Sorry. Vielleicht haben wir gestern den Eindruck erweckt, die Helene Fischer Awards könnten dieses Jahr interessant werden. Es war die traditionsgemäß peinliche, altertümliche Veranstaltung, die jedes Jahr aufs Neue bestätigt, dass Verkaufszahlen und musikalische Qualität sich häufig (nicht immer!) antiproportional zueinander entwickeln. Das alles ist natürlich nur eine Meinung von vielen.
Kollegah kritisiert die ECHOs als "nicht mehr zeitgemäß" und Sido bleibt 'ne coole Socke: In einer Laudatio spoilert er schon mal, dass er bei vier Nominierungen genau null Awards gewinnen wird. Die Rapper, die mal kurz etwas sagen durften, haben also ihre Pflicht getan und den imaginären Mittelfinger ausgepackt.
Die sind so dumm hier beim ECHO. Da hinter der Bühne stehen alle Preise rum. Ich bin da vorbeigelaufen und hab' mal geguckt, wer heute so gewinnt. Ich jedenfalls nicht.
Aber hey! Es war immerhin ein Star aus dem erweiterten US-Rap-Kosmos anwesend. Grammy-Gewinner The Weeknd konnte das fulminante Spektaktel allerdings nur bis kurz nach seinem Auftritt genißen. Gefühlt Sekunden später stand er schon beim US-Newcomer Bryson Tiller auf der Bühne, der im 13 km entfernten Bi Nuu auftrat. Ob absichtlich oder nicht – sehr bezeichnender Move.
Ziemlich früh bekamen dann Frei.Wild, die patriotischen Rechtsrocker aus Südtirol, die nicht rechts sein wollen, einen ECHO. Gut einem Viertel der Wähler aus Sachsen-Anhalt gefällt das...
Falls @alligatoah den Echo gewinnt, könnt ihr den behalten! @ECHO_Musikpreis #freiwild
— Basti Trailerpark (@DNPBERLIN) 7. April 2016
187 als Highlight
Wie zu erwarten, waren es die 187ers, die dem müden Haufen ein bisschen Leben einhauchten. Im Video zur Nominierung waren weder LX noch Maxwell zu hören, aber passt schon. Ist ja alles irgendwie 187 und der Einspieler (hier ansehen) war trotzdem ein gefühltes Highlight.
Sogar Spiegel Online hat den Jungs die Daumen gedrückt, sich positiv über Deutschrap geäußert, 2-3 Karmapunkte gesammelt und fragt sich ebenfalls, was dieser ganze Zirkus noch soll:
Die einzige Musik in Deutschland, bei denen sich positive Feuilletonaufmerksamkeit und Verkaufszahlen annähernd proportional zueinander verhalten, ist Deutschrap, der aber immer noch, wie Kollegah (bester Act Hip-Hop/Urban national) kritisch anmerkt, ans Ende der Show gepackt wird. Zu wünschen gewesen wäre der Preis der Hamburger 187 Strassenbande, die verdammt lässig mit weiblicher Begleitung im Publikum saßen.
Posted by 187 Strassenbande on Donnerstag, 7. April 2016
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In den restlichen Vorstellungsvideos zu den Rap-Künstlern (hier ansehen) wurde dann auch weitgehend darauf verzichtet, Rap zu zeigen. Bei K.I.Z. konnte man nur Henning May hören, bei Genetikk war Kinderchor angesagt.
Kollegah gewann nach der Laudatio von Rae Garvey, der offenkundig keinen Plan von deutschem Rap hat, den genre-eigenen Award für die meisten verkauften Alben. Konnte man da wirklich keinen besseren Laudator finden? No offense gegen den Mann. Er war ja selbst überrascht von diesem skurilen Einfall der Veranstalter.
Als Kollegah sich das Ding abholt, gibt es neben seiner Kritik einen weiteren kleinen Schmunzelmoment: Sein Gang zur Bühne wird mit den Lines gegen Sun Diego aus Genozid unterlegt. Sicher ein glücklicher Zufall. Außerdem gab es für den "Boss" irgendeinen pseudo-modernen Preis für Interaktivität im Internet oder so. "Lasst uns den einfach 'nem Rapper geben. Die haben doch alle dieses Facebook", wurde diese Entscheidung vermutlich ausgeknobelt.
Bei all der Abneigung für die ECHOs kann man trotzdem insgeheim hoffen, dass vielleicht irgendwo ein Preis für einen Rapper herausspringt. Beim Videopreis hatten wir törichterweise SSIOs Nullkommaneun und Astronaut Chancen ausgerechnet. Auch hier schaffte man es geschickt, dem lethargischen Publikum einen möglichen Anflug von Humor zu ersparen.
Für den Videopreis gibt's keine Verkaufszahlen. Ein Blick auf vollkommen unrelevante Plattformen wie YouTube in diesem komischen Internetz wäre schon ziemlich anstrengend. Ach komm, der Udo kriegt das Ding. Udo ist Legende, da wird schon keiner was sagen. Die anderen Clips wurden gar nicht erst vorgestellt. So richtig weiß wohl nur Helene Fischer, nach welchen Kriterien der Videopreis verliehen wird:
Von der Verkaufszahlenfront gab es noch die Info, dass Dr. Dre mit Compton in Deutschland mehr verkauft hat als Kendrick Lamar mit To Pimp A Butterfly. Augenzeugen aus L.A. berichten von einem durch die Freude hoffnungslos überforderten Andre Young. Kendrick Lamar will jetzt nie wieder Musik machen.
Was rege ich mich überhaupt so auf? Wahrscheinlich liegt es an der felsenfesten Gewissheit, dass Rap musikalisch, (manchmal) inhaltlich und unterhaltungstechnisch weit über dem ganzen Müll liegt, der massenhaft gekauft wird. Andererseits ist es auch irgendwie nice, dass die Mehrheit das alles noch nicht checkt. Wenn man den ECHOs mit einem Zitat die Meinung sagen müsste, wäre Prinz Pi ein heißer Kandidat:
Meine Bibel hat sechs Worte: Ich bin tight, ihr seid wack!
Diejenigen, deren Anwesenheit es irgendwie rechtfertigt, nicht BVB - Liverpool zu gucken, gewinnen am wenigsten. Die anwesenden Rapper sorgen für die sehr rar gesäten unterhaltsamen Momente. Okay, der F*cker von Bosse an die Nazis da draußen hatte auch Flair.
Fazit: Sie wollen uns nicht auf ihrer großen Bühne. Sie wollen Einschaltquote vom jungen Publikum, aber sie wollen nicht, dass wir gewinnen. Sie wollen nicht, dass Leute während ihres Events die zu Gangzeichen geformten Finger in die Luft schmeißen und "187" brüllen. Sie wollen Helene Fischer und Schwiegermamas Liebling.
Mehr darüber, was der ECHO für ein Saftladen ist, kannst du hier lesen: Rap.de | Noisey.de | Spiegel.de | Musikexpress.de
Auf Seite 3 findest du noch jede Menge Social-Media-Output zum gestrigen Abend...
Solche Abende wie gestern sind die, an denen Twitter & Co richtig Spaß machen. Alle haten gemeinsam gegen den ECHO, Helene Fischer oder Frei.Wild. Ein gemeinsamer Feind macht stark.
Money Boy ist kein Fan der Preisverleihung. Noisey hat ganz konkrete Verbesserungsvorschläge. Alle lieben 187.
Ein paar Highlights von Twitter:
Der #ECHO2016 zusammengefasst: pic.twitter.com/qNBIo0ssR8
"Bruder lass mal die 187 einladen, dann schalten auch Junge Leute ein"
"Ja Bruder, dann lass sie Gewinnen"
"Bruder muss los" #ECHO2016
Wer den #ECHO2016 wegen irgendwas anderem als der 187 Strassenbande guckt, ist verloren.
— rap.de (@rapde) 7. April 2016
Helene Fischer gewinnt "Crossover". Ok. Die sollte auch #ECHO2016 für beste Rapper Solo Act gewinnen. Find ich. Legitim.
— Rooz Lee (@Roozlee) 7. April 2016
Helene Fischer hat 1 gottverdammten Oscar verdient für ihr geiles überraschtes-Face was die macht. #ECHO2016 #FakeMonster
— Rooz Lee (@Roozlee) 7. April 2016
Ah, ein Medley der am meist gehassten Songs der letzten Jahre. #ECHO2016
— Noisey Deutschland (@Noisey_DE) 7. April 2016
Wer im Anzug zum Echo geht hat die Kontrolle über sein Leben verloren !!!
— sido (@siggismallz) 7. April 2016
Vielen Dank für eure Anteilnahme ... Wir alle wissen ich bin The greatest that ever Will Be !!! ( kanyevoice )
— sido (@siggismallz) 7. April 2016
Erkenntnis bis hierhin: Gute Musik ist tot. #lemmy #bowie #ECHO2016
— Noisey Deutschland (@Noisey_DE) 7. April 2016
Dieser Veranstaltung fehlt das gewisse #FaridBang. #ECHO2016
— Noisey Deutschland (@Noisey_DE) 7. April 2016
Wo ist Money Boy wenn man ihn braucht ? #ECHO2016
— Forellen Schorsch (@FreshSchorsch) 7. April 2016
yo no front an die artists die dort waren :) & no neid from me
— Why SL Beezy (@therealmoneyboy) 8. April 2016
aber echo real rap so lame&belastend mit all diesen larrys in 1 raum zu sein
fuck an ECHO, we got the streetz
— Why SL Beezy (@therealmoneyboy) 8. April 2016
Ab zum ECHO!! Beste Video und so...
Posted by XATAR on Donnerstag, 7. April 2016
Posted by BonezMC187ers on Donnerstag, 7. April 2016
Gerade Staubsaugen im Loft. An solchen Tagen einfach mal wichtigere Sachen erledigen!
— CARLO ESCOBAR (@FLER) 7. April 2016
