Warum die Antilopen Gang Krampfanfälle bekommt und früher alles scheiße war (Interview)

Die Antilopen Gang, das sind seit 2009 Koljah, Danger Dan und Panik Panzer. Ein weiteres Mitglied, NMZS, litt an schweren Depressionen und nahm sich im vergangenen Jahr das Leben. Morgen, am 7. November, erscheint nun ihr Album Aversion, welches über JKP, das Label der Toten Hosen, veröffentlicht wird. Warum die Antilopen ihren D.I.Y.-Swagger hinter sich gelassen haben, manche Fans Krampfanfälle bei ihnen auslösen, was sie von Zeckenrap und Money Boy halten und vieles mehr verraten sie uns im Interview.

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Euer Album, welches im November erscheinen wird, heißt Aversion. Gegenüber wem oder was habt ihr eine Aversion?

Panik Panzer: Die Aversion ist allumfassend, da würde man aus dem Aufzählen gar nicht rauskommen. Konkret habe ich aber zum Beispiel eine ziemliche Aversion gegenüber Litschis. Widerliche Früchtchen!

Danger Dan: Und ich hasse Kaugummis. Jeder Bürgersteig, jeder Parkplatz, jedes kleinste Stückchen Welt ist voll mit diesen fiesen Flecken am Boden. Außerdem essen Vögel die Kaugummis und ersticken daran. Kaugummis sollen verboten werden, wer so was trotzdem kaut, soll drakonisch bestraft werden.

Koljah: Die Aversion richtet sich tatsächlich gegen alles, was es gibt. Also auch gegen uns selbst. Es ist auch eine Aversion gegen die Aversion.

Auf Aversion ist kein einziges Feature vorhanden. Wie kommt das?

Panik Panzer: Dass wir keine Features auf dem Album haben, war nicht konkret geplant, sondern hat sich irgendwie einfach nicht ergeben. Wir mussten uns bei dem Album ja auch erst mal neu aufeinander einstellen, weil wir eine Weile nicht mehr in dieser Konstellation zusammengearbeitet hatten. Ich glaube, in diesem Prozess waren wir so stark auf die Gang fokussiert, dass da auch kein Platz für Features gewesen wäre.

Koljah: Am Ende haben wir es dann aber schon zum Programm erhoben. Es ist das erste Album unter dem Namen Antilopen Gang, da passt es ganz gut, dass wir keine anderen Rapper mit drauf haben. Es haben ja auch keine anderen Leute produziert oder so.

Bei der Produktion von Aversion gibt es diesmal eine bedeutende Änderung: Ihr seid jetzt bei der Plattenfirma der Toten Hosen JKP gesignt. Früher habt ihr euch komplett selbst verwaltet, habt die Cover selbst gesiebdruckt und die CDs selbst zur Post gebracht. Warum habt ihr euch dazu entschlossen, zu einem Label zu gehen? Und was ändert sich dadurch für euch?

Panik Panzer: Ehrlich gesagt waren vorher lange Zeit einfach keine Angebote da. Und ich persönlich mochte diesen D.I.Y.-Swagger auch immer gerne und fand das ein gutes Statement. Aber irgendwann ist das auch einfach zu viel geworden. Koljah ist der arbeitsunwilligste Spasti den ich kenne, Danger Dan ist extrem unzuverlässig und ich konnte zwar immer viel Arbeit übernehmen, habe aber auch meine Hängerphasen. Ich bin froh, dass wir endlich professionelle Hilfe haben.

Warum ausgerechnet dieses Label? 

Koljah: Ich hatte schon seit einer Weile losen Kontakt zum JKP-Geschäftsführer. Und die sind ja auch Düsseldorfer, so wie ich. Nachdem die sich dann verstärkt für uns interessiert haben und wir uns ein paar Mal getroffen haben, hat sich das so ergeben. Wir haben auch mit anderen Labels gesprochen, aber JKP hat einfach am besten gepasst. Wir fühlen uns da gut aufgehoben, es sind coole Leute. Und es ist eben ein Indie-Label, das allerdings recht fette Strukturen hat. Gut für uns!

Wie wahrscheinlich ist es, dass wir bald einen Kollabo-Track von der Antilopen Gang und den Toten Hosen hören werden? Für Koljah, der ihnen schon den Track Die Toten Hosen widmete, wäre das ja der Gipfel des Fandaseins, oder?

Koljah: Hach. Ich find’s eigentlich cooler, bei JKP zu sein, als einen Track mit den Hosen zu machen. Was sollte das auch für ein Track sein? Vielleicht ergibt sich das ja irgendwann mal, aber gerade hat sowas keinerlei Priorität. Ich hätte es abgesehen davon eigentlich auch eher lächerlich gefunden, wenn jetzt direkt Campino auf unserem ersten JKP-Release gewesen wäre oder so.

Ihr macht nicht erst seit gestern Musik, aber 2014 habt ihr einen richtigen Hype erfahren. Ihr seid in aller Munde, hattet beispielsweise einen Auftritt beim Splash! und auch eure Releaseparty ist restlos ausverkauft. Wie geht ihr damit um? Wird man die Antilopen bald im Benz durch die Straßen cruisen sehen?

Danger Dan: Wenn Panik Panzer fährt, vielleicht. Er ist der einzige von uns, der einen Führerschein hat. Leider baut er aber immer Unfälle. Einmal ist er sogar beim Einparken frontal gegen die Wand von der Uni gefahren. Wie auch immer: Wir freuen uns, dass wir endlich ein bisschen mehr Aufmerksamkeit haben, denn wir machen sehr gute Musik und wir machen das auch gerne. Das hätten die Leute eigentlich schon vor Jahren merken können.

Gab es auch Reaktionen von Fans, die euch jetzt für zu "Mainstream" halten und sich von euch abwenden?

Panik Panzer: Ja, aber das sind nur ein paar einzelne Spinner, glaube ich, und die können sich auch gerne verpissen. Ist ja auch ein schlechter Witz. Wir haben uns jahrelang den Arsch aufgerissen, viel Zeit und Geld investiert, um den Leuten kostenlos die eigene Musik anzubieten, und anstatt sich für all die Mühen und Geschenke zu bedanken, meinen die echt noch, rummeckern zu müssen.

Koljah: Außerdem werden nicht die Antilopen Mainstream sondern der Mainstream wird Antilopen.

Danger Dan: Die Antilopen-Fans müssen müssen streng aussortiert werden. Nur eine kleine Elite darf am Ende noch übrig bleiben, diese ist dann aber perfekt.

Was unterscheidet Aversion von euren bisherigen Veröffentlichungen - mal von der Labelsituation ganz abgesehen?

Panik Panzer: Dieser eine mit der Froschstimme verhunzt jetzt jedes Lied, das gab es seit Spastik Desaster von 2009 nicht mehr. Ansonsten ist Aversion der Kompromiss unserer jeweiligen individuellen Ideen und Ansprüche und unterscheidet sich somit auch inhaltlich und musikalisch recht stark von den bisherigen Releases.

Koljah: Unsere sonstigen Veröffentlichungen waren immer mehr so Schnellschüsse. So viel Zeit und Energie haben wir vorher noch nie in ein Album gesteckt. Es war auch das erste Mal, dass wir mehr Lieder gemacht haben, als am Ende auf der Platte gelandet sind. Wir hatten auch irgendwie den Anspruch, mit diesem Album jetzt die Antilopen Gang als Band zu branden und auch unseren eigenen Sound zu finden. Ich glaube, das ist uns gelungen.

Danger Dan: Vorher war alles Scheiße, jetzt ist alles geil. 

Habt ihr auch wieder Soloprojekte in Planung?

Koljah: Wir haben uns eigentlich dafür entschieden, Soloaktivitäten jetzt erst mal bleiben zu lassen und alles in den Dienst der Gang zu stellen. Nichtsdestotrotz gibt es noch 10 bis 15 Solotracks von mir, die noch nicht veröffentlicht wurden. Vielleicht kommen die ja irgendwann mal. 

Danger Dan: In meiner einen Schreibtischschublade liegt ein Rockprojekt, das ich mit Freunden aufgenommen habe, in der anderen eine Punk-CD, für die ich sogar alle Instrumente selbst eingespielt habe. Wie immer gibt’s auch tausende Texte und Beats, mit denen ich ein Rap-Album machen könnte. Ich lass' die Schubladen aber nun auch erstmal zu.

Panik Panzer: Ich plane übrigens seit mittlerweile elf Jahren ein Soloalbum und ich glaube auch ganz, ganz fest dran, dass das eines Tages klappt.

In eurer Pressemitteilung wird Aversion als bisher politischste Antilopen-Veröffentlichung bezeichnet. Findet ihr, dass man als Rapper eine politische Verantwortung hat? Beispielsweise wird im Moment vielen Rappern kurdischer Abstammung vorgeworfen, sie würden ihre Bekanntheit nicht ausreichend dafür nutzen, um auf politische Missstände in ihrer Heimat aufmerksam zu machen.

Panik Panzer: Hafti soll ja eine halbe Million an die YPG gespendet haben. Korrekter Move, wenn das stimmt. Generell finde ich aber nicht, dass man als Rapper eine politische Verantwortung hat. Wenn ich mir die kruden politischen Ansichten eines jeden Rappers anhören müsste, würde die Welt auf jeden Fall noch ein Stück unerträglicher werden.

Koljah: Von dieser Verantwortungsscheiße halte ich nichts. Ich mag auch keine politische Rapmusik. 

Danger Dan: Ich bin das linksradikale trojanische Pferd in der Antilopen Gang. Hüüaaa, hüüüüüaaaaaa, Pferdchen, wir reiten der sozialistischen Revolution entgegen. Die meisten Rapper sind aber zu dumm und dürfen nicht mit. Sie bleiben als Kollateralschaden auf der Strecke und niemand wird sie vermissen.

In einem Interview habt ihr mal gesagt, dass ihr euch wundert, warum noch keiner einen Track über den Holocaust gemacht hat. Welche Themen kommen eurer Meinung nach im Hiphop noch zu kurz?

Danger Dan: Ich glaube, ich weiß, worauf du anspielst. Ich habe mit Sommerlüge 2008 den ersten deutschsprachigen Rap-Track veröffentlicht hat, der sich mit dem Holocaust auseinandergesetzt hat. In dem Zusammenhang wurde ich oft gefragt, warum. Ich fand aber die Frage viel spannender, wieso niemand vor mir auf diese Idee gekommen ist.

Koljah: Es kommen keine Themen im Hiphop zu kurz. So funktioniert das nicht. Es geht doch nicht darum, irgendeine Liste mit Themen abzuarbeiten.

Panik Panzer als Bundeskanzler, Koljah als Bundespräsident und Danger Dan als Außenminister – wie würde die Welt dann aussehen?

Panik Panzer: Die Welt wäre sofort eine Scheibe!

Koljah: Wieso muss ich Bundespräsident sein?

Danger Dan: Ich würde jedenfalls immer Dienstreisen mit privaten Urlauben verbinden und mit irgendwelchen Düsenjets an den Strand fliegen. Außerdem wäre ich korrupt wie Sau.

Ihr werdet häufig als "ironische" Rapper angesehen. Auch "Zeckenrapper" hört man oft in eurem Kontext. Wie geht ihr damit um, wenn man versucht, euch in eine Schublade zu stecken?

Panik Panzer: In die Zeckenrap-Schublade wollen wir jedenfalls nicht. Einige Leute, die wir von früher kennen, schreiben sich diesen Begriff ja selbst auf die Fahne. Für uns war das aber eher eine Phase in unserer Anfangszeit. Wir hatten halt schnell keinen Bock mehr auf Rap, zu dem man sich im Autonomen Zentrum gegenseitig auf die Schulter klopft und haben dann versucht, uns abzugrenzen und unser altes Publikum zu vergraulen. Das hat teilweise auch funktioniert.

Danger Dan: Ich hab' keine Lust, mich da immer abzugrenzen. Ich definiere mich nicht als Zeckenrapper, ich peile aber, dass wir aus der Sicht von Leuten, die nur eindimensionale Weltbilder haben und die sich nicht näher damit auseinandersetzen, in so eine Schublade gehören. Die Zeckenrapper sind jedenfalls nicht meine Feinde und ich hab keine Lust, immer schlecht über die zu reden.

Apropos Ironie: Ist Money Boy eurer Meinung nach ein O.G. oder ein begnadeter Satiriker?

Panik Panzer: Money Boy ist ein begnadeter O.G.. Sein größter Hit dieses Jahr war Heroin, ich bin vom Stuhl gefallen vor Freude.

Koljah: Stimmt. Und dieser Track Awesomo war auch unfassbar. Money Boy wird tatsächlich immer besser, aber ich bin trotzdem Fan seit Tag 1. Seine Diplomarbeit hab ich auch gelesen, aber die Musik ist besser.

Danger Dan: Ein Teil seines Humors ist ja irgendwie auch unfreiwillig, die Grenzen verschwimmen da. Ich mag jedenfalls diese Wiener Melodie in der Sprache sehr. Klingt so schön überheblich.

Sicherlich habt ihr Hörer, die dem entsprechen, was ihr zum Beispiel auf dem neuen Track Ikearegal oder natürlich auf dem Paradebeispiel Fick die Uni besingt. Wie geht man als Künstler damit um, wenn man Fans hat, die eigentlich das verkörpern, was man kritisiert?

Koljah: Ist doch egal, die sollen nur das Album kaufen.

Panik Panzer: Ich kriege auf der Bühne regelmäßig Krampfanfälle, wenn ich manche Fans sehe. Die denken dann aber, dass das eine Breakdance-Einlage ist.

Danger Dan: Ich stehe in einem Raum voller Menschen und fühle mich viel einsamer, als wenn ich ganz alleine bin. Antilopen-Konzerte machen depressiv. Besoffen geht’s.

Prinz Pi ist gerade in euren Kreisen bekannt für folgenreiche Ansagen, die irgendetwas mit dem Splash! zu tun haben. Der Thematik habt ihr mit Leben und Sterben des Friedrich Kautz einen ganzen Track gewidmet. Dieses Jahr verkündete er auf dem Splash!, dass Prinz Porno zurück sei. Eure Reaktion darauf?

Panik Panzer: Ersguterjunge!

Koljah: Vermutlich will er es uns jetzt recht machen, der Sneaker King. Prinz Pi hat bestimmt echt viele Turnschuhe.

Zum krönenden Abschluss: Beschreibt euer Album mit einem Wort.

Danger Dan: Nein.

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Interview: Miriam Davoudvandi
Foto: Thomas Schermer

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