Brauchen die Hiphop.de Awards eine Frauenquote?

Die Hiphop.de Awards laufen seit knapp einer Woche. Die Jury hat nominiert, bis zum 2. Januar könnt ihr hier für eure Favorit*innen des Jahres abstimmen.

Wie die Nominierungen zu Stande kommen, könnt ihr hier nachlesen: 30 Expert*innen bekommen ein Briefing und reichen ihre Vorschläge ein, unsere Jury Kommission extrahiert daraus die Nominierungen. Wie immer machen wir uns auch dieses Jahr Gedanken, wie wir den Modus weiter verbessern könnten. Dabei stellen wir uns zum Beispiel die Frage: Sollte es bei den Hiphop.de Awards eine Frauenquote geben?

Im letzten Jahr zeigten zwei der wichtigsten Preise ("Bestes Album", "Bester Song") für Juju, dass eine längst überfällige Entwicklung in der Szene Früchte trägt: Rapperinnen sind keine Ausnahme mehr, sondern an der Spitze der Szene angekommen. In den Nominierungen finden sich 2020 allerdings weniger Frauen als im letzten Jahr. Sollte man den Anteil deshalb im Regelwerk festschreiben, um strukturellen Benachteiligung von Frauen entgegenzutreten?

Bestandsaufnahme: Unter "Bester Rap-Solo-Act", "Lyricist des Jahres", "Beste Line" und "Bester Live Act" kann man 2020 nicht für eine Frau abstimmen. Für das "Beste Album" ist Haiytis "Sui Sui" nominiert, mit Layla, Badmómzjay und Céline finden sich drei Künstlerinnen in der Newcomer-Kategorie wieder, beim Song des Jahres stehen Juju (2x), Loredana, Céline, Shirin David und Alies als Kool Savas' Feature bei "AMG" zur Auswahl. Gewählt werden kann außerdem für Suena (als Teil eines Duos mit Lucry) in der Producing-Kategorie, für Katja Krasavices Movie "Million Dollar A$$" als "Bestes Video" und für Lina Burghausen als "Macherin des Jahres" – sie bietet Rapperinnen mit ihrem All-Female-Label 365XX eine Plattform, die es in dieser Form zuvor nicht gegeben hat.

Das ist historisch betrachtet eine massive Steigerung. Aber gerade in der MVP-Kategorie "Bester Rap-Solo-Act" wäre eine Rapperin wichtig gewesen. Zu den Bewertungskriterien gehören hier die Qualität des Outputs, Erfolg oder auch mediale Präsenz. Wer es am meisten verdient hätte, kann man natürlich immer diskutieren. Die Nominierten haben ihren Platz verdient. Manche Rapperinnen, die hätten nominiert werden können, haben 2020 schlicht kein Album veröffentlicht. Man kann argumentieren, dass die Nominierungen auch in dieser Kategorie wiedergeben, wer 2020 regiert hat. Doch sollten die Hiphop.de Awards nicht mehr tun? Sollten sie helfen, den Anteil von erfolgreichen Künstlerinnen zu steigern, bis struktureller Sexismus der Vergangenheit angehört, anstatt nur den Ist-Zustand abzubilden?

Ein Möglichkeit bestünde darin, dass die Jury-Kommission, die die Vorschläge der Juror*innen auswertet, weniger mathematisch auszählt und stärker eingreift, um etwas für Diversität zu tun. Das widerspricht allerdings unserem Ziel, uns selbst bei den Awards zurückzunehmen und Magazin-übergreifend Expert*innen und Fans sprechen zu lassen.

Noch drastischer und damit effektiver wäre es, wenn das Regelwerk festlegen würde, dass ein Anteil der Nominierten weiblich sein muss. Das mag dazu führen, dass ein männlicher Kollege einen verdienten Platz verliert. Es würde aber der Tatsache Rechnung tragen, dass es Frauen nach wie vor deutlich schwerer haben, mit ihrer Musik soweit zu kommen, dass sie von einer breiten Masse als potentiell bester Rap-Act angesehen werden.

Wie hoch würde man den Anteil festlegen? Wären 30 % ein Fortschritt oder wäre alles unter 50 % diskriminierend? Kann man Diskriminierung mit Mathematik bekämpfen? Wäre es schon Whataboutism zu fragen, ob man Quoten dann auch für andere Gruppen einführen müsste?

Wenn wir als Gesellschaft 2020 etwas gelernt haben sollten, dann dass jeder von uns intensiver über strukturelle Diskriminierungen, aber auch den eigenen unterbewussten Rassismus oder Sexismus nachzudenken hat, wenn wir etwas verändern wollen. Die Frage, was das in der Praxis bedeutet, wird uns auch 2021 begleiten.

Schreib uns deine Meinung gerne in die Kommentare!

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