Das Ende von Aggro Berlin
Aggro schließt - darf man davon überrascht sein oder nicht? Auf der Haben-Seite konnte das Label eindrucksvolle Fakten verbuchen: Sechs goldene Schallplatten, zehn Top-Ten Alben, Kontroverse en masse und nicht zuletzt ein quer durch alle Medien omnipräsenter sido . Allerdings wog besonders in der jüngeren Vergangenheit auch die Negativ-Seite schwer: Sinkende Verkaufszahlen, ein missglückter Kitty Kat -Einstieg, die Trennung von Fler und nicht zuletzt ein zwar omnipräsenter sido , der jedoch immer öfter unzufrieden verlauten ließ, das Aggro in Zukunft eventuell doch nicht sein Label Nr. 1 bleiben würde.

Was geschieht nun mit den Aggro-Künstlern nach dem Label-Ende? Am wahrscheinlichsten scheint eine Fortführung der bestehenden Verträge unter dem Dach von Universal . Der Major war 2007 einen Joint Venture-Deal mit Aggro Berlin eingegangen und beendete damit die vollkommene Unabhängigkeit des damaligen Independent-Labels. Bei sido gilt es als fast sicher, dass er seine zukünftigen Platten über Universal veröffentlichen wird. Ob der Konzern es sich aber leisten will, neben sido auch verkaufsschwächere Künstler wie Tony D und B-Tight an Bord zu behalten, darf jedoch in Frage gestellt werden. Auch Kitty Kat könnte daher unter Umständen bald labellos sein - sie hatte von allen Aggro-Künstlern noch überhaupt keine eigene Veröffentlichung und somit besonders wenig Spielraum für Vertragsverhandlungen. Sie selbst gab bekannt, im Sommer auch ohne Aggro ihr Debüt veröffentlichen zu wollen, bei welchem Label bleibt aber offen (News: Kitty Kat: Debütalbum kommt im Sommer ). Besonders interessant ist zur Zeit die Causa Fler . In einem großen Knall hatte er in der vergangenen Woche seinen Ausstieg bei Aggro Berlin bekannt gegeben - nur wenige Tage später existierte das Label nicht mehr. Ist er mit dem Aus bei Aggro Berlin auch automatisch weg vom Universal-Fenster? Oder ist die Sache doch nicht so einfach wie man denkt?
Zur Trennung von Fler gab es einen ganzen Haufen Gerüchte. Von Beleidigungen, verletztem Stolz und sogar Label-internen Handgreiflichkeiten war zeitweise die Rede. Letztlich war das Verhältnis zwischen Label und Künstler wahrscheinlich nie so harmonisch, wie es offiziell dargestellt wurde. Bushido behauptet, Fler sei nur bei Aggro gelandet, weil Bushido selbst in seiner Aggro-Zeit damit gedroht habe, das Label zu verlassen, wenn Fler nicht auch unter Vertrag genommen werde. Fler wiederrum machte in Interviews schon mehrfach Aussagen, dass das Aggro-Management und er oft unterschiedlicher Meinung wären. Den Release seines Albums "Fremd im eigenen Land" musste er nach eigener Angabe regelrecht erzwingen, den Beef mit Selfmade heizte er gegen den Willen von Aggro mit Diss-Tracks an. Dass er nach dem Label-Split nun die Versöhnung mit Bushido sucht, kann man als Ergebnis menschlicher Reife und die Reunion zweier ehemaliger Feinde auslegen - oder aber als Fickfinger gegenüber dem alten Management. Die Wahrheit wissen nur die Beteiligten.

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Nachdem Aggro die Schotten dicht macht, richten sich nun alle Augen auf ersguterjunge . Bushido s Plattenfirma hat den Ruf, das erfolgreichste Rap-Label Deutschlands zu sein. Jedoch mehren sich die Gerüchte, dass man selbst hier mittlerweile rote Zahlen schreibe. Wie sehr Bushido selbst noch an seiner Karriere als Musiker hängt, ist unklar. Seit langer Zeit spekuliert er gerne mal öffentlich über ein baldiges Karriereende. Gerüchten zufolge, macht er vor allem weiter, weil ominöse Hintermänner des Labels auf die Einnahmen durch Bushidos Alben nicht verzichten wollen. Bestätigen lässt sich das natürlich nicht. D-Bo wird in naher Zukunft ein neues Soloalbum  Die Lüge der Freiheit herausbringen (News: D-Bo: Infos zu Die Lüge der Freiheit ). Mit dabei sein werden Chakuza , Nyze , Aida , Emine Bahar , Max Mostley , Raf Camora , Nazar , Pireli , Summer Cem , Sonnik Boom ( Sprachtot ) und Bizzy Montana. Noch nicht bekannt ist allerdings, ob D-Bo über ersguterjunge oder sein eigenes Label Wolfpack Entertainment releasen wird. Da es auf sämtlichen Websites des Künstlers keine Erwähnung von egj mehr gibt, wird spekuliert, das D-Bo das Label verlässt. Wie wir in unserem Artikel Fler - Bestandsaufnahme nach Aggro Bruch und Bushido Versöhnung berichteten, gibt es zu allen egj-Artists Gerüchte über eine Trennung von Bushidos Label. Unter diesen Bedingungen klingt ein festes Signing Flers natürlich unwahrscheinlich. Es ist bezeichnend für die Lage des deutschen Musikmarktes, dass seit 2008 mit Royal Bunker , Optik Records und eben jetzt Aggro Berlin gleich drei der erfolgreichsten und bedeutendsten Labels der Rap-Szene ihre Arbeit einstellten. Zum einen ist mal wieder eine Blase geplatzt. Mit Aggro Berlin begann ein Hype um deutschen Straßenrap, der spätestens mit ihrem Ende wieder vorüber ist. Das die Erfolge von Aggro Berlin und Bushido bedeuten, dass in deutschem Rap massig Geld steckt, war offensichtlich eine Fehleinschätzung. Mit dieser bitteren Erkenntnis müssen heute zahlreiche Rapper leben, die in den vergangenen Jahren in ihren Songs das Ausgeben noch nicht verdienten Geldes besangen. Große und kleine Labels reagieren ganz geschäftsmännisch mit dem Ausstieg aus dem unattraktiven Rap-Markt. So schade der verlorene Platz an der Sonne für Rapdeutschland ist, musikalisch wird die Krise vielleicht ein reinigendes Gewitter sein, dass neue kreative Kräfte freisetzt. Zusätzlich läuft es eben mit den Plattenverkäufen allgemein nicht so gut. Solange die Industrie verloren zwischen dem veralteten Tonträgerverkauf und der digitalen Zukunft hängt, wird das wohl so bleiben. Dass es ausgerechnet Rap-Musik so hart trifft, liegt vor allem an der jugendlichen Zielgruppe: Ein B-Tight wird den Rückgang seiner Käufe schneller bemerken als ein Hansi Hinterseer, dessen Hörer Internet und Musikpiraterie bestenfalls aus Zeitungen kennen. Auf den Handys der deutschen Schulhöfe jedoch ist Rap-Musik Spitzenreiter. Dafür braucht man im Grunde nicht einmal staatlich geprüfte Umfragen unter der Aufsicht von Spiegel TV - es reicht schon aus, sich zur Mittagszeit in einen beliebigen Nahverkehrs-Bus zu setzen und die Lauscher aufzusperren. Gehört werden die Künstler, dafür gezahlt hat aber nicht mal jeder Zehnte.

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Im deutschen Rap, und ganz besonders im Zusammenhang mit Aggro Berlin , wird oft und gern über erreichte Chartplatzierungen diskutiert. Ironischerweise geht dies zu großen Teilen auf das nun schließende Aggro-Label zurück, das vor allem in seinen Anfängen alles andere als zurückhaltend seine Chart-Erfolge in die Öffentlichkeit posaunte. Auch Konkurrenten wurden immer wieder gerne mit Verweis auf die Media Control Charts ins Nirvana gedisst. Doch was bedeuten Chartplatzierungen heutzutage eigentlich noch? Um die Lage der deutschen Musikindustrie zu verstehen, kann man sich an ein Zitat halten, das Dieter Bohlen Ende 2007 in einem Fernseh-Interview gab:

"Früher musstest du am Tag 20.000 Platten verkaufen, um auf 1 zu gehen. [...] Wenn du im Moment 50 Platten am Tag verkaufst, gehst du in die Charts. Ganz locker."
Anhand solcher Statements sollte sich Fans und Hater nicht wundern, warum die meisten Labels nach wenigen Jahren ihre Pforten wieder schließen. Die einzige Möglichkeit, mir Rap noch Geld zu verdienen, liegt heute in Tourneen oder Side-Businesses wie dem Merchandise Verkauf. Aus solchen Gründen gehen etwa Künstler wie Kool Savas zu ihren aktuellen Alben gleich mehrfach auf Tour, gibt es im Deluxe Records -Shop mehr Merchandise als tatsächliche Tonträger zu kaufen, oder klinkt sich Straßenjunge sido als Jury-Mitglied in eine Casting-Show ein. Das Geschäft mit (Rap-)Musik liegt am Boden.

Gerade die geschäftstüchtigen Aggro Berliner werden diesen Umstand schon lange auf sich zukommen gesehen haben. Jeder Hype läuft sich irgendwann tot, jede Bewegung erreicht irgendwann ihr Ende. Finanziell sind die Aggro-Chefs mit Sicherheit nicht fertig. Aber wozu ein Geschäft weiterführen, dass für die Zukunft kaum noch Wachstums-Chancen bietet? sido denkt laut über Labelwechsel nach, Fler ist wieder down mit Bushido . Wozu weitermachen? Es ist alles erreicht. Aggro hat Deutschrap seinen Stempel aufgedrückt - für immer. Ohne Aggro sähen deutsche Rap-Videos heute nicht so aus, wie sie aussehen. Wann immer es in Zukunft um Rap-Marketing gehen wird, wird Aggro der Maßstab sein, an dem die Nachfolgenden sich orientieren werden. Möglicherweise wurde selbst noch die jetzige Schließung als Promo-Stunt für das aktuelle Fler -Album genutzt. Ein Label schließt man immerhin nicht innerhalb einer Woche - und die Bekanntgabe der Schließung zeitgleich zum Fler-Release zu legen, würde genau in die Art Promotion passen, die Aggro Berlin von Tag eins aus auszeichnete. War der einzige Grund für die Trennung kurz vor Label-Schluss vielleicht sogar der damit verbundene Hype? Selbst bei seinem Ableben hätte Aggro Berlin damit noch einmal alles mitgenommen, was ging. Selbstverständlich reine Spekulation. Aber für genau solche dreist-genialen Moves haben wir Aggro all die Jahre geliebt und gehasst.

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