Olli Banjo: "Ohne Jesus würde ich das hier nicht aushalten" (Interview)


Olli Banjo ist, da sind sich Fans und Kritiker sicherlich einig, ein Stück Deutschrap-Geschichte. Vier Jahre nach seinem bisher erfolgreichsten Album Kopfdisco kehrt der technisch versierte MC zurück, um mit Dynamit an vergangene Erfolge anzuknüpfen. Dies haben wir zum Anlass genommen, um uns mit ihm über sein neues Album, die Zusammenarbeit mit einem Pornostar und seinen Glauben zu unterhalten.

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Vier Jahre sind nun seit deinem letzten Soloalbum Kopfdisco vergangen. Was hat der Künstler Olli Banjo in diesem Zeitraum gemacht und wieviel Zeit floss in die Produktion von Dynamit?

Ich hab' mich in der Zwischenzeit zu einem Produzenten ausgebildet. Außerdem habe ich mit den großartigen Krauts und Moses Schneider an meinem Projekt Wunderkynd gearbeitet. Mit der Platte sind wir jetzt schon recht weit. Dynamit hab ich während der ganzen Zeit geschrieben. Stück für Stück kam da eins zum anderen, bis ein fertiges Bild zustande kam. Ich bin sehr, sehr glücklich mit dem Album und auch stolz darauf.

Die Produktion übernahmst du erstmals fast komplett selbst. Wie würdest du den hierbei entstandenen Sound beschreiben und was ist charakteristisch für den Produzenten Olli Banjo?

Charakteristisch ist, glaube ich, die Originalität und die Musikalität. Ich habe auch eine ganz bestimmte Welt von Melodien und Harmonien, die mich ausmacht. Ich bin auf jedenfall von England beeinflusst und habe einen starken elektronischen Touch in meiner Mucke. Alles ist recht ausgefuchst und detailverliebt. Ansonsten leg' ich natürlich riesigen Wert auf die Texte (grinst).

Zwei Produktionen stammen aus der Hitschmiede der Krauts. Weshalb waren diese perfekt, um das von dir geschaffene Soundbild zu ergänzen?  

Die Krauts haben Happy End ft. Yasha und Marteria produziert und zusammen mit dem großartigen Moses Schneider einen Knaller-Remix zu Mädchen aus den Slums geschustert. Es ist eine große Ehre, mit solch heftigen Producern arbeiten zu dürfen. Ich hab' als Künstler, aber auch als Produzent, jede Menge lernen dürfen.  Auch die Herangehensweise der beiden ist total unterschiedlich, fast schon gegensätzlich, und trotzdem auf ähnliche Weise genial. Solch eine musikalische Schule ist unbezahlbar! Ich bin sehr dankbar. 

Der Sound des Albums wirkt generell sehr elektronisch und vocalsamplelastig. Was hat dich in der Produktionsphase von Dynamit soundtechnisch inspiriert?

Popsachen wie Ellie Goulding. Es wäre ein Traum, mit ihr mal einen Song zu recorden. Ich würde sowieso gerne eine Künstlerin produzieren oder auch einen talentierten Künstler. Ich liebe es einfach, Vocals zu zerschneiden und auf andere Weise wieder zusammenzusetzen. Dadurch entsteht oft ein ganz neuer und fresher Kontext. Das kommt bestimmt noch aus meiner House- und Rave-Zeit. Ich liebe neben Hiphop und Rockmusik einfach auch sehr elektronische Musik.

Auf der kommenden Seite übt Olli Banjo Kritik an der katholischen Kirche und erzählt uns, weshalb es ihm am Herzen lag, Johnny K. eine Zeile zu widmen. Als Vorgeschmack auf Dynamit kannst du hier die erste Single Traum hören.

Auf dem Song Solange verteilst du zwei augenzwinkernde Seitenhiebe gegen Bushido. Gibt es hierfür einen bestimmten Anlass oder fällt das unter "Rap ist Competition"?

Ach Quatsch, ich hab' gar nix gegen ihn. Das waren einfach Feststellungen, die ich gemacht habe, als ich einmal den Film und ein anderes mal die Bambi-Verleihung gesehen habe. Ist ja auch kein Diss oder so! Einfach Sätze von mir, wie ich die Welt beobachte und reflektiere. Kein böses Blut. Alles Peace! (grinst)

Ich hoffe der Papst glaubt an Gott ist erneut eine Kritik an der institutionalisierten Form von Religion. Weshalb liegt dir diese Thematik am Herzen und welche Gefahren bergen solche Institutionen?

Naja, das sind Machtmonopole und die katholische Kirche ist im Speziellen eine fast komplett autarke Insel. Das ist eigentlich verrückt. Eigene Bank, eigene Legislative und so weiter. Ein eigener Staat mit eigenen Gesetzen. Bei allen positiven Aspekten, die ich der Kirche gar nicht absprechen möchte, muss es erstens erlaubt und zweitens für mich als gläubigen Christen sogar eine Art Pflicht sein, die negativen Dinge anzusprechen, wobei das innerhalb von 16 Takten Rap nur angerissen werden kann. Aber dieser Kritik muss sich eine Kirche stellen.

Apropos Kritik: Auf Uzi schießt du humorvoll gegen heutige Gangsterrapper. Was stört dich an diesen und gibt es einen bestimmten Künstler, den du beim Schreiben des Songs im Kopf hattest?

Ich schieße eigentlich viel mehr gegen eine kollektive Art von Gewaltverherrlichung. Ich finde, man muss etwas gegen diese ehrenlose "fünf auf einen"-Mentalität sagen. Nur Flaschen und leere Seelen tun sowas! Niemand, der Herz hat, prügelt einen anderen zu Tode! Das machen nur verlorene Seelen! Dieses ernste Thema hab' ich zum Anlass genommen, um auf ungewöhnliche Weise eine Art Kanal zum Abbauen eigener Wut und Aggression zu schaffen, eine Art trojanisches Pferd für Gerechtigkeit und Liebe. 

Gleichzeitig widmest du auf dem Song auch Johnny K. eine Zeile, der vor zwei Jahren in Berlin von Jugendlichen zu Tode geprügelt wurde. Welchen Bezug hast du zu diesem und weshalb erinnerst du ausgerechnet auf diesem Song an ihn?

Genau aus dem eben genannten Grund. Er war mit ein Auslöser für den Song ! Das Wort Uzi ist natürlich rein als Metapher zu verstehen, aber das erklärt sich ja von selbst, hoffe ich.

Auf der nächsten Seite erfährst du, wie es ist, mit einem waschechten Pornostar zu arbeiten. Das dabei entstande Video kannst du dir bereits hier ansehen.

Frauen spielen auf Dynamit ebenfalls eine große Rolle. So handeln die Songs Mädchen aus den Slums, Baum und Exstasy von Vertretern des schwachen Geschlechts, die meist schädlich für den Interpreten sind. Sind diese Songs selbstreflexiv?

Ja, das sind schon echte Geschichten! Mädchen aus den Slums ist übrigens mein absolutes Lieblingsvideo. Nicht nur aufgrund der Nacktszenen. Es handelt von einer Liebe, die dich kaputt macht und du trotzdem nicht loskommst, weil du das Mädel einfach über alles liebst. Ich habe mich über die überwältigende Resonanz riesig gefreut. Ich bekomme täglich Mails auf Facebook, wie sehr dieser Song die Menschen berührt! Baum ft. Xavier Naidoo handelt vom Schluss machen und dass man oft nur zusammenbleibt, weil man nicht gut alleine sein kann! Das höre ich sehr, sehr, sehr oft in meinem Freundeskreis! Wir haben auch ein krasses Video dazu gedreht. Exstasy ist mit Mädchen aus den Slums mein Lieblingssong des Albums und erinnert vom Vibe her ein wenig an Deine Sprache. Ich vergleiche darin Liebe mit harten Drogen und wie die einen zerstören können.

Das Video zu Mädchen aus den Slums entstand im Rahmen einer knapp dreiwöchigen USA-Reise. Gibt es eine interessante Anekdote, die du von dieser Reise und der damit verbundenen Produktion des Videos erzählen kannst?

(lacht laut) Ja, die knapp drei Wochen Vegas und L.A. waren schon der Hammer! Müsst ihr mal machen, falls ihr noch nicht dort wart. Wir hatten so viel Spaß. Wir hatten ein Haus direkt in Venice Beach am Strand gemietet und haben erstmal eine Woche lang Mädels gecastet, was gar nicht so einfach war, da ich ganz genaue Vorstellungen hatte. Ich war ständig unzufrieden. Meine Ex-Freundin, das echte Mädchen aus den Slums, konnte ich ja nicht fragen. Irgendwann kamen wir auf die Idee über eine befreundete Hollywood-Agentin Pornodarstellerinnen anzufragen und auf einmal stand Juelz Ventura in der Tür. Einige Jungs aus dem Team stürtzten sich wie ein Haufen hungriger Löwen nach vorne, um sie als erstes zu begrüßen. Es fielen Sätze wie "Ich bin ein großer Fan!" oder "Ich respektiere deine Arbeit schon lange!" (lacht) Ich kannte sie gar nicht und musste erst recherchieren, wer sie ist. Kein Scheiß! Aber da sie so super sweet war und so gar nicht wie man sich halt so einen Pornostar vorstellt, wussten wir alle: "Ok, das ist sie!" Der Rest ist Geschichte.

Auf I Play Dead prangerst du den sittlichen und moralischen Verfall der Gesellschaft an. Woran machst du diesen Verfall fest? Gibt es ein bestimmtes Ereignis, das dir in diesem Zusammenhang einfällt?

Na eben die gerade angesprochene Gewalt und das damit einhergehende Sinken der Hemmschwelle. Aber auch das mangelnde Einfühlungsvermögen in einen anderen Menschen. Ich bin sehr empathisch, was eine Sache ist, die ich sehr mit Xavier Naidoo gemeinsam habe. Viele Dinge in dieser Welt lassen einen verzweifeln. Ohne Jesus würde ich das nicht aushalten! Trotzdem bin ich auch Teil des Ganzen und genauso voller Schwächen und Fehler. Ich möchte nicht als scheinheilig gelten. Deswegen nehm' ich mich nie aus der Kritik raus, sondern beschreibe zum Beispiel in Ich hoffe der Papst glaubt an Gott erstmal in der ersten Strophe meine eigenen Fehler und Widersprüche. 

Abschließend spricht Olli auf der letzten Seite über die Features seines Albums und seinen Lieblingssuperhelden. Einen weiteren Einblick in Dynamit bekommst du hier mit Ich hoffe der Papst glaubt an Gott.

Neben dir sind unter anderem die Nummer-eins-Künstler Sido, Kool Savas, Marteria, Yasha und Xavier Naidoo vertreten. Weshalb fiel deine Wahl auf diese Künstler und weshalb stellt jeder Einzelne eine Bereicherung für Dynamit dar?

Die Features haben sich wie von alleine ergeben. Ich hatte nach so langer Zeit, in der ich alleine mit Produzenten im Studio war, wieder richtig Lust, mit Künstlern zu arbeiten. Ich feiere jeden einzelnen Künstler sehr und möchte ganz besonders auf meinen Brother Damir Message aufmerksam machen, der ein Wahnsinnstalent und zwei mal auf dem Album vertreten ist.

Der von dir kreierte Jogginghosenmann hält Superman für schwul. Kannst du uns zum Abschluss des Interviews sagen, welcher Superheld nach seinem Geschmack wäre? 

(lacht) Ich meine das total politisch korrekt. Ich bin null Komma null homophob. Aber diese Diskussion ist ja so alt wie die Zeit. Ich persönlich bin absoluter Hulk-Fan. Er ist groß, emotional und hat ein gutes Herz. Wenn er durchdreht, ist es eigentlich immer nur ein brutaler Schrei nach Liebe. Wer will es ihm verübeln. Er will doch nur chillen. So wie der Jogginghosenmann (lacht laut).

Die letzten Worte gehören dir.

Vielen Dank für das Interview! Ich feiere eure Seite schon sehr lange. Leute abonniert meinen Youtube-Channel folgt mir auf Twitter und Facebook holt euch Dynamit, am besten als Ltd. Box und kommt auf die Tour! Große Liebe.

Interview: Marc Schleichert
Foto: Youtube (Ich hoffe der Papst glaubt an Gott)

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