Was hat das mit Hiphop zu tun?
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Es sind 35 Grad im Schatten. Man sitzt im Auto mit einigen Leuten auf dem Weg in den Urlaub und im Innenraum sind es nochmal gefühlte 50 Grad mehr. Es scheint, als würde der Schweiß schon von der Decke tropfen und die Landluft, die von den Feldern neben der Autobahn durch das Fenster zieht, trägt auch nicht zur Verbesserung der Laune bei. Doch irgendein Schlaumeier stellt trotzdem immer wieder die Frage "Wann sind wir endlich da?...Wann sind wir endlich da?... WANN SIND WIR ENDLICH DA?". Wer kennt das nicht? DIe neue Generation stellt sich eine andere Frage: Was hat das mit Hiphop zu tun?

Würde man ein Analyse Tool über unseren Facebook Account laufen lassen, das die Kommentare abcheckt, dann wäre dieser Kommentar sicher der meistgepostete überhaupt. Es folgt ein Versuch, die Frage zu beantworten.

Wirft man einen Blick auf die Kommentierenden und ihre Motive dazu, merkt man schnell, dass es zwei verschiedene Lager gibt.

Das eine ist eher pro Kool Savas und den, sagen wir mal, älteren und länger gefestigten Rapartists zuzuordnen. Das andere Lager mehr der Kollegah-Fraktion. Natürlich liegt das daran, dass es Lines und Interviews nicht nur von Savas, sondern auch von Sido und Bushido gibt, die einige neuere und musikalisch experimentierfreudige Künstler kritisieren mit dem Vorwurf, ihr Schaffen habe nichts mehr mit Hiphop zu tun. Kollegah persiflierte das Ganze dann und nannte es die "Hiphop-Polizei." Das führt dazu, dass man den Satz unter unseren Posts sowohl ironisch als auch als ernsthaft gemeinten Vorwurf findet.

Zunächst einmal zu den als Witz zu verstehenden Memes, in denen Savas per Bildmontage als Polizist verkleidet wurde. Kollegah hat schon einige Sätze geprägt, die nun an vielen Stellen im Netz auftauchen. Zum Beispiel "Wer ist dieser Laas?" Auch an mir geht dieser Humor nicht regungslos vorbei und Videoblogs oder Punchlines, mit denen er einen solchen Hype prägt, sind definitiv unterhaltsam und erfrischend. Allerdings ist es mit Witzen so wie mit einigen Dingen im Leben, sie sind vergänglich. Irgendwann ist einfach die Luft raus und wenn ich vier Jahre nach der Veröffentlichung des Disstracks immer noch die Frage "Wer ist dieser Laas?" unter einem neuen Video lese, ist das in etwa so, als würde ich abgestandenes Wasser trinken. Ähnlich verhält es sich mit dem Satz "Was hat das mit Hip Hop zu tun?".

Auf Seite 2 geht es weiter mit den Realkeepern...

Nun zu der Fraktion, die die Frage ernst meint. Die Kritik betrifft nicht nur unsere Berichterstattung über Kollegah, sondern auch die über Casper, Cro, Orsons-Mitglieder, Marteria, Rockstah, Ahzumjot, Olson und so weiter. Die Liste ist so lang, dass ich mich manchmal frage, welchen Künstler die Verfasser dieser Frage überhaupt feiern. Ausschließlich Kool Savas?

Das wäre sehr schade. Klar, Savas ist in Stein gemeißelt und einige von uns werden das ein oder andere seiner Alben behandeln, wie meine Eltern die Vinyl von The Dark Side of the Moon.

Aber wie Rooz in seinem #waslos über das Thema King of Rap schon sagte, wir haben mittlerweile drei bis vier Rap-Generationen durchlaufen in Deutschland. Da gibt es eben die Heads, die sich einer bestimmten zugehörig fühlen und nur diese repräsentieren. Und alles Neue, was musikalisch auch mal Ausflüge in die Rock-, Pop-, Elektro- oder Alternative-Richtung macht, von vornherein ablehnen und ihre Ablehnung auch uns gegenüber kundtun, wenn wir berichten.

Wer hat nicht schon, wenn auch nur eine Zeit lang, gewisse Künstler gegen alles verteidigt und nur ein bestimmtes Rapgenre gepumpt ? Aber stellt sich dann nicht die Frage, ob man damit die gleiche Einstellung hat wie die eigene Oma, die das Internet für irgendwas Neumodisches hält, womit sie nichts zu tun haben will ? Was schrecklich ist. Gut es kann einem auch egal sein, aber sie verpasst eben sehr viel Neues und das führt dazu, dass man selbst in einer völlig anderen Welt lebt als sie. Sich zu entschließen nicht einer völlig anderen Welt wie die nachfolgenden Generationen zu leben, bedeutet dann auch Alben wie Hinterland, Pubertät, Zum Glück in die Zukunft 1&2 und unzählige gute Tracks aus dem Chimperator-Lager nicht verpasst zu haben.

Manchmal muss man eben seine eigene Einstellung in Frage stellen, um anderes zu erfahren. Und genau dazu sind wir als Hiphop-Medium auch da. Um den Zuschauern und Lesern eine möglichst breite Sicht auf die Kultur zu bieten.

Seite 3: Rap ist wie eine Metzgerei...

Trotzdem kann jeder einzelne sich nach Interesse dafür oder dagegen entscheiden, einen Beitrag zu lesen. Musik ist und bleibt Geschmacksache. Genauso wie Essen. Aber ich gehe ja auch nicht in eine Metzgerei und brülle die Verkäuferin an, weil sie Koteletts verkauft, nur weil ich keine Koteletts mag.

Und dass sie neben Steaks und anderen Fleischsorten oder Wurstwaren auch noch Koteletts verkauft, wird die Fleischindustrie sicher auch nicht zerstören. Ja, die Metapher hinkt ein wenig, aber ich glaube, es ist klar, was gemeint ist.

Hiphop ist längst nicht mehr nur schwarz oder weiß, er ist auch rosa, blau oder grün. Vielfalt ist im Grunde etwas sehr Positives. Und das kann man doch auch einfach so hinnehmen, auch wenn man auf dem 1990er- oder 2000er-Jahre-Rapfilm hängen geblieben ist. Dagegen ist im Übrigen auch absolut nichts einzuwenden und das ist auch gut so.