Herrscher über Leben und Tod: Ufo361 und die totale Kontrolle

"Habe das Gefühl in Deutschland darf mein kein Künstler sein, sondern muss regeln folgen. Nicht mit mir!" [sic] – Ufo361 am 25. Juli 2018 auf Instagram

Ufo hat diese Ankündigung ziemlich konsequent in die Tat umgesetzt. Es ist schon viel geschrieben worden über das vermeintliche Karriereende von Ufo361. Was bisher relativ unbeachtet geblieben ist, ist ein Aspekt, der weit über die Frage nach Aufhören oder Weitermachen hinausgeht.

Unabhängig davon, ob Ufo sich wirklich komplett zurückzieht (eher nicht, wie wir schätzen), als Kaiser weitermacht oder sich als Schmuckdesigner versucht – sein Abgang und die gesamte Inszenierung sind für Deutschrap beispiellos.

Ufo361: Ein Spiel mit Leben und Tod

Eines ist sicher: Der Mensch wird geboren und irgendwann stirbt er. Das gilt sowohl für Künstler und - nach jetzigem Stand der Forschung - auch für alle anderen. Ufo hebelt diese Gesetzmäßigkeit jedoch aus. Er schaut seiner Rapperfigur Ufo361 mit vollem Bewusstsein beim Sterben zu. Dabei weiß er, dass die Kategorien von Tod und Leben für ihn nicht gelten. Ufuk bleibt Ufuk – egal, was mit Ufo361 geschieht.

Damit erhebt sich Ufo über den normalen Lauf der Dinge. Er gelangt in eine fast gottgleiche Position. Einzig er allein verantwortet den Zeitpunkt, die Art und Weise und die Dauer seines Ablebens. Selbst eine Wiederauferstehung ist jederzeit möglich (und eventuell angedacht). Die Entscheidungsgewalt liegt bei Ufo und das lässt er seine Fans wissen: "Vielleicht sehen wir uns im nächsten Leben." Der Berliner gewinnt so die totale Kontrolle über sein künstlerisches Handeln.

Vor äußeren Faktoren, die sein Karriereende einleiten könnten, schottet er sich ab. Ausbleibender Erfolg oder Vertragsklauseln wirken auf Ufo nicht mehr ein. Der Charakter Ufo361 ist nun bis auf Widerruf unantastbar und für die Ewigkeit.

"RIP Ufo361" ist ein langes Ritual

Schon viele Künstler haben ihre Karrieren beendet. Dieser Vorgang ist alles andere als neu. Immer wieder hat Ufo in seinen Insta-Storys den Umgang mit ihm kritisiert. Statt die üblichen Kommentare und Meinungen auszuhalten, hat Ufo sich für die Einleitung eines Rituals entschieden. Damit gelingt es ihm, sich von allen äußeren Zwängen zu befreien.

Bereits mit "808" war die witzige Art aus der Berliner-Mixtape-Trilogie quasi nicht mehr vorhanden. Es wurde düster in der Welt von Ufo. Das Video zu "Balenciaga" liefert Motive, die Ufos Welt religiös aufladen. Die blutige Geburt, das rote Kreuz, die übertriebene Markenfixiertheit – Ufo feiert sich hier selbst als Teil eines Kults. Die legendäre Drum Machine Roland TR-808 mutiert zu etwas Übersinnlichem, dem Ufo sich aussetzt.

Dadurch überträgt er Abläufe ins Diesseits, die er eigentlich nicht leibhaftig erleben kann. Seine finale Show in Berlin wurde zu einer Totenmesse. Eine Beerdigung, die Ufo361 von der Bühne aus dirigiert. Das Publikum trägt Schwarz, Grabinschriften werden in die Luft gehalten und alle "Power" für eine letzte große Zeremonie gebündelt. Der Altar, der als Kulisse im Video zu "Standard" steht, sorgt beiläufig für weitere symbolträchtige Bilder. 

Die Zeichen stehen auf Abschied und Trauer. Ufo macht sich zum Märtyrer einer Generation – zu einem, der für seine Kunst gestorben ist. Im Angesicht tatsächlicher Trauer um Verstorbene haftet diesem Schauspiel auch etwas Makaberes an. Trotzdem: Ufo hat sein Werk auf Überlebensgröße ausgedehnt. Er wird zum Zeugen seines eigenen Mythos. Zum Herrscher über Leben und Tod.

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