Unfassbares Talent - Das Wunderkind der schweizer Rapszene im Interview

Das Openair Frauenfeld bietet uns die Möglichkeit, über den deutschen Tellerrand hinauszublicken und die angesagtesten Talente der schweizer Rapszene auszuchecken. Unsere persönliche Entdeckung des Festivals trägt den Namen Nemo, ist gerade mal 16 Jahre alt, hat aber in seinem bewegten Leben bereits mehr erlebt als so mancher Sechzigjähriger. Zeit sich näher mit der Zukunft der schweizer Rap-Musik zu beschäftigen. 

Den Grundstein deiner musikalischen Karriere hast du schon früh gelegt. Mit drei Jahren hast du Geige spielen gelernt und dann im Alter von fünf als Straßenmusiker dein Taschengeld aufgebessert. 

(Lacht) Ja, ich habe schon sehr früh Kontakt mit Musik gehabt. Ich habe wahnsinnig viel Musik gehört als Kind ohne, dass Hiphop hier im Vordergrund stand. Ich habe eher klassische Musik gehört, die eben auch meine Eltern gehört haben. Irgendwann habe ich dann angefangen, Geige zu spielen. Allerdings nur, weil mich meine Eltern da reingedrängt haben. Wirklich gut war ich nie (lacht). Im Endeffekt war das aber gut, da sich so das Interesse für die Musik entwickelt hat. Meine einzige Motivation war damals, dass ich mit meiner Geige vor meiner Haustür ein bisschen Geld verdienen konnte. So kamen damals ungefähr zehn Franken am Tag rein.

Der Musik bliebst du trotz der Abneigung gegen das Geigespielen treu. So sangst du im Alter von 13 Jahren im Musical Ich war noch niemals in New York. Welche Dimensionen hatte das damals?

Das hatte schon eine gewisse Größe, da wir im Theater von Zürich gespielt haben. Dort kamen jeweils rund 1500 Besucher zu unseren Aufführungen und ich hatte dort eine der Hauptrollen. Das ist natürlich komplett was Anderes als das, was ich jetzt mache. Zu dieser Zeit habe ich auch noch nicht gerappt, aber der Übergang von den Musical-Auftritten zur Rap-Musik war fließend. 

Ironischerweise hast du sogar kurze Zeit in New York gelebt.

Ja, aber nicht so richtig. Meine Schwester und mein Vater haben New York gelebt. Ich bin lediglich einen Monat bevor sie von dort weggezogen sind dort angekommen. Das war eher ein großer Urlaub, als dass ich wirklich dort gelebt hätte.

Bevor du auf der nächsten Seite erfährst, wie Nemo den Hype um seine Person wahrgenomme hat, kannst du dir hier nun das Video ansehen, das diesen ausgelöst hat.

Ersten Ruhm als Rapper erlangtest du dann im Alter von 16 Jahren, als du bei der SRF Virus Bounce Cypher deutlich erfahrenere Rapper wie Anfänger hast aussehen lassen. Dabei warst du zunächst gar nicht mit der Leistung zufrieden, oder? 

Ja, man kritisiert sich natürlich immer selbst und möchte sich immer weiter verbessern. Ich habe eine Line ein bisschen verkackt und fand das natürlich nicht so toll. Ich habe mir da gar nicht so viel dabei gedacht. Ich habe an dieser Cypher teilgenommen, die Rapper haben mich dort gesehen und ich bin wieder gegangen. Am nächsten Tag kam dann das Medienecho.

Und über 100.000 Klicks.

Ja, aber einen solchen Hype nimmt man gar nicht richtig wahr. Ich habe gesehen, dass viele Leute meinen Part gehört haben, aber ich saß immer noch zuhause und habe dieselbe Musik gemacht, Beats produziert und so weiter. Ich werde nicht jeden Tag auf der Straße erkannt, sondern ich bekomme halt Nachrichten. Auf mein tägliches Leben hatte dieser Hype wenig Einfluss. Zu dieser Zeit war der Plattenvertrag, den ich schließlich unterschrieben habe, auch bereits in Verhandlung.

Vom Straßenmusiker, der vor der eigenen Haustür sein Taschengeld aufbessert, über die Musical-Rolle und den gefeierten Cypher-Part bist du nun auf der größten Hiphop-Festival-Bühne Europas gelandet. Was geht in einem solchen Moment in dir vor?

Ich war ja nur sehr kurz dort, da das nur ein Gastauftritt war. Man hat gar keine Zeit, sich richtig zu freuen, denn es geht so schnell vorbei und die Freude setzt erst im Nachhinein ein. Die direkten Reaktionen vom Publikum hast du auch nicht, da die Leute weiter weg sind, als sie es im Club sind. Im Club bekommt man die unmittelbaren Reaktionen mit. Auf einem Festival ist das anders. Mir ist die ganze Zeit nur im Kopf rumgegangen, dass ich bloß nicht versagen darf. Hier sind einfach so viele Leute und ich war extrem nervös. Ich habe meine Lines dann gebracht und ich denke, dass das ein guter Auftritt war.

Vielen Leuten in Deutschland bist du trotz deinen Hypes in der Schweiz noch kein Begriff. Wenn du dich selbst anhand einer exemplarischen Zeile von dir beschreiben müsstest, welche Zeile wäre das?

(Überlegt lange) Das ist schwierig. Natürlich wäre die Zeile in Schweizer-Deutsch (Rappt Zeile in Schweizer-Deutsch).

Tut mir leid, aber das musst du mir übersetzen.

Sinngemäß heißt das: "Ich mach mein Ding und renne weiter." Danke für das Interview.

Marc Schleichert

Autoreninfo

Marc Schleichert ist seit Anfang 2014 ein Teil von Hiphop.de und leitet hier den Textinterview-Bereich. In dieser Funktion spricht er regelmäßig sowohl mit hungrigen Newcomern als auch mit alteingesessenen Künstlern.
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