Breaking wird olympisch! Als erster Tanzsport überhaupt kommt Breaking zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Wer gute Chancen hat, dabei zu sein? B-Girl Jilou. Die Wahlberlinerin behauptet sich schon mehrere Jahre in der Breaking-Welt und hat bereits etliche Wettkämpfe gewinnen können. Wir haben uns mit der 29-Jährigen im Nike Berlin Office getroffen und mit ihr über ihre liebsten Wettkampfmomente, die wahren Erfolge im Sport und die Zukunft des Breakings gesprochen.
Alina: Wenn man wenig Ahnung vom Breaken hat, stellt man sich vor, dass die Tänzer eine Matte ausrollen und dann gehts los – aber so ist es ja nicht unbedingt. Wie kann man sich denn so einen klassischen Breaking-Contest vorstellen?
Jilou: Man stellt sich das wahrscheinlich so vor, weil so Street Shows ablaufen. Also wenn wir nebenher etwas verdienen wollen, dann rollen wir tatsächlich eine Matte aus, stellen die Anlage an und performen. Ein Battle ist dahingehend anders, dass es anfangs aussieht wie eine Party. Da wird allerdings eher nicht mit einem Partner getanzt, sondern in Kreisen. Wir machen also einen Kreis auf und in dem Kreis hat jeder Tänzer seinen Space und seine Zeit um dort sein Ding zu machen.
Man versucht miteinander zu kommunizieren, man greift vielleicht mal einen Move auf von der Person. Vielleicht hat man irgendwie auch Bock, jemanden herauszufordern. Dann zeige ich quasi mit dem Finger auf dich und sage so: "Ich mache jetzt diesen Headspin" und frage dich mit meinen Moves: "Was kommt von dir?". Und dann würdest du vielleicht auch einen Headspin machen und dabei deinen Fuß anfassen. So funktioniert die Kommunikation unter anderem.
Alina: Also ist es viel nonverbalen Kommunikation?
Jilou: Total! Viel nonverbal, manchmal kann es auch emotionaler werden, aber es bleibt eigentlich auf tänzerischer Ebene und sehr respektvoll. Dadurch sind Battles sozusagen entstanden. Indem man sich gegenseitig herausfordert. Heutzutage ist es etwas organisierter und wird tatsächlich dann auch zum Sportevent. Dort passiert eine Pre-Selection, wo jeder seine Runde zeigt und die besten werden ausgewählt. Die treten dann im K.O.-System gegeneinander an.
Alina: Wie ist das denn auf einem Battle. Ist man da konstant unter Strom? Man wartet ja auf die eigene Runde und weiß, gleich geht es los.
Jilou: Es kommt darauf an, tatsächlich. Einerseits, worum geht es? Geht es um die Qualifikation für die olympischen Spiele oder geht es darum, ein T-Shirt mit nach Hause zu nehmen? Und dann noch, ist es eine Solo-Competition, also hängt alles von mir ab oder auch von meiner Crew? Wenn man zu fünft dort steht, geht es viel um die Kommunikation untereinander. Deshalb kann ich gar nicht so pauschal sagen, ob ich immer unter Strom stehe. Manchmal genieße ich einfach den Moment, zu tanzen und Musik zu hören. Und manchmal sitze ich nur da und gehe die Moves in meinem Kopf durch, wärme mich auf und bin super fokussiert. Und rede mit niemandem.
Der Status von Breaking in der aktuellen Zeit
Alina: Wie würdest du den Status von Breaking in 2022 einordnen. Hast du das Gefühl, es fehlt an Förderung und gesellschaftlicher Anerkennung oder eher gegenteilig – dass es aktuell gut läuft?
Jilou: Jede Veränderung stört eine Gesellschaft. In erster Hinsicht müssen sich Menschen daran gewöhnen, was sie sehen. Durch das Etablieren von Breaking sind vielleicht Sportarten weggefallen. Ich habe auch mal einen blöden Kommentar von einer Karate-Kämpferin bekommen, bei dem ich mir auch dachte, dass es ja nicht darum geht, dass wir hier ablösen. Sondern darum, dass jeder seine Chance hat. Ihr hattet eure Chance, jetzt sind wir dran.
Ich denke, Breaking hat unheimliches Potenzial. Wir kommen jetzt auch in die Generationen rein, wo viele mal getanzt haben. Es passiert mir ganz, ganz oft, dass ich bei einem Job bin und dann ist dann jemand da, der 40-50 Jahre alt ist und mir erzählt, dass er auch mal gebreakt hat. Das find’ ich total geil. Viele Menschen, mit denen ich zu tun habe, auch beruflich, waren schon mal mit Breaking in Berührung. Es ist nicht mehr so, dass ich es komplett erklären muss. Aber ich denke, die meisten können sich das nicht so hundertprozentig vorstellen.
Ich glaube, je mehr Aufklärung wir leisten, desto mehr verstehen es Menschen und so können sie auch mehr "aufnehmen". Und zu Olympia bringen wir auch einfach 'ne Party! Es geht darum, Spaß zu haben, man selbst zu sein und die eigene Leidenschaft mit dem Publikum zu teilen.
Alina: Du warst ja beim Nike-Format "What Are You Working On" zu Gast. Dort hast du gesagt, dass es dir wichtiger ist, die Audience zu berühren, als die Medaille zu bekommen. Wann hast du denn das Gefühl, dass du die Audience richtig berührt hast?
Jilou: Schwer zu erklären. Ab und zu kann man sagen, man schaut ins Publikum und sieht lächelnde Gesichter. Man tanzt, dann tanzt der Gegner, dann kommen noch weitere Runden und dann ist die Competition vorbei. Dann gibt es diesen Moment zwischen der letzten Runde und der Jury-Entscheidung.
Das geht dann meist so eine Minute. In diesem Moment fragt man sich: Hat es gereicht oder nicht? Und dann schaut man in die Jury und sieht nur nachdenkliche Gesichter. Wenn man dann ins Publikum schaut, sieht man aber Gesichter, die einfach Spaß an dem haben, was sie gesehen haben. Es geht mir nicht darum, am Ende besser zu sein. Das ist absolut tagesabhängig. Das habe ich selbst gar nicht unbedingt unter Kontrolle. Aber wenn sich die Menschen am Ende an mich erinnern und an die Energie, die ich ihnen gegeben habe, dann habe ich für mich gewonnen.
Alina: Hast du einen Schlüsselmoment, bei dem du das Gefühl hattest, "hier hab ich es geschafft. Die Leute sind bewegt"?
Jilou: In Paris bei der WM 2021 hatte ich dieses Gefühl. Die Leute hatten total Bock, mich zu sehen. Es war irgendwann so, dass mein Name fürs Halbfinale gerufen wurde. Das war einfach sehr, sehr cool.
Später nach dem Event war es so, dass ich aus irgendeinem Grund relativ lang gebraucht habe und die Busse zum Hotel nach dem Event verpasst habe. Und dann stand ich so mit meiner Trophäe im Eingangsbereich des Gebäudes und dann sind eben noch ganz viele Leute zu mir gekommen und wollten Fotos machen. Wenn die Leute in Erinnerung behalten möchten, dass sie mich getroffen haben, das ist total krass für mich.
Breaking wird olympisch: Jilou über das Wahr werden eines Traumes
Alina: Du sagtest, du trainierst schon seit 16 Jahren als Breakerin. Wie war das, als du erfahren hast, nach dieser ganzen Zeit und Arbeit, dass du potenziell Teil von Olympia wirst.
Jilou: Ich komme vom Kunstturnen und hab damals als kleines Kind schon von Olympia geträumt. Als ich mit dem Turnen aufgehört habe, habe ich den Traum fallen lassen. 2012 war dann in London die Olympiade. Damals haben so Mavericks performt. Das hat mich total inspiriert. Dann habe ich davon geträumt, bei der Eröffnungsfeier aufzutreten. Und als dann angekündigt wurde, dass Breaking olympisch wird, dann fing dieser Traum an wahr zu werden.
Alina: Ein fullcircle moment, total schön! Breaking ist ja eine der vier Säulen des Hiphops. Welchen Bezug hast du denn zu dem Genre "Hiphop"?
Jilou: Hiphop Jams hatten damals ja alles dabei, den DJ, den MC und dann noch Graffiti-Artists, die das ganze Drumherum mitgestaltet haben. Früher haben Jams jedes Element mit eingeschlossen. Das ist jetzt so ein bisschen getrennter. Den DJ haben wir noch, aber der MC ist eher zu einem Moderator geworden. Aber ich denke, die Energie des Hiphops ist weiterhin da. Das ist immer das Gleiche. Ob nun mit Rap oder mit dem Tanzen, es geht ja immer darum, etwas auszusagen.
Alina: Auf welchem Beat oder zu welchen Künstlern lässt es sich für dich am besten Breaken?
Jilou: Ich bin ein Riesen-Fan vom Boom Bap. Und ich bin auch ein Mega Fan von Die P. Dementsprechend gerne zu ihrer Musik. Ich finde ihre Musik total fresh, ihre Texte super und ihre Stimme ist einfach krass. Es motiviert auch einfach, so eine starke Frau zu hören, deshalb höre ich sehr viel von ihr.
Alina: Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft: Wenn es um Hiphop-Musik geht, dann findet Breaking ja viel über Musikvideos statt. Was würdest du dir für die Zukunft des Breakens und die Repräsentation von Breakdancern wünschen?
Jilou: Ich würde mir wünschen, dass wir Breaker nicht immer nur für andere tanzen, sondern, dass wir eben auch für uns selbst geschätzt werden und für das, was wir machen. Deshalb sind die Olympischen Spiele auch so wichtig, weil wir da noch mal eine andere Plattform - nur für uns - bekommen. Und als Kunst respektiert werden.