Tom Thaler & Basil: "Hiphop ist ein bedeutender Teil der Popmusik" (Interview)
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Rap ist im jahr 2014 so vielfältig und offen wie vermutlich noch nie in der Geschichte der Kultur. So bietet das größte deutsche Hiphop-Festival, das splash!, sowohl Olson, Cro und Sierra Kidd als auch Haftbefehl, SSIO und Eko Fresh eine Bühne und zeigt damit, wie bunt unsere Szene geworden ist. Mit Tom Thaler & Basil wird diese nun um einen weiteren, melodischen Farbton bereichert. Morgen erscheint ihre EP Hier mit dir über Warner Music International. Zeit, sich im Rahmen eines Interviews näher mit den beiden zu beschäftigen. 

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Hallo Tom, hallo Basil! Fangen wir vorne an: Ihr habt sehr früh mit der Musik angefangen. Was bringt einen 11-Jährigen zum Rappen und wie klingt das?

Tom Thaler: (lacht) Das war genau zu der Zeit, zu der The Eminem Show rausgekommen ist. Ich war riesen Eminem-Fan, mein ganzes Zimmer war mit Postern vollgetackert und mir war klar, dass ich auch mal sowas machen möchte. Meine Mutter besaß damals die Single Killing me softly von den Fugees, bei der auch ein Instrumental dabei war. Das war dann auch der erste Beat, auf den ich je gerappt habe. Ich erinnere mich noch daran, etwas über Meister Proper erzählt zu haben. Später, in der fünften Klasse dann, habe ich im Musikunterricht vor der ganzen Klasse gerappt.

Wie kam das an?

Tom Thaler: (Wartet lange) Gut! (lacht) Das war ein Riesenerfolg damals! Die erste Zeile des Songs lautete: "Ich kenn' da paar Flopper, 'nen Hiphopper, Meister Proper.

Wie verlief dein musikalischer Werdegang nach diesem ersten großen Auftritt dann weiter?

Tom Thaler: Ich habe den Hiphop dann für ein bis zwei Jahre ein bisschen aus den Augen verloren, weil ich Skateboard gefahren bin und meine Freunde in der Szene alle Punk gehört haben. Ich dachte dann, ich müsse das auch hören, habe aber später festgestellt, dass das nichts für mich war. Ich habe dann zum Hiphop zurückgefunden und hatte meine ersten richtigen Auftritte im Jugendhaus von Aschaffenburg. Zu der Zeit habe ich wahnsinnig viel Samy Deluxe gehört, den ich auch als meinen Haupteinfluss bezeichnen würde. Den Plan A, Rapper zu sein, hatte ich immer in meinem Kopf.

Irgendwann bist du dann Basil begegnet.

Tom Thaler: Ich bin nach dem Abi dann nach Hamburg gezogen und habe dort versucht, Zugang zur lokalen Hiphop-Szene zu finden. Ich bin dann zur Hiphop Academy gegangen, da ich dort auch das Produzieren lernen wollte. Dort habe ich auch aufgenommen und bin zu Freestyle Sessions gegangen. Die hier aufgenommenen Sachen habe ich dann an Freunde und Verwandte verkauft. Ganz nach dem Motto: "Ja Oma, das kostet 30 Euro!" (lacht) Dann bin ich zum Studium nach Mannheim gezogen, wo ich Basil kennengelernt habe. So ist meine Musik zu unserer Musik geworden.

Basil: Vorher hatte ich ihn auch nicht gesehen, aber ich bin sicher, er rappt so gut wie der elfjährige Tom! (lacht)

Warum habt ihr euch dann dafür entschieden, den musikalischen Weg gemeinsam zu gehen?

Tom Thaler: Das hat sich auf eine natürliche Art und Weise herauskristallisiert bei uns. Wir haben uns kennengelernt, haben gemeinsam abgehangen und sind zu Freunden geworden. Wir haben uns durch einen Zufall gemeinsam dazu entschlossen, zusammen Mucke zu machen. Wir sind dann zusammen nach Holland gefahren, um dort Demos aufzunehmen. Das hat alles megagut funktioniert und wir hatten das Gefühl, dass den Sound, den wir gerade zusammen kreieren, im Augenblick niemand anderes macht. Wir wollten uns allerdings nicht einen Bandnamen geben, da wir ja eigentlich aus anderen Ecken kommen und unterschiedliche Persönlichkeiten sind. So ähnlich ist das auch bei Macklemore und Ryan Lewis. Der Rapper und der Producer sollten für sich stehen und damit zum Team werden.

Basil: Wir haben gemerkt, dass wir uns musikalisch unheimlich bereichern. Ich bekomme einen völlig anderen Blickwinkel für das Producen und auch Tom hat die Art, wie er Texte schreibt, umgestellt.

Tom Thaler: Jetzt sind wir die kleinstmögliche Band.

Das Soundbild, das ihr gemeinsam erschaffen habt, wirkt zumindest in Ansätzen recht poppig. Diesen Weg hin zu einem poppigeren Sound gingen zuletzt einige Künstler. Hat dieser musikalische Stil deutschem Hiphop bis dato gefehlt?

Tom Thaler: Ich persönlich kann beispielsweise mit dieser harten Hiphop-Mentalität wenig anfangen und das ist halt einfach überhaupt nicht der Weg, den ich gehen möchte. Deshalb ist diese Entwicklung, die du gerade angesprochen hast, für mich durchweg positiv und ein Prozess, der mir natürlich einige Türen und Ohren öffnet. Das ist einfach das, was ich machen möchte. Auf der anderen Seite finde ich es auch schön, dass die Leute hier offener geworden sind. Was du hier mit poppig beschreibst, bedeutet ja nichts anderes, als dass Rapper sich trauen, Melodien zu benutzen. Das finde ich absolut schön. Ich glaube, bei dieser Art von Musik wird es auch wirklich wichtiger, sich auf die Texte zu fokussieren. Es ist einfach wirklich schwierig, auf Deutsch einen guten Pop-Song zu schreiben. Für mich ist Pop keinesfalls ein Schimpfwort, sondern eine große Herausforderung.

Basil: Bei uns ist das auch wirklich nicht geplant. Wir setzen uns hin, kombinieren die Fähigkeiten, die wir beide haben, und versuchen hierbei, den bestmöglichen Song zu erschaffen. Diese Entwicklung hin zu einem eingängigeren Sound ist dann ganz natürlich gewachsen. Ein anderer Aspekt ist aber auch, dass Pop-Musik an sich deutlich interessanter und besser geworden ist. Das ist einfach spannend und da möchten wir auch hin.

Hat Hiphop bedingt durch die großen Erfolge der jüngeren Vergangenheit und die deutlich breitere Käuferschicht den Platz eingenommen, den früher die Popmusik inne hatte? Schlägt sich dieses Phänomen möglicherweise auch im Lifestyle der einzelnen Leute nieder?

Tom Thaler: Ich würde eher sagen, dass die Hiphop-Musik mittlerweile eine deutlich breitere Käuferschicht anspricht und damit ein bedeutenderer Teil innerhalb der Pop-Musik geworden ist. Ich denke nicht, dass die beiden sich ersetzen, da beide Musikrichtungen auch unabhängig voneinander immer bestehen werden. So gibt es zwar auf dem splash! Festival diese klassischen Hiphopper kaum noch, aber da es kein klassisches Popfestival gibt, lassen sich hier die Genres schwer vergleichen. Zu dieser Lifestyle-Sache lässt sich sagen, dass generell alle Menschen mittlerweile gleich aussehen. Wir haben beispielsweise vor Heisskalt, einer Rockband, gespielt und die Fans dort sahen einfach genauso aus, wie die Fans auf dem Sziget Festival, auf dem wir neulich gespielt haben. Und die Leute auf diesem sehen genauso aus, wie die Leute auf dem splash!. Welches Genre daran jetzt genau Schuld hat, kann ich nicht sagen. Hiphop spielt zwar als wichtigerer Bestandteil der Pop-Musik hierbei sicherlich eine große Rolle, aber Elektro ist ja ebenso am Start.

Basil: Pop-Musik ist ja auch keine Musikrichtung an sich, sondern einfach ein Spiegel dessen, was musiktechnisch im Augenblick angesagt, beziehungsweise populär ist. Jetzt ist das eben Hiphop. Hiphop hat im Augenblick eine krasse Hochzeit und ist, wie Tom schon gesagt hat, ein wichtiger Bestandteil der Pop-Musik. Das wird sich sicher auch wieder ändern. Vielleicht laufen in zwei Jahren wieder alle wie Emos rum.

Tom Thaler: Ja, das wird ganz sicher passieren! Man sagt ja auch, dass sich der Trend alle zehn Jahre ändert. Vor zehn Jahren hatten wir Tokio Hotel, dann war zehn Jahre Pause und dann kam Cro. Ich sage, keiner wird innerhalb der nächsten Dekade, insbesondere styletechnisch, einen so krassen Einfluss haben wie ein Cro. Mal schauen, wer in zehn Jahren das nächste große Ding wird.

Viele Künstler, die den bereits angesprochenen musikalischen Weg hin zu einer massenkompatiblen Ausrichtungen gehen, haben insbesondere im Internet mit Anfeindungen zu kämpfen und müssen sich mit Sellout-Vorwürfen herumschlagen. Gibt es Künstler, bei denen ihr diese Vorwürfe nachvollziehen könnt?

Tom Thaler: Boah, ich kann mir das nur unfassbar schwer vorstellen, dass es Künstler gibt, die wirklich ihre Musik dem Geschmack der Masse anpassen. Basil und ich haben uns einfach zusammengesetzt und die EP ist das natürliche Ergebnis dieses Prozesses. Leute, die sich so krass anpassen möchten, haben damit dann einfach keinen Erfolg, denke ich. Ich versteh', wenn Menschen unsere Musik als poppig bezeichnen, aber für mich hat das einfach nichts mit Sellout zu tun. Wenn man mal Olson betrachtet, der jetzt auch einen poppigeren Weg geht, sieht man, dass er jetzt einfach das macht, worauf er Bock hat. Das ist einfach authentisch. Das einzige, was für mich Sellout ist, ist vielleicht Glasperlenspiel, aber das ist auch einfach grauenhafte Musik. Ich glaub', im Hiphop gibt es so etwas gerade gar nicht. Auch Cro hat einfach das gemacht, worauf er Bock hatte und war damit dann megaerfolgreich. Wenn man sich echt für die Masse anpasst, dann funktioniert das vielleicht für eine ganz kurze Zeit, aber danach ist der Künstler wieder genauso unglücklich wie vorher.

Basil: Langfristig kann man sich damit auf keinen Fall über Wasser halten!

Tom Thaler: Bestes Beispiel ist das Sziget Festival, auf dem wir neulich gespielt haben. Das ist ein internationales Festival und somit kannte uns dort niemand. Wir haben dann einige Dinge verteilt, um Leute vor unsere Bühne zu holen. Solche Aktionen könnte ich nie bringen, wenn ich nicht voll hinter dem stehen würde, was ich tue. Nur weil ich voll hinter dem stehen kann, was ich tue, macht mir die ganze Sache auch Spaß.

Basil: Es wird einfach nicht funktionieren!

Was sind im Umkehrschluss eure Einflüsse?

Tom Thaler: Unsere Inspiration ziehen wir aus verschiedenen Ebenen und genau das macht die Sache so interessant. Ich war vor kurzem beispielsweise bei einem Megaloh-Konzert in Mannheim, das mich wahnsinnig beeindruckt hat. Da stand einfach so ein riesengroßer, schwarzer Typ auf der Bühne, der eine unfassbare Präsenz hatte. Der hatte eine so unfassbare Power. Jede Bewegung hat bei mir einen krassen Wow-Effekt ausgelöst. Nach dem Konzert bin ich erstmal trainieren gegangen, um auch eine solche Präsenz zu bekommen. (lacht)

Basil: Ich habe jahrelang komplett andere Mucke als Tom gemacht und war zu dieser Zeit eher im Jazz, beziehungsweise Rock zuhause. Irgendwann habe ich angefangen zu produzieren und habe in Flume ein riesen Soundvorbild gefunden. Ich höre ganz oft dessen Musik und frage mich, wie ihm es gelingt, solche Dinge zu erschaffen. Ich setze mich dann hin und versuche, etwas Ähnliches zu kreieren.

Wir haben jetzt lang um den heißen Brei herumgeredet. Was ist denn Hier mit dir letzten Endes soundtechnisch und inhaltlich für eine EP geworden?

Tom Thaler: Soundtechnisch ist Hier mit dir die Verbindung aus elektronischer Musik und Rapmusik, was wir in dieser Form einfach das erste Mal in unserem Leben gemacht haben. Für uns ist die EP der Abschluss unserer ersten gemeinsamen kreativen Phase. Inhaltlich ist es sehr persönlich und thematisiert das Noch-Nicht-Erwachsen-Sein der Protagonisten. Ich bin oft ein selbstzweifelnder Mensch, der noch nicht weiß, wo seine Reise ihn hinführen wird. Im Kopf bin ich irgendwie noch ein Kind, das sich neue Ziele setzt, ohne zu wissen, wo genau das hinführt. Das sind alles Gefühle, die auf dieser Platte übertragen werden.

Basil: Zu den Beats kann man auf jeden Fall sagen, dass sie eine Mischung aus Sunshine-House-mäßigen, aber auch etwas kantigeren Instrumentals ist. Deutlich wird das insbesondere bei dem Track Glückspilz, der dann auch wieder etwas Hiphop-lastiger ist, allerdings im Gewand von Pop- und elektronischer Musik. In diese Richtung werden wir auch weiter machen.

Tom Thaler: Und wenn du fragst, welches Gefühl die Platte vermittelt, dann würde ich sagen, dass es Musik ist, die man gut draußen hören kann. Mir machen auch Elektro-Partys unter freiem Himmel sehr viel Spaß, obwohl ich eigentlich ein echter Hiphop-Head bin. Das ist der Vibe, den wir vermitteln wollen.

Tom hat gerade davon gesprochen, dass er sich gerne Ziele setzt, ohne genau zu wissen, wohin ihn das führt. Wo wolltet ihr denn genau hin mit Hier mit dir?

Tom Thaler: Unser Ziel damit ist auf jeden Fall, dass wir damit eine Tour spielen können. Wir wollen damit genug Menschen erreichen, die dann Lust bekommen, uns live zu sehen. Wenn wir das erreichen würden und Leute wirklich zu unseren Shows kommen, wenn wir in deren Stadt sind, dann wäre das auf jeden Fall krass. Auch auf Support-Geschichten hätte ich mega Bock. Da sind wir auch im Augenblick wahnsinnig positiv gestimmt. Wir werden das schaffen!

Wenn ihr zum Abschluss des Interviews Hier mit dir mit einer Zeile zusammenfassen müsstet, welche Zeile wäre das dann?

Tom Thaler: "Ich bin ein Glückspilz und verlasse mich drauf!"