Openair Frauenfeld: Ein Festival, zwei Rap-Welten

Nicht erst seit letztem Jahr gibt es geteilte Meinungen darüber, was eine gute Live-Show ausmacht. Auf der einen Seite stehen Rapper wie RIN, die es schaffen einen Vibe zu transportieren, aber faktisch kaum ins Mic rappen. Auf der anderen Seite positionieren sich Bühnen-Maschinen wie etwa Kool Savas, deren Fähigkeiten als echte MCs unbestreitbar sind. Diese Saison auf dem Openair Frauenfeld hat sich der Graben zwischen diesen beiden Performance-Varianten deutlicher denn je gezeigt. Der Auftritt von Ski Mask The Slump God bot wohl den vorläufigen Höhepunkt der Antihaltung gegenüber einer Rap-Show, wie sie ursprünglich konzipiert war.

Ski Mask The Slump God und die gewollte Verweigerung

Der frisch gekührte XXL-Freshman lässt sich von nichts beirren, als er die Stage betritt – nicht einmal von seinen eigenen Tracks. Sein DJ hat die La Fabrik-Bühne auf die maximale Hitze vorgeheizt. Das vornehmlich junge Publikum wirkt bereit, durchzudrehen. Eigentlich wurde der rote Teppich des Turnups ausgerollt, damit einer der besten Freunde vom verstorbenen XXXTentacion Interesse daran bekommt, abzuliefern. Stattdessen springt ein Kerl auf die Stage und hält es kaum für nötig, seinen Mund auch nur in die Nähe des Mikrofons zu bringen. Außer Geräuschen und punktuellen Ausrufen kommt recht wenig, was an Rap erinnert.

#LaFabrik day 1 with @theslumpgod , @gashi , @zugezogenmaskulin and @bas was #OAF18 : @fotonoid

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Okay, die ignorante Haltung der jungen Generation aus Amerika ist keine Neuheit, aber derart einen F*ck zu geben, ist schon speziell (Playboi Carti und Lil Uzi Vert reihen sich hier ein und legen nur ein wenig drauf, was den Fokus auf ihre Vocal-Performance angeht). Eine Rap-Show für diese Generation ist mehr eine Pose als "echter" Rap. Lil Uzi weiß das:

Wo RIN wenigstens noch den Eindruck vermittelt ab und zu mitzurappen, hält sich Ski Mask nicht mit solchen Kleinigkeiten auf. Er verweigert gerade zu, dass man ihn für einen MC der alten Schule halten könnte. Stattdessen scheint er selbst überrascht von seinen Parts und freut sich mit dem Finger wippend über die eigenen Flowwechsel. Dass zur Performance von "Sad!" von XXXTentacion kein Ton seine Lippen verlässt, ist natürlich der Sache geschuldet, dass es nicht sein Song ist. Trotzdem verliert dieser Moment an Gewicht, wenn er wie alles nur aus den Boxen knallt, ohne dass der eigentliche Künstler sich auf dem Beat einlässt. Dass er es theoretisch besser kann, zeigt die diesjährige XXL-Cypher:

Ski Mask The Slump God Freestyle - 2018 XXL Freshman

Subscribe to XXL → http://bit.ly/subscribe-xxl Ski Mask The Slump God snaps with his lyrical delivery in his 2018 XXL Freshman freestyle. The nine rappers in the 2018 XXL Freshman Class are Ski Mask The Slump God, Lil Pump, Smokepurpp, J.I.D, Stefflon Don, BlocBoy JB, YBN Nahmir, Wifisfuneral and Trippie Redd.

Die Verweigerung ist hier Absicht und ein Mittelfinger an die Generation, die sich Live fortlaufend beweisen musste. Da die Migos parallel ihr Set eröffnen, kann nicht mit totaler Sicherheit gesagt werden, dass nicht doch noch der Rapper aus dem 22-Jährigen herausgebrochen ist. Anzunehmen ist es eher nicht.

J. Cole und eine "echte" Rap-Show

Das andere Extrem beansprucht J. Cole für sich. Der Dreamville-Boy rückt direkt mit einer ganzen Kapelle an. Zu seiner musikalischen Entourage zählen Backgroundsängerinnen, ein Gitarrist, ein Schlagzeuger und ein DJ, der sich mehr rausnimmt, als ausschließlich Animation zu liefern. Wer das Konzert im Live-Stream auf Magenta Musik verfolgt hat, der weiß, was gemeint ist. Zur Verteidigung von Ski Mask muss gesagt werden, dass sein Kollege einen weitaus reizvolleren Spot im Festival-Lineup bekommen hat. Zur Primetime die Hauptbühne zu entern, führt sicherlich zu einem ganz anderen Bewusstsein für die Situation.

J Cole - KOD live in OAF 2018

Uploaded by haocen wang on 2018-07-07.

Was der geborene Frankfurter auspackt, ist Rap to the fullest. Ohne Backup oder übertriebene Effekte flowt sich das Roc Nation-Signing durch seine Diskografie. Die Lust an der Show springt ihm förmlich aus dem Gesicht. Vornehmlich bringt er sein letztes Album "K.O.D." auf die Bühne und rennt ähnlich viel von einem Bühnenende zum anderen wie Ski Mask The Slump God. Der Unterschied besteht darin, dass Cole nur zu seiner Musik ausflippt, wenn er nicht ins Mic rappen muss. Der Fokus liegt auf dem Vortrag und nicht auf dem Abfeuern von Catchphrases aus der Animationskanone. Dazu passt auch, dass sein DJ nicht durch zusätzliches Entertainment auffällt, sondern durch Scratches.

Am eklatantesten wird die abweichende Vorstellung von Publikumsbespaßung auf einem Hiphop-Festival beim Vortrag von "1985 (Intro To The Fall Off)". Der Main-Act des Donnerstags bricht nach ein paar Zeilen ab, um seinen Track, der auch als Abrechung mit der Generation um Lil Pump verstanden werden kann, a cappella zu performen. Ohne jeglichen Wackler sitzt Line um Line, sodass keinerlei Zweifel aufkommen, was Cole zu leisten im Stande ist, wenn der Beat nicht mehr läuft. Die elektrisierte Menge stimmt "J. Cole"-Sprechchöre an und wirkt hingerissen. Diese Argumente kann man aber genauso gut für Ski Mask ins Feld führen. Auch hier sind schreiende Menschenmengen zu konstatieren und die springende Ekstase, sobald der Beat droppt.

Hiphop ist für alles da

Die Stages und Zeitpunkte der Auftritte liegen natürlich in unterschiedlichen Dimensionen, im Endeffekt sieht der Festival-Besucher zwei Rapper auf einer Bühne. Ein Gegensatz ist auf diesem Level nicht existent. Beide müssen liefern und entscheiden sich für vollkommen verschiedene Methoden. Da die Crowd für beide Lösungen total offen scheint, ist hier kein Problem für den Zuschauer auszumachen. Es sind schlichtweg zwei Wege für das gleiche Ziel zu identifizieren, die sich künstlerisch nahezu ausschließen, aber auf einem Festival perfekt funktionieren.

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