Ufo361s "Rich Rich" wird das beste Album seiner Karriere

Wenn ich auf meinen Kontostand schaue, weiß ich, dass größerer Reichtum noch auf der To-Do-Liste steht. Ufo361 hingegen hat einen anderen Status – der Berliner Rapper ist "Rich Rich". Er legt Wert darauf, dass seine "Chanel-Bag Vintage" bleibt. Aus diesem übermäßigen Materialismus und all den Edelmarken mache ich mir nicht allzu viel. Trotzdem ist Ufos neues Album für mich mit einer außerordentlichen Vorfreude verknüpft.

Das liegt nicht daran, dass ich Ufos Lebensrealität nachvollziehen oder nachempfinden kann. Egal. Für mich steht fest, dass "Rich Rich" das beste Album wird, das der ehemalige Hoodrich-Boy je gemacht hat. Vielleicht handelt es sich sogar um das beste Deutschrapalbum, das 2020 erscheinen wird.

"Rich Rich": Ufo361 geht zurück zum Wesentlichen

Ja, wenn man zu den Migos oder dem Thugger guckt, mag es so wirken, dass man ungefähr 20 Songs auf ein Album packen muss, bevor man sich an die Öffentlichkeit wagen darf. Doch ein wirklich kohärentes Werk kommt so kaum zustande. Es läuft eher darauf hinaus, dass sich über Nutzungsverhalten der Hörer irgendwann erschließt, was die verwertbaren Hits sind. Der Rest bleibt Füllware.

Ufo hat nie derart radikal auf natürliche Streaming-Selektion gesetzt. Sein letztes Album ist dennoch ziemlich vollgepackt. "WAVE" hat ein überragendes Intro, mehrere gute Einzelsongs und noch zu viele von diesen vorbeirauschenden Tunes, die man schnell wieder vergisst. Der Vorgänger "VVS" lieferte 17 Songs, wobei nur wenige eine längere Halbwertzeit bewiesen haben. Am nächsten kam der Stay High-Boss einem runden Album wohl mit "808". 13 Songs – that's it.

Falls sich an der Tracklist von "Rich Rich" nichts weiter ändert, geht Ufo dorthin zurück: eine übersichtliche Anzahl an Songs und kaum ein Feature. Ufos persönlicher GOAT Future ist an Bord – sonst niemand. Kompromisse zur Erschließung einer größeren Zielgruppe sind bei der bloßen Draufsicht nicht zu erkennen. Auch die bisher gezeigte Kunst macht deutlich, dass Ufo hier keine leicht konsumierbaren Gefälligkeiten rausbringt.

Ufo361 & sein mürrischer Drip

Die bisher veröffentlichten Videos von den 100BLACKDOLPHINS wirken dabei wie aus einem Guss. In den Darstellungen gelingt es, Ufo nicht als glattes US-Abziehbild zu inszenieren. Eine düstere Note zeichnet die "Rich Rich"-Visualisierungen aus. Marken, Ketten und Drip können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ufo einen gewissen Schmerz transportiert. Den feuchtfröhlichen Party-Flavour à la "Shot" verbreitet Ufo nirgends.

Diese zerrissene Welt macht Ufo auch textlich auf. Er schaut auf dunkle Kapitel, denen "Schulden beim Dealer wegen Sucht" innewohnen. Dazu kommen die oft zitierten falschen Freunde oder der Stillstand in der Szene: Ufo wirkt zwischen all den Models und dem Ice regelrecht angefressen. Selbst wenn die Girls im Video gute Vibes transportieren – Ufos Gesicht spiegelt keine Freude, sondern eher eine kaum zu leugnende Teilnahmslosigkeit. Gerade so als wäre sein Künstlerdasein eine enorme Last, mit der er einen Umgang finden muss. Das beschreibt er im Titeltrack als alternativlos: "Rich-rich, mach' die Fam reich / Nein, ich hab' keine andere Wahl mehr"



Der Zugang zu Ufos Kosmos scheint weitaus schwieriger als bei früheren Releases. Astronomische Aufruf- und Streamingzahlen können die Highclass-Produktionen nicht vorweisen. Dafür sind die Abnutzungserscheinungen extrem gering. Mit jedem Durchlauf eines neuen Ufo-Songs findet sich noch eine neue Nuance, eine erfrischende Feinheit oder ein bisher überhörtes Detail. Nicht nur der Künstler, sondern auch seine Musik ist "Rich Rich".

Ufo & sein Team ackern

Dass vorerst jede Single vollends überzeugt hat, liegt zu einem großen Teil an den Sound-Künstlern im Hintergrund. Was The Cratez, Jimmy Torrio, Sonus030, Bawer, OZ und Co produziert haben, klingt oft als wäre es nicht für diese Zeit gemacht. Die Beats sind druckvoll, verspielt und gehen mit ihrem Aufbau unkonventionelle Wege – Vergleichbares findet hierzulande nicht auf diesem Level statt. Diese mitunter wilden Arrangements bändigt Ufo mit großer Experimentierfreude, ohne dass man nur eine Sekunde darüber ins Zweifeln gerät, ob da noch alle Beteiligten wissen, was sie da tun. "Bad Girls, Good Vibes" wird von einem Sample dominiert und entschleunigt Ufos Jagd nach dem Cash auf extrem geschmeidige - auf unvorhergesehene - Art und Weise.



Wenn man in Ufos Insta-Story sieht, wie sich der Stay High-Chef Torten und andere Köstlichkeiten gönnt, würde man zunächst nicht auf die Idee kommen, dass der Berliner übermäßig viel ackert. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ufos Output sucht seinesgleichen. Allein 2019 releaste er "WAVE", das Kollaboalbum "Lights Out" mit Ezhel und erweiterte sein Label mit dem Signing von Data Luv. Von Feature-Parts ganz abgesehen.

In der ersten Jahreshälfte von 2020 erscheint nun schon "Rich Rich" (insofern die Coronakrise das Ganze nicht verlagert). Wie überhastet aufgenommene Massenware klingen Ufos Tracks dennoch nie – und die Songs aus "Rich Rich" erst recht nicht. Dem Lean hat Ufo abgeschworen und präsentiert sich nun so fokussiert wie wohl selten zuvor. Ironischerweise scheint ihm gerade diese Klarheit neue Wege eröffnet zu haben.

Ufo361 ist ganz weit draußen

Ufos Startphase zu "Rich Rich" kam wie eine lockere Fingerübung rüber. Als wolle er mit "Nur zur Info" sagen, dass er der Konkurrenz meilenweit voraus ist. Diese Beiläufigkeit lässt den Berliner arrogant wirken. Das ist auf den ersten Blick kein Kompliment. Auf den Zweiten ist es jedoch eine Qualität, die sich mit jedem Beatbreak, jedem Hall und jeder vernuschelten Adlib klarer abzeichnet.

Ufo kann sich diese Haltung tatsächlich herausnehmen. Es gibt aktuell in unseren Breitengraden keinen vergleichbaren Künstler. Im Video zu "Rich Rich" schwebt Ufo vielsagend über den Dingen. Zeitgleich beweihräuchert er dabei nicht vollkommen stumpf das Luxusleben, das er sich nun leisten kann. Einer tieferen Zufriedenheit scheint Ufo auf seinem neuen Album nach bisherigen Eindrücken regelrecht hinterherzujagen, obwohl er weiß, dass diese vielleicht für immer eine Utopie bleiben wird.

Wir sind angehalten, uns all das über ein paar Umwege zu erschließen. Jedes Single-Cover vermeidet, Ufos Gesicht zu zeigen. Der Künstler steht entweder im Dunkeln, ist verfremdet oder lässt Statussymbole für sich sprechen. Ufo macht sich weniger greifbar, weniger ausrechenbar und ist dadurch unwahrscheinlich mitreißend. Diese Spannung überträgt sich – auch ohne persönlichen Bezug zu Vintage-Swag und Shopping-Trips in Paris.

"Rich Rich" - Ufo361 vor seinem wohl besten Album?

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