen - spätestens seit Samy . Da kommt so ein Schwarzer daher und beherrscht diese Sprache und zeigt den Deutschen, was man damit alles anfangen kann. Mittlerweile ist es das Normalste auf der Welt, dass irgendein Tunesier, Türke, Bosnier, Pole oder Schwarzer daherkommt und auf Deutsch rappt. Das steht gar nicht mehr zur Debatte und insofern hat Hiphop in dieser Form die Integration gefördert.

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" Das macht Hiphop ja auch aus, es tut nichts zur Sache woher jemand kommt. " Hiphop und Integration

Du hast selber jugoslawische Wurzeln. Für dich stand es nie zur Debatte, oder?
Natürlich nicht, ich bin hier aufgewachsen, hab immer Deutsch gesprochen. Das stand für mich nie zur Debatte. Das macht Hiphop ja auch aus, es tut nichts zur Sache woher jemand kommt. Was zählt, ist was man kann. Aber das ist mittlerweile leider auch verloren gegangen. Oftmals geht es gar nicht mehr um die Texte der Rapper und das was sie wirklich können. Es geht oft nicht darum, wie die Musik ist und um was für eine Qualität es sich sowohl vom musikalischen als auch vom geistlichen her, handelt. Es geht vielmehr um die Biographie und die Geschichten, was sie schon alles erlebt haben. Es wird sozusagen eine Kunstfigur geschaffen und Rap ist eigentlich nur das Vehikel.  Die Vermarktungsmaschinerie kann man in dem Sinne schon anprangern. Wie siehst du einen Bushido, der durch seine Rapkarriere ein Buch geschrieben hat und dazu einen Film drehen ließ?
Der macht sein Ding und das ist auch cool. Das ist halt der Weg den er geht, der Weg des Kampfes.

Der Weg des Kriegers (Bedeutung des Namens Bushido aus dem japanischen - Anm.). Ist das noch Hiphop für dich?
Er rappt halt und macht sein Ding. Der ist halt ein Star, egal ob das jetzt Rap ist oder nicht, und macht jetzt das, was man so macht: ein Buch schreiben, einen Film drehen und Alles was dazu gehört.  Die Sau schlachten solange sie noch fett ist?
Ja, aber vorwurfsfrei. Du kannst auch Dieter Bohlen keinen Vorwurf machen oder anderen von der Sorte. Bushido genau so wenig. Das ist was er will, er sagt es auch und das ist okay so. Für mich ist das natürlich insofern anstrengend, als das ich dazu immer gefragt werde wie ich das denn sehe. Auch auf der Arbeit, die Schwestern, Ärzte, Pfleger und auch die junge Patienten fragen mich immer: "Ey, wie siehst du das mit Bushido?" Ich sage dann immer: "Frag den doch selber -  was soll ich dazu sagen?" Der macht sein Ding und das ist okay so, fertig aus.

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" Den großen TV Erfolg haben wir nie angestrebt... " - Main Concept und David Pe heute



Kommen wir zum Jahr 2010 - da hieß es: 20 Jahre Main Concept. Glammerlicious hat mir geschrieben, da gibt es bald wieder was, er selber will was veröffentlichen. Von euch dürfen wir auch noch was erwarten?
Ja, wir wollen schon eine Platte machen. Wir arbeiten dran. Die Zeit ist reif, es gibt was zu sagen und wir wollen schon noch was veröffentlichen, aber wir machen uns keinen Stress. Es gibt keinen der uns sagt: "Hey, dann und dann ist das Releasedate" ! Wenn wir sie fertig haben, haben wir sie fertig und dann bringen wir sie raus. Wir versuchen die jetzt in den nächsten Monaten zügig fertig zu machen, wobei ein und zwei Jahre ja auch aus mehreren Monaten besteht (lacht). Ich hab Bock drauf, ich würd mich gerne wieder zu Wort melden. Wir treten ja auch auf und sind viel unterwegs. Obwohl, was heißt viel, nicht mehr so viel wie früher aber wir sind regelmäßig unterwegs. Das läuft dann auch ganz gut, wir treten nicht mehr in Tausender Hallen auf, die Zeit ist vorbei, aber es ist immer gut gefüllt. Das sind Leute, die mit uns groß geworden sind, uns cool finden und uns zu schätzen wissen und dafür bin ich im Nachhinein dankbar und zufrieden. Ich hab vielleicht keinen kommerziellen Erfolg. Mit Main Concept kann ich so was nicht vorweisen, dafür aber einen kulturellen. Viele Leute kommen auf mich zu und sagen: "Ey, ich hab damals Coole Scheiße gehört (1994 erschienenes Main Concept Album – Anm. d. R.) und dann hab ich auch angefangen zu rappen". Insofern haben wir auch was geleistet und jetzt führen das halt andere fort. Und wir machen auch weiter, den großen TV Erfolg haben wir nie angestrebt, natürlich auch weiterhin nicht. Zumal es ja auch cool ist, wenn du stressfrei Sound machen kannst und nicht gedrängt wirst und du es aus Spaß an der Sache machen kannst.

 


Jetzt.de hat ein Interview mit Kinderzimmer Productions geführt, dort fiel dann die Aussage, dass sich deutscher Hiphop nicht so entwickelt hat, dass man ihn als eigene erstzunehmende Musikrichtung verstehen kann, sondern, dass er sich schon immer viel zu sehr am US-amerikanischen Vorbild orientiert hat. Wie siehst du das?
Sagen wir mal so, am US Vorbild haben wir schon immer alle gehangen und das ist keine Schande. Da kommt Rap her, das Bild von Rap wird durch die Amis, der Kleidung, der Sprache, dem cool sein, also der ganzen Attitüde, geprägt. Das ist halt so und das wird auch immer so sein. Ich finde auch nicht, dass das ein Vorwurf ist. Und natürlich fügen wir in Deutschland dem ganzen unsere eigene Nuance hinzu und die Franzosen eben ihre. Ich hab schon Leute in Nepal gesehen und die machen dasselbe - das ist das coole an Hiphop. Hiphop ist wie Jazz, den gibt es auf der ganzen Welt und wird von allen möglichen Leuten gemacht und eigen interpretiert. Es gibt ja auch alle möglichen Auswüchse und Sachen, die sich ähneln und sich dann irgendwie doch nicht einordnen lassen. Die ganze Streetkultur ist sehr vermischt, zum Beispiel Hiphop mit Elektro. Letztendlich werden wir uns immer mehr am amerikanischen Vorbild orientieren. Leute wie wir, oder andere die schon länger dabei sind, orientieren sich vielleicht nicht mehr so sehr am aktuellen US-Vorbild. Das sind halt irgendwelche Kinder (lacht). Wir wurden durch andere Leute geprägt.

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" Das sich Rap mit Elektro verbindet, okay, das ist so, aber man sah ja damals schon mit Crossover die ersten Vermischungen. " Hiphop State of Mind eines Veteranen



Gerade in den letzten fünf Jahren seh ich auf dem europäischen Markt eine andere Orientierung. Über Bushido könnte man eine Doktorarbeit schreiben, über die Art und Weise, wie er Frankreich nach Deutschland geholt hat. Ich stell es einfach mal in Frage, ob es tatsächlich das amerikanische Vorbild ist, das deutschen Hiphop in den letzten Jahren prägt, obwohl die USA natürlich das Mutterland ist. 
Amerika ist das Ur-Vorbild, da haste schon recht. Es lassen sich mehr Parallelen zwischen Bushido und 113   (Französische Formation - Anmerkung der Redaktion) herstellen, weil beide orientalische Wurzeln haben. Das ist dann natürlich naheliegender als vielleicht der Bezug, den schwarze Rapper in den USA zu Afrika haben.

 
Nehmen wir mal die Elektroeinflüsse: das war doch in den letzten Jahren sehr beeinflussend. The Streets, Kano und so Leute wie Marteria oder Frauenarzt sind doch in letzter Instanz irgendwie europäisch geprägt.
Sorry, aber wir reden aneinander vorbei. Du redest von Hiphop und meinst die Musik. Ich aber meine, wenn ich Hiphop sage, nicht nur die Musik, sondern die ganze Kultur, die Bewegung und du redest jetzt von musikspezifischen Sachen. Das sich Rap mit Elektro verbindet, okay, das ist so, aber man sah ja damals schon mit Crossover die ersten Vermischungen. Es hat sich sogar schon so weit entwickelt, dass du die Leute nicht mehr anhand der Kleidung unterscheiden kannst. Früher konntest du sagen, das ist ein Hiphopper, das ist ein Metaler, das ist ein Punker, das ist ein Nazi, das kannst du heutzutage nicht mehr so richtig einschätzen.

 

Zwischenzeitlich soll es ja sogar so was wie Nazi Rap gegeben haben.
Ja, ich finde aber auch, dass das die logische Konsequenz ist. Rap ist ein gutes Instrument seinen Senf los zu werden. Dafür muss man ja nichts können. Man muss nur halbwegs im Rhythmus einen Reim machen. Wenn du Gitarre spielen möchtest, musst du Gitarre spielen können und das muss man üben. Deswegen ist es ja auch klar, dass jeder der seinen Scheiß loswerden will, Rap als Instrument dafür nutzt. Du stellst dich hin, machst ein paar Reime über Mütter von anderen und deinem großen Schwanz, suchst dir dann noch ein Feindbild und dann bist du halt cool. Das ist ja auch nichts Rapspezifisches, aber so läuft es immer. Bei den Nazirappern sind es die Ausländer, bei den Gangsterrappern die Schwuchteln und die Bitches oder sonst was. Anschließend hast du die ganzen Jungs auf deiner Seite. Das ist aber keine große Kunst, auf diese Art und Weise die Leute hinter sich zu scharren. Das hat der Führer auch schon so gemacht und damit gezeigt, dass es funktioniert. Letztendlich ist Rap schon sehr floskelhaft geworden. Es wird beschimpft, es ist immer dasselbe Gelaber, keiner erzählt was neues. Die einen bringen es cool, die anderen technischer, dafür dann aber nicht so cool, aber es ist halt überall nur wenig Botschaft. Wobei Sido zum Beispiel ja schon ein bisschen Message mit rein bringt. Er will den Leuten etwas vermitteln und es macht Spaß bei ihm zuzuhören. (...)
Dieses ganze Floskel- und Phrasenhafte ist ausgelutscht. Deswegen ist Rap für die breite Masse ja auch uninteressant geworden, weil es immer dasselbe Gelaber war und kein neuer Input mehr da war.

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" Wenn es ein Problem gibt und einer meint, er müsse das jetzt ausrappen, dann rappen wir das halt aus. " - und: was war mit Raptile?


Wer mich noch interessieren würde, wäre Raptile. Du hast ja sehr viel Zeit mit ihm verbracht und hast seine Karriere verfolgt und gesehen wo es hingegangen ist. Was macht Raptile heute und wie stehst du zu ihm?
Also Raptile habe ich schon ein paar Jahre lang nicht mehr gesehen, der ist nach Orlando gezogen. Raptile hat in Orlando ein Studio und produziert da. Aber ehrlich gesagt, weiß ich nichts Konkretes. Er und seine Freundin Ela haben sich dafür entschieden und sind dann nach Orlando gezogen.
Zwischen euch gibt es ja schon einen Gegensatz, er hat sich kommerzialisiert und ist diesen Weg ja auch ganz bewusst gegangen. Die Anfänge davon hast du ja auch miterlebt.
Ja, aber Raptile ist mein Homie. Ihn hab ich nicht durchs Fernsehen kennengelernt und mir ein Urteil über ihn gebildet. Ihn kenne ich als Mensch, ich hab gerne mit ihm gerappt, die Freestyle Tournee mit ihm gemacht und es war immer cool, hat harmoniert und Spaß gemacht. Das ist das was für mich zählt. Als er mir dann sagte, dass er jetzt diesen Weg gehen möchte, war ich damit vollkommen einverstanden. Natürlich kann man sich jetzt darüber streiten, ob das vom Hiphop Gedanken her korrekt ist und moralisch vertretbar, aber diese Entscheidung trifft jeder selber und keiner hat das Recht, über andere zu urteilen. Genau aus diesem Grund urteile ich auch nicht über Bushido oder sonst irgendjemanden. Ich kenn diese Leute ja auch nicht wirklich, nur durchs Fernsehen. Die Figur, die sie darstellen schon, aber nicht den Menschen. Das ist wie mit Batman, du kennst ihn, weißt aber nicht, dass es Bruce Wayne ist. Von daher ist Raptile ein ganz anderer Fall.

 

Du hast eine ganz andere Sicht der Dinge, als die der allgemeinen Szene und dementsprechend finde ich es schon sehr interessant, das mal aus Sicht eines Freundes reflektiert zu sehen.
Ich meine, er ist ja auch gehatet worden und das auch noch öffentlich. Und natürlich hat er auch Angriffsfläche geboten, aber er hat es tapfer durchgestanden und hat sich immer adäquat gewehrt. Den Stress tu ich mir gar nicht erst an. Wenn mich einer haten würde, übers Internet oder so […] würde ich es wahrscheinlich gar nicht mit kriegen, außer ich werde von jemandem darauf hingewiesen. Das würde ich dann vielleicht in einem Halbsatz erwähnen, sofern ich mich daran erinnern würde. Eigentlich würde es mich gar nicht interessieren.

 

Curse sagte während eines Interviews mit mir mal, dass es keinen Sinn machen würde, auf so was einzugehen. Die Leute würden dadurch ja nur noch mehr Fame bekommen, den sollen sie von irgendwo anders her holen.
Ja, aber soweit denke ich gar nicht. Allein die Tatsache, dass mich jemand hatet, interessiert mich nicht. Ich bin David Pe , weisste wie ich mein? Wenn es ein Problem gibt und einer meint, er müsse das jetzt ausrappen, dann rappen wir das halt aus.

  Ende des Jahres soll eine neue Platte der Band herauskommen. Wir bleiben weiterhin mit den Veteranen in Kontakt und halten dich auf dem Laufenden!



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