Kaum möglich, Wyclef Jean in wenigen Sätzen vorzustellen. Der gebürtige Haitianer schlug mit Lauryn Hill und The Fugees Mitte der 90er kurzerhand ein Kapitel der Musikgeschichte auf. Danach hing er mit Missy Elliott, U2, Shakira, Carlos Santana, Mary J. Blige, Akon und Lil Wayne ab. Er schreibt und produziert, singt und rappt, spielt quasi jedes Instrument und spricht die verschiedensten Sprachen. Ein Multitalent vor dem Herrn. Nebenbei sorgte er übrigens für Klassiker und Welthits wie am Fließband: Killing Me Softly, Maria Maria, Hips Don't Lie, Sweetest Girl, 911.
Nach dem verheerenden Erdbeben in seiner Heimat Haiti beschloss Wyclef vor sechs Jahren, sich offiziell als Präsidentschaftskandidat zur Wahl zu stellen. Er scheiterte. Jetzt ist er endlich zurück und macht wieder die Musik, für die er geliebt wird. Seine EP J'Ouvert kommt am 21. Januar 2017 raus. Im Interview lernen wir einen gut gelaunten Wyclef kennen, der richtig Bock hat. So richtig richtig!
Hiphop.de: Wyclef, du bist back, wie man so schön sagt! Wie fühlt es sich an, wieder eine Platte zu veröffentlichen?
Wyclef: Man, ich mache Musik wie ich Wasser trinke. (lacht) Aber ich muss in meiner Zone sein. Das ist wie bei deinem Lieblingsfußballspieler. Du weißt, dass er der Krasseste ist, aber an einem schlechten Tag funktioniert einfach gar nichts. Nach Sweetest Girl und Hips Don't Lie hab ich ehrlich gesagt den Fokus verloren. Ich wollte meiner Heimat Haiti helfen und hab die Musik nur noch links liegen gelassen. Aber jetzt ist der Hunger wieder da!
Erst kommt die J'Ouvert EP, nächstes Jahr dann deine Album Carnival Vol. 3. Ganz grob, wo geht die Reise musikalisch hin?
Musikalisch? Wir fliegen nach Frankreich, dann nach England, Nigeria, nach Haiti und zurück nach Brooklyn. It's the world, baby. Ich hab meinen Style zwar nicht verstellt, aber neue Einflüsse kommen immer dazu. Ich bin überzeugt, dass man immer gut ankommt, wenn man iconic bleibt. Lustigerweise habe ich vor zwei Jahren einen Song mit Avicii gemacht und die Kids haben es überhaupt nicht gefühlt. Das hat mich nur noch mehr bestätigt.
Auf der EP sind neun Songs. Manche Künstler machen Alben mit der Länge...
Neun Songs sind Aufwärmen für mich. (lacht) Ich hab über 40 Songs, also musste ich mir was einfallen lassen. Viele Legenden versauen sich ihr Comeback, weil sie das Fundament vernachlässigen. Man muss die Erinnerung der Leute wieder kurz auffrischen und den Jüngeren zeigen, wer man ist. Erst dann kann ich die Bombe mit dem Album platzen lassen. Deshalb erst eine EP.
Wyclef Jean - Hendrix
Get 'Hendrix' - https://itunes.apple.com/us/album/hendrix Instagram https://www.instagram.com/wyclefjean Facebook https://www.facebook.com/Wyclef Twitter https://twitter.com/wyclef Video Producer: Andrew Goor Executive Producer: Cartier Brown Production Company: Chariot Pictures Director: Kid Art DP: Albert Salas Editor: Kid Art http://vevo.ly/ubjzRu
Warst du bei deinen größten Hits manchmal selbst überrascht, wie sehr die Leute weltweit auf karibische Sounds abfahren?
Nein, gar nicht, aber das ist eine gute Frage. Ich war mir immer sicher, dass World Fusion groß sein kann, wenn man es richtig macht. Ich komme aus Haiti, weißt du. Ich hab dominikanisches, kubanisches, jamaikanisches und Baranquilla-kolumbianisches Blut in mir. Wenn du all diese Zutaten mischst, wird das eine geile Party. Wenn ich heutzutage auftrete, mische ich Hips Don't Lie mit One Dance von Drake. Das ist crazy. Damit kann ich Generationen überbrücken.
Du hast immer mit enorm vielen Einflüssen gearbeitet. Welche konkreten Künstler hast du so gefeiert, als du jünger warst?
Ich war mit 15 auf der High School und hab dort viel Jazz gelernt. Miles Davis, Bob Dylan, Jimi Hendrix – das Typische eigentlich. Dazu kam natürlich Bigga Haitian. Und dann Grandmaster Flash und Kool G Rap, später die Wu-Tang-Sachen. Die Leute wissen meistens nicht, dass ich so vielfältig bin. Manche denken, nur weil ich Hips Don't Lie singe, kann ich nicht rappen. Ich esse jeden lyrisch auf. Frühstück, Mittag-, Abendessen. Kein Problem. Ich bin von Thelonius Monk beeinflusst, aber auch von Nas. Aber wenn man mich fragt, was ich empfehlen kann: Immer Jazz.
Man versteht nicht ganz, was Wyclef Jean zum Beispiel mit Young Thug verbindet. Wenn man eure Songs aber hört, macht es plötzlich doch Sinn.
Thugga hat einen Song Wyclef Jean genannt und hat mich wegen der Namensrechte angerufen. Dann bin ich auf einem Song gelandet, der Kanye West heißt. (lacht) Schau mal, ich verstehe Young Thug: Er spielt nicht nach musikalischen Regeln. Das hab ich in den 90ern gemacht. Für viele Leute war das vollkommen seltsam und komisch, was ich damals für Musik produziert habe. Die Kids haben's gecheckt. Aber der A&R von Sony hat mich beiseite genommen und mich gewarnt: "Was ist das? Was machst du da? Warum rappst und singst du gleichzeitig? Warum sprichst du fünf Sprachen auf der Platte? Niemand versteht das! Lass das!"
I Swear by Wyclef Jean Featuring Young Thug
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Sprecht ihr auch über Musik? Sagst du Thugga, dass er sich nicht beirren lassen soll?
Wir sind Aliens, wir reden nicht über Musik. Das würde alles kaputt machen. Wir spielen sie uns gegenseitig vor und viben. Wir verstehen uns einfach ganz intuitiv. Aber über andere Sachen sprechen wir natürlich. Familie, Haiti, Politik? Klar, gerne.
Auf der nächsten Seite geht es um Donald Trump und eine Reunion der legendären Fugees...
Apropos Politik. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist relativ frisch. Hast du dir schon deine Gedanken gemacht?
Ich war natürlich etwas schockiert. Von Jay Z bis Beyoncé haben alle Hillary unterstützt, also war Trumps Sieg überraschend für viele. Aber ich seh die Sache etwas anders. Ich habe in Haiti als Präsident kandidiert, also habe ich sowas schonmal von der anderen Seite durchgemacht. In Hillarys Kampagne waren dicke Fehler. Die letzten zwei Wochen ähnelten einer Feier – als wäre die Wahl schon gewonnen. Ihr Team war sich zu sicher. Aber Trump hat es geschafft, die Hallen zu füllen – ganz alleine ohne diese vielen Stars. An diesem Punkt wusste ich, dass es kippen kann. Du kennst doch Soundclashes? Dein Gegner kann 100 Leute auf die Bühne holen, aber deine Punchlines können ihn trotzdem ruinieren.
Seine Kampagne war ja extrem außergewöhnlich. Jetzt haben alle irgendwie Angst, aber wissen gleichzeitig nicht wirklich, was auf sie zukommt.
Er hat gewonnen. It is what it is. Für die Politik selbst ist es eh das Normalste der Welt. Gestern haben sie sich noch beleidigt, jetzt hat Obama sich ganz friedlich mit ihm getroffen. Der wichtigste Kandidat war ohnehin Bernie Sanders, und er war schon längst raus. Jetzt geht's für die Jugend darum, sich der beschissenen Situation anzupassen. Tragt keine Waffen mit euch rum! Seid auf der Hut! Diese Motherf*cker werden jeden in den Knast bringen, der nicht bei drei auf dem Baum ist. Andererseits weiß ich, wie Politik funktioniert: Kandidaten sagen alles mögliche, um Stimmen zu sammeln. Jetzt wo Trump gewählt ist, muss er zeigen, was er umsetzt. Wenn er sich auf Jobs und städtische Probleme konzentriert, kann niemand meckern. Man kann nicht jetzt schon motzen, bevor er überhaupt angefangen hat. Dann wäre man ein schlechter Verlierer.
If I Was President 2016 -Wyclef Jean
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Du wolltest ja selbst kandidieren in Haiti. Glaubst du, man ist vielleicht sogar befähigter, etwas zu ändern, wenn man kein klassischer Politiker ist?
Wenn ich Hunderte Millionen Dollar gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich die Wahl gewonnen. Man sieht ja, dass die Leute einfach die Nase voll von Institutionen haben. Sie würden eher jemanden ohne politische Erfahrung wählen statt einen Politiker. Eigentlich ist das absurd, aber wiederum logisch. Fakt ist, dass keine Lobby nun Forderungen an Trump stellen kann. Er hat es mehr oder weniger alleine geschafft, das gibt den Menschen ein besseres Gefühl. Als ich versucht habe, Präsident auf Haiti zu werden, hat sich alles gegen mich gewandt. Man versuchte, mir vollkommen lächerliche Dinge anzuhängen. Ich wollte mich dann irgendwann nicht mehr dafür opfern und hab mich zurückgezogen. Ich weiß, wie schwierig dieser Weg war, den Trump im Wahlkampf gegangen ist. Das ist ein harter Job, den er jetzt hat. No glory.
Lass uns das Thema eben wechseln und kurz noch eine Sache ansprechen, die den Fans immer am Herzen liegt: The Fugees. Ist eine Reunion realistisch?
Haha! Ich hab das oft schon gesagt: Wenn die anderen bereit sind, bin ich dabei. Ich denke aber nicht, dass das realistisch ist. Dafür müsste man sich wieder viel Zeit nehmen und einen gemeinsamen musikalischen Nenner finden. Als Gruppe ist die Leidenschaft glaube ich nicht mehr da. Viel wahrscheinlicher ist aber eine Fugees-Tour. Vielleicht schließen wir uns für eine Reunion-Tour zusammen. Das würde ich lieben. Musikalisch bin ich erstmal mit mir selbst beschäftigt!
Unterscheidet sich dein Album nächstes Jahr eigentlich von der EP?
Eigentlich kommt das alles aus einem Guss. Ich denke aus den 45 Songs habe ich die leichteste Kost für die EP ausgewählt. Das Album wird noch verrückter. Es gibt einen Song, da habe ich Rich Girl von Hall & Oates gesampled – sorry, nicht gesampled, Hall & Oates haben die Stelle für mich neu eingesungen! Darauf hab ich Pusha T gepackt. Einfach crazy. Joey Bada$$ ist auf der Platte, Emeli Sandé ist drauf. Das Intro wird Bars Over Guitars heißen. Ich spitte drei bis vier Minuten straight die verzwicktesten Reimschemata. Wer das skippen will, verpasst was. (lacht)
Man merkt, dass du richtig Lust hast, wieder durchzustarten!
Ich hab richtig Bock. Ich hab so viel Musik, baby. Glaub mir, ich will euch die Sachen zeigen und damit um die Welt touren. Ich bin ein Alien. Und ich will wieder auf euren Planeten.