Wie Mac Millers "K.I.D.S." mein Leben verändert hat

Mac Miller wollte nie in den berüchtigten Club 27. Das symbolträchtige Todesalter vieler Rock- und Popstars muss er nicht teilen. Drogen haben ihn ein Jahr früher aus dem Leben gerissen. Mich hat der Tod des Multitalents berührt, wie kaum ein Musikertod zuvor.

Vorweg: Mac Miller ist nicht mein Lieblingsrapper. Ich höre seine Musik auch nur noch sehr unregelmäßig. Dafür hat Mac Miller für mich persönlich etwas geleistet, das wohl unerreicht bleiben wird. Er hat das Tor zu einer neuen musikalischen Welt aufgestoßen.

Ich war Anfang 20 und irgendwo in den ersten Semestern meines Studiums. Mein Raphorizont setzte sich aus verschachtelten Kollegah-Lines, Stakkato-Gewittern von Morlockk Dilemma und dem sarkastischen Geschimpfe von Audio88 & Yassin zusammen. Natürlich war ich auch mit Eminem vertraut und bekam mit, wenn Hits aus Übersee nach Deutschland schwappten. Gefallen daran finden, konnte ich nicht wirklich.

Wovon ich nur eine dürftige Ahnung besaß, waren die Mixtapekultur und das Schaffen amerikanischer Rapper abseits des totalen Mainstreams. Und dann kam "K.I.D.S.". Das Akronym für "Kickin Incredibly Dope Sh*t" war bereits das vierte Mixtape dieses Teenagers, der mir völlig unbekannt war. Ein Freund schickte mir unaufgefordert einen YouTube-Link zum Video zu "Kool Aid And Frozen Pizza". Da sah und hörte ich das erste Mal den damals 18-jährigen Mac Miller rappen.

Mac Miller - Kool Aid & Frozen Pizza

GO:OD AM Album Out Now Download it here: https://smarturl.it/GOODAM Rostrum Records, Rex Arrow Films & TreeJTV Present...

"K.I.D.S." ist das Mixtape einer Generation

Ich weiß nicht genau, was es war, aber in diesem Moment wurde ein Schalter bei mir umgelegt. Ich habe mir "K.I.D.S." runtergeladen und allein das Intro mit dem einleitenden Zitat aus dem gleichnamigen Film "Kids" von Larry Clark zeigte mir, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat. Die Videos zu "Nikes On My Feet", "Senior Skip Day" und "Knock, Knock" rotierten noch Monate später in Dauerschleife. Rex Arrow Films setzte Mac so locker in Szene, wie er sich in seinen Texten gab. Jung sein und irgendwie das Beste daraus machen – ja, so in etwa stellte ich mir wohl dieses Studieren vor. Der Soundtrack zum Träumen von einem Leben, das sich hoffentlich immer so anfühlen würde, wie Macs Musik klang.

Wir sprechen hier vom Jahr 2010. Einen Streaming-Markt in der heutigen Form gab es noch nicht und auch YouTube war noch kein nahezu vollwertiger TV-Ersatz. Ich war fasziniert von diesem jungen Kerl, der das Leben nicht so ernst zu nehmen schien. Vielleicht ist Mac Miller im Nachhinein betrachtet einer der ersten Rapper, die durch das Internet und seine virale Kraft zum Superstar gewachsen sind. Sein Mixtape-Fame ist charakteristisch für eine Phase des US-Raps, aus der zum Beispiel auch MCs wie A$AP Rocky und Kendrick Lamar als Stars hervorgegangen sind. Damit nimmt er nochmal eine andere Stellung ein als seine Rap-Kollegen, die ebenfalls viel zu früh verstorben sind. Mac Millers Ableben hat eine Symbolkraft für die eine Generation, die nicht seit Geburt mit dem Internet vertraut war, aber mit dem Netz erwachsen geworden ist.

Fast jeder Track auf "K.I.D.S." war ein Hit für mich. Dazu kam, dass Mac Miller einen Filmgeschmack zu haben schien, der sich mit meinem deckte. Am Ende von "Senior Skip Day" etwa wird ein weiterer Ausschnitt aus dem Film "Kids" benutzt. Diese kleinen Feinheiten, die den eher oberflächlichen Rap reflektierten, machten das Gesamtpaket Mac Miller für mich spannend. Seine Kunst war überhaupt nicht verkopft, aber hin und wieder schimmerte durch, dass der MC in ihm für mehr geschaffen war als für flockige Stoner-Vibes.

Zudem half Mac Miller, mein zu dem Zeitpunkt miserables Hiphop-Wissen zu verbessern. Von Lord Finesse hatte ich vor "K.I.D.S." nicht den Hauch einer Ahnung. Da aber dessen Instumental zu "Hip 2 Da Game" für "Kool Aid And Frozen Pizza" benutzt wurde, wusste ich plötzlich, auf welche Klassiker Mac Bezug nahm. Dass sich Jahre später sich aus der Nutzung des Beats noch ein Rechtsstreit entwickelte, sei dahingestellt. Generell hatten es mir die unverkrampften Instrumentale angetan. Der Sound von Artists wie Empire Of The Sun oder Owl City kam dort gleichberechtigt neben klassischem Boom Bap vor. Oder nehmen wir die eingebauten Referenzen. Es gibt diese eingespielte Nas-Passage aus "The World Is Yours", die als Teil der Hook in "Nikes On My Feet" funktioniert – ich hätte mich vielleicht nie mit Nas auseinandergesetzt, wenn es "K.I.D.S." nicht auf meinen Rechner geschafft hätte.

Mac Miller - Nikes On My Feet

GO:OD AM Album Out Now Download it here: https://smarturl.it/GOODAM Rex Arrow Films & TreeJTV Present... Mac Miller Nikes On My Feet Part 2 of A Day In The Life of Mac Miller twitter.com/macmiller Shot & Edited by Ian Wolfson Rex Arrow Films 2010 www.rexarrow.com Produced by Black Diamond

Ich bin auf diesem Tape regelrecht klebengeblieben. Diese lockerere Attitude des Jungen aus Pittsburgh bildete den kompletten Gegensatz zu meinem sonstigen Musikgeschmack.
Manchmal fragte ich mich, wie mich diese relativ oberflächlichen Tracks derart vereinnahmen konnten. Ich fand keine befriedigende Antwort. Später sollte Miller diesen zugänglichen Output als "Easy Mac with the cheesy raps"-Phase bezeichnen. Wie auch immer – ich habe es einfach gefühlt! So sehr gefühlt, dass ich den Typen unbedingt live sehen wollte.

Im November 2011 spielte Mac dann seine "The Incredibly-Dope-Tour" in Europa. Ich kaufte Tickets für den Gig im Hamburger Docks. Als ich an der Location ankam, erwartete mich eine unübersichtliche Menschenmenge. In meinem Kopf war schwer vereinbar, wie ein junger Typ aus Amerika nur mit Mixtape-Veröffentlichungen einen mittelgroßen Club im Norden Deutschlands voll machen konnte. Mac Miller konnte es einfach und lieferte ein Konzert, an das ich mich zwar alkoholbedingt nicht zu 100 Prozent erinnere, aber das mir so gut gefallen haben muss, dass ich ein T-Shirt kaufte.

Seit diesem Live-Erlebnis habe ich jeden weiteren Schritt von Mac Millers Karriere verfolgt. Er hat sich viel ausprobiert und entwickelte sich immer mehr zu einem anerkannten Künstler. Aus dem Rap-Kid-Image war er herausgewachsen. Mich hat seit jeher in den Bann gezogen , dass es für ihn keine Grenzen gab. Zwischen Flying Lotus-Produktionen wie auf "S.D.S." und wirklich stumpfsinnigen Trap-Bangern à la "Insomniak" mit Rick Ross ließ Mac nie einen Zweifel an seiner Musikalität.

Sein Output wurde zunehmend intimer, zerbrechlicher und stellenweise auch hörbar substanzgeschwängert. Das simple Highlife der "K.I.D.S"-Zeit  war irgendwann genauso vergessen wie mein Kurs- und Klausurengeschiebe. Mindestens zwei, drei gute Songs hatte trotzdem jedes Release. Auch "Swimming" ist eine absolut stimmige Platte, die mit "Self Care" den Tod, aber auch das ewige Fortleben von Macs Musik vorwegnimmt.

Mac Miller - Self Care

Directed by Christian Weber SWIMMING is available now. Get it here: https://ad.gt/swimming

Dank "K.I.D.S" habe ich unfassbar viel US-Rap aufgespürt, erschlossen und liebgewonnen. Ohne Mac wäre ich vielleicht weiterhin in meiner Deutschrap-Blase von damals gefangen. Mac Miller hat mich in einen neuen Kosmos geführt.

Danke, Mac! Most dope!

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