Hiphop soll den Saudis die westliche Kultur näherbringen – aber doch nicht SO!

Der deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier will am Mittwoch nach Saudi-Arabien und dort ein Kulturfestival besuchen. Deutschland ist offizielles Gastland beim 30. Janadriyah-Festival in Jeddah und man will dort "unser Verständnis von kultureller und künstlerischer Freiheit [...] deutlich zum Ausdruck bringen".

Dazu plant man Auftritte eines Bläserquartetts, einer Folkloreband sowie einer Jazzband und es soll eine deutsch-saudische Hiphop-Jam geben. Ein bisschen ironisch, dass man auf seine kulturelle Freiheit (die weiblichen Mitglieder der Folkloreband tragen normalerweise Dirndl) verzichten muss, wenn man den Einwohnern Saudi-Arabiens das eigene Verständnis von "kultureller und künstlerischer Freiheit" näherbringen will.

Fast noch ironischer ist die Sache mit der Hiphop-Jam. Natürlich ist das eine schöne Idee, aber sie wurde nicht konsequent zu Ende gedacht. In Saudi-Arabien boomt zwar die Szene, aber dass es auch Rap geben kann, der nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Hiphop (Stimme der Unterdrückten und so, doowayst!) zu tun hat, wird bei solchen Sätzen der Künstlern schnell klar: "Politik fasst man besser nicht an, damit bringt man sich nur in Schwierigkeiten."

Am Ende wird die Jam einfach dazu benutzt, einen freien Eindruck von einem oppressiven Land zu vermitteln. Der laut TAZ erfolgreichste Rapper des Landes, Qusai, gab diese bezeichnende Aussage von sich: "Wir haben hier keine Meinungsfreiheit, aber das respektieren wir, denn uns geht es besser als anderen Gesellschaften."

Laut des Berichts der TAZ gibt es außerdem so gut wie keine legalen Live-Gigs. Wenn es dazu kommt, dann anscheinend schön kommerziell ausgeschlachtet. In diesem Land soll jetzt eine Hiphop-Jam für Völkerverständigung sorgen. Schöne scheinheilige Scheiße. Kritik gegenüber der Königsfamilie ist dabei ein Tabu. Die 47 Hinrichtungen, mit denen das neue Jahr eingeläutet wurde, wahrscheinlich auch. Ach, lasst die Menschenrechtslage im saudischen Königreich am besten ganz raus. Ist sicherer.

In einem Pilotprojekt für die Zusammenarbeit zwischen deutschen und arabischen Rappern ist 2013 From Berlin to Jeddah mit Max Herre und Qusai entstanden. Der Song sei damals vor rund 600 Zuschauern vorgestellt worden, "die nach saudischen Gesetzen nur Männer sein durften", so die TAZ. Auch hier: besser nichts kritisieren.

Worauf ich hinaus will: Diese Hiphop-Jam wird keine Hiphop-Jam. Es wird mit jedem Jahr schwerer, die ursprünglichen Grundgedanken dieser Kultur in dem wiederzufinden, was heute als Hiphop bezeichnet wird. In diesem Fall ist es halt besonders offensichtlich. So können die Saudis sich auf dem Festival dann wohl an einer inszenierten Hiphop-Jam berauschen, wie man sich im Zoo ein zur Lethargie konditioniertes Raubtier ansehen kann.

Just my two cents. Wie der Ausflug von Steinmeier politisch einzuordnen ist, überlasse ich besser Leuten, die mehr Ahnung davon haben (sollten). Wie der Song mit Max Herre einzuordnen ist, überlasse ich mal dir, als kompetentem Hiphop.de-Leser:

Was sagst du: Besser ein bisschen beschnittene Freiheit als gar keine oder ist das tatsächlich nur scheinheilige Scheiße?

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