Fleisch-, Terror-, Deppen-: Bild dir deinen Rapper!
Rapper und Bild-Schlagzeilen

Wer sind eigentlich diese Rapper und wofür stehen sie? Das lässt sich mit den einfachsten Worten einfangen, insofern man der Bild-Zeitung Glauben schenkt. Erst kürzlich wurden dort K.I.Z als "Berliner Deppen-Rapper" durchgewunken. Auch zum dubiosen "Puff-Puppen-Mörder" gab es neulich einen zweifelhaften Rapbezug. Ein "Gangster-Rapper" aus der Hauptstadt soll sich hier an Sex-Dolls vergriffen haben. Sagen wir so: Bei den Wortschöpfungen rund um mehr oder weniger bekannte Rapper gibt es eigentlich nichts, was es bei der Springer-Presse nicht gibt. Das ist auf vielfältige Art und Weise bemerkenswert.

How to BILD a Rapper

Was einen typischen Rapper für die Bild-Redaktion offenkundig umgibt: Negativität. Wirklich jede einzelne Bezeichnung ausfindig zu machen, würde hier den Rahmen sprengen. Aber: Auch ein unvollständiger Überblick über solche Rapper-Konstruktionen lässt erahnen, wo die Reise überwiegend hingeht: Rüpel-Rapper, Hass-Rapper, Knast-Rapper, Knacki-Rapper, Skandal-Rapper, Horror-Rapper, Gewalt-Rapper, Drogen-Rapper, Chaos-Rapper, Fratzen-Rapper, Ekel-Rapper, Prügel-Rapper.

Wie beliebig diese Wortschöpfungen eingesetzt werden, ist erstaunlich. Der Rüpel-Rapper steht eigentlich jedem gut, der nicht den moralischen Standards der Bild entspricht. Auch Artists, die bisher nicht durch Rap aufgefallen sind, bekommen hin und wieder dieses Etikett verpasst – zum Beispiel Chris Brown.

Bushido hat bereits 2011 die Kurve gekriegt – also fast. Für die Bild-Zeitung galt er kurz als rehabilitiert und war ein "Cooler Daddy statt Rüpel-Rapper". Das half aber auch nur bedingt: Im Juni 2012 wurden seine politischen Ambitionen schon wieder so umschrieben: "Rüpel-Rapper Bushido will eigene Partei gründen".

Ansonsten fallen unter anderem noch Gzuz, Sido, K.I.Z, FiNCH, Fler, Farid Bang, Kollegah und viele mehr in das äußerst vage Raster eines Rüpels  selbst wenn es in den betreffenden Artikeln überhaupt nicht darum geht, dass jemand "ungehobelt und grob ist" (Shoutout an den Duden), geht.

Das Grundprinzip ist auch abseits des herbei geschriebenen Rüpels stets gleich. Es reicht ein Wort, das eine möglichst eindeutige Assoziation hervorruft. Dieses wird um "-Rapper" ergänzt. Willkür ist Trumpf.

Dabei muss es für die gemeinten Artists nicht immer schlecht laufen. Nicht jeder Rapper wird ständig mit abwertenden Begriffen bedacht. Es gibt ebenso: Fußball-Rapper, Fleisch-Rapper, Panda-Rapper, Party-Rapper, Masken-Rapper, Goldmasken-Rapper, Rollstuhl-Rapper, Model-Rapper, YouTube-Rapper. Solche Konstruktionen sind jedoch klar in der Unterzahl. Neue Einblicke in das Leben der Charity-Rapper, Spenden-Rapper, Sozial-Rapper, Liebes-Rapper oder Friedens-Rapper bleibt man der Leserschaft hingegen schuldig.

Der Fairness halber: Einen Österreicher, der rassistischen Müll auf populären Instrumentals rappt als "Neonazi-Rapper" zu bezeichnen, trifft den Kern der Sache.

Rapper werden zum Zerrbild

Völlig klar: Rap-Artists bekleckern sich nicht permanent Ruhm. Fehlverhalten sollte kritisch hinterfragt werden. Nein, jetzt kommt nicht der oft gebrachte Schlenker zum Spiegel der Gesellschaft. In der Musik und ihren Protagonisten spiegelt sich nicht jedes Detail einer Gesellschaft wider. Vielleicht muss diese vollends romantische Sicht auch mal überdacht werden. Rap wirkt aktiv auf die Gesellschaft ein und Rap kann heutzutage kaum authentisch die Perspektive einer Generation jenseits der 60 aufgreifen. Dennoch: Durch all die Prügel-, Skandal- und Rüpelrapper wird der Eindruck erweckt, Rap sei etwas, das nur im Umfeld von abwertenden Großbuchstaben existiert.

Dank der Dauerbefeuerung mit negativen Schlagworten entstehen mitunter krasse Verzerrungen. So wird der für den Islamischen Staat agierende Deso Dogg als "Terror-Rapper" bezeichnet. Diesen Stempel bekommt auch Massiv im Frühjahr 2022 von der Springer-Presse verpasst. Nur posierte Massiv nicht in IS-Propaganda-Videos mit abgetrennten Köpfen, sondern hat einen Preis für seinen Kampf gegen Rassismus und Extremismus erhalten. Dabei wurde auch sein Engagement für Menschen aus der Ukraine hervorgehoben. Zum "Terror-Rapper" machte ihn unter anderem die angebliche Glorifizierung eines Mannes, der wegen "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" verurteilt wurde. Wenn Massiv und Deso Dogg in einen Topf geschmissen werden: Was soll Terror-Rapper überhaupt aussagen?

Oder nehmen wir die Berliner Deppen-Rapper K.I.Z. Zu Deppen macht man sie und Mehnersmoos, weil angeblich "Tatsachen falsch dargestellt werden." Auf das "friedliche, fröhliche, ausgelassene" Volksfest lässt die Bild nichts kommen. Der Chef der Wiesn sieht in dem Track gar ein "billiges, plumpes Angewanze an die starke Marke Oktoberfest." Der Bildblog hat die Abschlussbilanz der Münchner Polizei gecheckt und den Song mit der Realität abgeglichen. Und tatsächlich flogen Bierkrüge, kam es zu sexuellen Übergriffen und wurden Hitlergrüße gezeigt. Nicht zu vergessen: die eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des unerlaubten Besitzes von illegalen Betäubungsmitteln. Die Deppen-Rapper scheinen mit ihrem anarchischen "Oktoberfest"-Beitrag näher an der Wirklichkeit zu liegen, als der Bild lieb ist. Da wirste deppert!

Doch plakativ und provokant zieht: Die Bild-Zeitung wird trotz sinkender Absatzzahlen rund eine Million Mal am Tag verkauft. Die Reichweite lag 2021 laut Statista bei fast acht Millionen Leser*innen pro Ausgabe. Da kann keine andere Tageszeitung mithalten.

Die Seite hiphopholic hat sich 2016 einmal die Mühe gemacht und im Archiv der Bild nachgeschaut, welche Rapper besonders häufig ins Visier des Springer-Blatts geraten. Bushido, Sido, Kay One, Fler und Kollegah sammelten dabei insgesamt 1.140 Einträge. Heute steht allein Bushido bei 1.000 Treffern. Capital Bra - damals gerade mit seinem ersten Album draußen - kommt aktuell um die 200 Mal in den Artikeln vor. Würde man 2022 anfangen, alle Rap-Artists im bisherigen Bild-Output zusammenzurechnen, käme eine absurd hohe Zahl heraus. Eine Zahl, die gerne mit Hass, Skandal, Rüpel oder Knast einhergeht.

Wer wissen will, wie sich Vorurteile in den Köpfen den Menschen festsetzen, kann in genau dieser Berichterstattung Indizien finden. Das mag einerseits auf einer Trash-Ebene lustig sein. Andererseits werden so permanent Stereotype präsentiert und verfestigt. Der Slogan "Bild dir deine Meinung" wir zur losen Behauptung. Rap und nicht zuletzt Hiphop verharrt für unzählige Augen auf dem Level eines Klischees. Bleibt zu hoffen, dass weniger Barbaren unter uns sind, als einer dieser Deppen-Rapper in "Boom Boom Boom" (2015) annimmt:

"Meine Vorfahren hab'n Wildschweine gejagt /
Jetzt leb' ich mit Barbaren, die tun, was die Bild-Zeitung ihn'n sagt"

PS: Die Fleisch-Rapper aus der Überschrift sind übrigens Ralle und Hack. Die Jungs haben einst - na klar - einen Track über Hack gemacht.

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