Deutschrap im Wandel der Zeit: Die Kunst vor dem Aussterben

Jeder kennt sie: unsere Deutschrap-Stars. Natürlich gibt es da einen Savas, der schon immer da war und eigentlich auch schon immer der Beste war. Dann kamen Sido und Bushido, die bis heute ihren festen Platz im Game haben. Plötzlich kamen Casper, Marteria und Cro dazu und revolutionierten die Szene.

Deutschrap wurde toleranter und breiter und rückte näher an den Mainstream ran. Gerade konnte ein gewisser Kollegah diese Aussage mehr als deutlich belegen, obwohl er musikalisch in eine ganz andere Richtung geht. Heißt auch, dass man als Rapper zur Zeit mit beidem Erfolg haben kann: klassischer Gangster-Rap (in Bushidos Fall mehr, in Kollegahs Fall weniger) und dem Pop-Rap à la Cro. Das kann man gut oder schlecht finden, Fakt ist aber, dass dem deutschen Hiphop noch nie soviel Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wie in den letzten drei Jahren.

Die logische Folge ist, dass sich bekannte Tageszeitungen und Fernsehsender gezwungen fühlen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Da ist ein Marteria, der einen landesweiten Sommerhit liefert, ein gefundenes Fressen. Ganz zu schweigen vom Teenie-Star mit der Panda-Maske.

Endlich kann man den 0815-Radio-Konsumenten deutschen Rap nahe bringen, ohne für Missverständnisse zu sorgen. Ja, man kann es schon so sagen: erfolgreicher Rap ist radiotauglich geworden.

Erstmal vielleicht ganz cool so weit. Das Problem dabei ist, dass der wirklich echte, seit Jahren in der Rap-Szene gefeierte Rap den Massenmedien weiterhin verwehrt bleibt. Bei mir zumindest kräuseln sich die Haare, wenn mir ein Großteil der Nicht-Rap-Hörer verkaufen will, Cro, Casper und Prinz Pi seien die einzigen guten Rapper in Deutschland.

Klar, es gibt Annäherungsversuche an den Gangster-Rap, aber wenn ich dann Bushido und Sido bei Lanz sehe, überkommt es mich schon mit Fremdscham. Soll doch mal ein Chefket oder Amewu dahin und Deutschland erklären, was Rap überhaupt ist und wie er funktioniert. Wahrscheinlich feiern wir unsere Underground-Heads gerade, weil sie nicht da sitzen, sondern sich einfach dem widmen, was sie am besten können – nämlich Mukke machen!

Ich zumindest gehe lieber in einen Plattenladen, kaufe mir eine Dude & Phaeb-Platte, lehne mich zu Hause zurück und genieße, als mir schon Monate vor Release die Box-Edition eines Albums für 80 Euro zu bestellen, nur weil die Promo des Rappers XY schon voll geil war.

In diesem Zusammenhang solltest du unbedingt die Musik von Amewu, Eloquent, Tufu, Luk&Fil, Paddy Besser, Waldo The Funk, Umse und Absztrakkt abchecken.

Im Endeffekt haben wir soviele krasse Rapper da draußen, die kaum einer kennt. Und gleichzeitig zuviele Rapper, die jeder kennt, aber einfach nicht überdurchschnittlich gut rappen können, sondern ihr Image nur gründlich polieren und sich mehr mit Business als mit der eigentlichen Kunst beschäftigen. Die Kunst des Sprechgesangs und der unübertreffliche sportliche Wettkampf, der daraus entstehen und wachsen kann. Nur stecken wir gerade mitten in einem extrem polarisierenden Rap-Zeitalter, in der diese Kunst droht, zur absoluten Nebensache zu werden – bis sie irgendwann ausstirbt.

MAX VON ARNIM

Autoreninfo

Max von Arnim ist seit 2014 Redakteur bei Hiphop.de. Geboren ist er in Frankfurt am Main und aufgewachsen in Wiesbaden. Seine Einflüsse reichen von Kool Savas über Mr. Schnabel und Amewu bis hin zu Casper und Vega.
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