Blumio - Hiphops Toleranzminister (Interview)

Am ersten Oktober 2010 erschien Blumio s drittes Album Tokio Bordell . In seiner gewohnt lockeren Art, spricht er auf dem Album Themen an, die sonst nicht so häufig in der Rapszene gefunden werden. Der Track Die Welt ist schwul beschäftig sich beispielsweise mit den Vorurteilen und Diskriminierungen Homosexuellen gegenüber. Dabei hebt er jedoch nicht anklagend den Zeigerfinger, sondern verpackt die Botschaft in intelligente und humorvolle Texte. Im Interview mit  Hiphop.de spricht Blumio über die Resonanzen, die er für sein Album bekommen hat, erklärt, wieso Disses nicht Hiphop sind, warum sich Hiphop in Deutschland selbst kapput macht und sein Unverständnis für die Diskriminierung von Schwulen.
Bei Youtube bist du sehr erfolgreich. Mit Hey Mr. Nazi hast du über 5 Millionen Klicks. Liest du dir auch die Kommentare durch? Nerven dich negative Kommentare noch?
Ich lese die nur direkt nach der Veröffentlichung, da kann man die allgemeine Resonanz schon spüren. Ich muss mal überlegen, was mich jetzt noch berühren könnte, nach all den Beschimpfungen die ich ertragen musste. (lacht) Nein, es gibt Rapper, bei denen stehen wirklich perverse, eklige Sachen unter den Videos. Aber ich bekomme gar nicht so viele negative Kommentare, ob auf der Straße oder im Internet. Vielleicht liegt das daran, dass es gar nicht so viele Hiphop Hörer sind, die meine Musik anklicken. Bei euch, bei Hiphop.de geht es ja schon ziemlich ruppig zu. Vielleicht habe ich auch einen psychischen Filter entwickelt. Man muss abwägen, ob es einen persönlich betrifft oder ob das Leute sind, mit denen man in anderer Situation chillen könnte. Man wird nicht glücklicher, wenn man sich Gedanken darüber macht. Ich höre mir auch keine Disstracks gegen mich an. Ich würde nie zu einer Veranstaltung wie Feuer über Deutschland gehen, um mich da von irgendwelchen Leuten beleidigen zu lassen. Battlerap ist nicht dein Style von Hiphop?
So pauschalisieren kann man das nicht. Battlerap ist nichts Schlechtes. Aber die Leute verwechseln das. Reporter fragen: "Was ist das mit dem Dissen im Hiphop, warum macht ihr das?" Und dann kommt die Antwort "Das ist die Kultur." Das stimmt nicht! Ich habe das in dem Track gesagt, den ich mit DJ Craft von K.I.Z gemacht habe: Dissen gehört nicht zum Battlen. Zum Battlen gehört auch sich danach die Hand zu geben. Und beim Dissen sitzt irgendwo, irgendeiner der dich beleidigt und dann treffen beide aufeinander und hauen sich die Köpfe ein. Das hat nichts mit der Hiphop Kultur zu tun. Aber solange das so läuft, befasse ich mich nicht mit Battles. Die Leute sollen nicht erzählen, dass das Hiphop wäre. Das ist NICHT Hiphop und das sage ich bei Hiphop.de .

Hiphop macht sich selbst kaputt

Was ist dann für dich Hiphop? Wie definierst du Hiphop?
Ich kann nur sagen wie es geschichtlich angefangen hat und wie es heute ist. Momentan ist Hiphop die einzige Musikrichtung, die kannibalistisch vorgeht, die sich selbst kaputt macht. Wenn ich Geschichten von "älteren" Künstlern höre, beneide ich sie! Ich habe die alte Zeit zwar noch ein wenig mitbekommen, aber sehr schnell wurde es ziemlich rau. Guck dir Hiphop.de als Beispiel für einen Treffpunkt im Internet an. Guck dir die Leute an, wie sie sich in Parteien aufteilen und sich gegenseitig alles kaputt machen. Jetzt nimmt mal eine andere Szene, zum Beispiel die Gothic Szene. Die Leute treffen sich zu Partys und keiner lacht den anderen aus, weil der einen schwarzen Mantel trägt. Die treffen sich, freunden sich an, knüpfen Kontakte und haben Spaß. Gemeinsam. Im Hiphop finde ich es traurig, dass sich die Leute gegenseitig kaputt machen. Ich frage mich immer, wogegen die rebellieren. Anti zu sein ist nicht immer cool. Anti zu sein kann cool sein, wenn du im Iran bist und mit den Studenten gegen die Regierung auf die Straße gehst. Aber ich habe das Gefühl, dass manche Rapper das missverstanden haben. Die Fans eifern dem dann nach und denken, wenn sie im Internet Kollegah dissen oder irgendwas Negatives über Savas sagen, wäre das eine gute Tat. Das ist es nicht. Dadurch schneiden sie sich nur in ihr eigenes Fleisch, bis irgendwann keiner mehr Bock auf Hiphop hat. Das zeichnet sich auch schon ab! Es ist positiv, wenn man sich gegenseitig respektiert. Man sieht an vielen Beispielen, dass man nicht andere Rapper dissen muss, um erfolgreich zu sein, egal ob das Marteria ist oder K.I.Z . Ich finde die Mammut Remixe von Savas sehr gut. Er versucht verschiedene Leute zusammenzubringen, der Community Gedanke kommt durch. Auch wenn sich das abgedroschen anhört und eine Zeit lang verpönt war.

Ich persönlich habe mich auch sehr von der Hiphop Szene abgegrenzt, weil ich einfach keinen Bock hatte, mir diesen Film zu geben. Immer wenn ich Rapper getroffen habe -und ich kenne viele- ging es nur um Geläster. Schlimmer als Mädchen. So etwas wollte ich mir nicht geben. Aber weil der Klügere nachgibt, regieren auch die Dummen die Welt. Deswegen ist mein momentaner Denkansatz eher oldschool. Nicht musikalisch, man muss ja nicht gesampelte 90BPM Beats machen um Hiphop zu sein. Aber ich finde den Grundgedanken sollte man zurück bringen und auch kommunizieren, deswegen tue ich das gerade.

Nazi Denken



Dir fehlt also Respekt innerhalb der Hiphop Szene?  
Ja, das fehlt mir absolut. Was mich stört ist der Gedanke dass Nettigkeit ein Zeichen für Schwäche wäre. Dass es ein Zeichen von Schwäche wäre, etwas Positives über andere zu sagen. Das ist so ein Haufen verletzter Seelen mit Profilneurosen... Ich habe kein Problem damit, Leuten Respekt zu geben, egal wem. Egal was man für Musik macht, im Grunde genommen hat man ja den gleichen Flash gehabt: Man fand es geil, dass dieser Rapper die Reime so geil verpacken kann, präzise auf den Punkt bringt, was er sagen will, den Beat dazu, die Klamotten. Oder man hat sich mit jemandem identifizieren können weil er einem aus der Seele gesprochen hat. Heute so cool zu tun, das alles zu vergessen und ältere Künstler nicht zu respektieren, zu verleugnen, dass man die früher gehört hat - das ist komisch.
Man sollte altgedienten Leuten den nötigen Respekt entgegen bringen. Ich habe früher Beginner , Samy , Freundeskreis oder Afrob gehört und ich habe  großen Respekt vor den Jungs. Die haben uns das ermöglicht, was wir grade kaputt machen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Jan Delay nicht mehr rappt, Max Herre nicht mehr rappt, Samy ein Reggae Album macht - die sehen vielleicht auch nichts Positives mehr. Stattdessen hat man Leute, die was von Hiphop erzählen aber alles kaputt machen. "Das darf man nicht hören.  Kaas ist eine Pussy. Nur wer zehn Leute hinter sich hat ist cool." Das ist Nazi Denken. Jeder kann einen coolen Song machen und jeder kann einen schlechten Song machen. F.R. kann einen Song mit Massiv machen, solange man sich respektiert. Momentan ist der Erfolg einfach wie eine riesige Mauer, jeder will da hoch und reist den anderen runter - im Endeffekt kommt keiner mehr hoch. Anstatt sich zusammenzutun und eine Räuberleiter zu machen. So blöd sich das anhört. Die Leute können ruhig schreiben, dass ich Utopien hinterherlaufe. Aber ich denke wirklich, wenn es so weiter geht, geht es kaputt.

Streit? Pimpulsiv und Farid Bang


MTV hat eine Liste der vielversprechendsten Rapper aus Deutschland veröffentlicht. Da waren die Orsons alle einzeln genannt, dazu Casper, Marteria und Prinz Pi. Die Reaktionen im Internet haben die gespaltene Fan Szene gezeigt. Die einen sagten "Da ist kein Haftbefehl, kein Nate dabei und ohne Farid Bang geht das schon gar nicht."  Die nächsten sagen "Genau richtig, es geht weg vom Gangstarap".
Es soll gar nicht weggehen von Gangstarap. Es soll gar nicht hingehen zu... Was ist das überhaupt für eine Kategorie, in der die anderen wären? Das sind Jungs die gerne Musik machen, alles sehr gute Künstler. Nur weil die nicht fluchen sind das andere Menschen? Nur weil jemand im Internet oder in einem Interview Leute beleidigt ist er cooler? Ich verstehe die Logik dahinter nicht. Gangstarapper sollen Gangstarap machen aber da muss Respekt hinter stehen. Wenn du ein guter Künstler bist, hast du Disses nicht nötig. Das sieht man ja an Nate57 . Ich höre mir auch nicht den neusten Diss Track von XY an, weil ich denke, dass das eh immer der gleiche Scheiß ist. Es war einmal interessant bei Savas und Eko , aber das war eine persönliche Sache zwischen den beiden. Nur weil irgendeiner ein Wort gegen einen anderen gesagt hat, irgendwelche Disstracks zu schreiben... Ich bitte euch. Also hast du dir wahrscheinlich auch nicht den Diss Track von Pimpulsiv angehört?
Doch, den hab ich mir reingezogen, weil mein DJ unbedingt wollte, dass ich mir den anhöre. Und ich hab ihn mir angehört. Und alles was ich bisher gesagt habe trifft zu. Der Aufhänger war, dass sie den Ausdruck Tokio Bordell vor dir benutzt haben.
Was soll ich dazu sagen... Ohne jetzt überheblich zu klingen, aber ich kannte den Song wirklich nicht. Und wenn sie sich da in ihrer künstlerischen Einzigartigkeit verletzt gefühlt haben - Ich kann nichts dafür, Leute. Meine Mutter kommt aus Tokio und ich glaube ich habe auch eine gewisse Berechtigung dieses Wort zu benutzen. Ich kenne die Jungs nicht, die waren wahrscheinlich beleidigt und haben mir einen Song gewidmet. Vielleicht sollte ich mich geehrt fühlen. Ich schreibe eigentlich nur Mädels einen Song. Ich kann mich nur für die Promo bedanken und nie wieder darüber reden. Das war so ein Move, wie ich es grade beschrieben habe. Die kennen mich nicht. Vielleicht sind das nette Jungs, aber sie sollten sich eher auf ihre eigene Karriere konzentrieren. Das ist ja das Problem: Solche Leute schaden sich selbst. Ich kann ja Kaas genauso gut finden wie Farid Bang . Dadurch, dass diese Leute mich gedisst haben, werden vielleicht manche meiner Fans deren Platten nicht kaufen. Was dumm ist und was ich auch nicht will. Meine Fans können machen was sie wollen. Ich würde mich freuen, wenn die deren Platten auch weiterhin kaufen. Denn im Endeffekt ist es mir scheißegal, was für einen Kleingartenkrieg die da führen wollen, für mich ist wichtig, dass Hiphop weiter kommt. Wenn die zwei Platten mehr verkaufen, ist mir das sogar lieb. Und wenn die davon ihre nächste Miete bezahlen können, bin ich glücklich. Im Endeffekt sind wir alle nicht durch viele Millionen Euro und Autos gesegnet. Wir kämpfen ums Überleben und wollen Platten verkaufen und Konzerte spielen. Ich kann den Jungs nur viel Glück wünschen und hoffen, dass sie wieder auf den richtigen Pfad kommen. Das ist für mich damit erledigt. Wenn das was persönliches gewesen wäre, wäre das etwas anderes. Bei Farid Bang war das so, ich kenne ihn und wir haben auch einen gemeinsamen Freund. Da war es mir wichtig, dass es aus der Welt geschafft wird. Wir haben uns getroffen und es aus der Welt geschafft. Er hat seine Worte zurückgenommen und dafür respektiere ich ihn auch. Er hätte das nicht machen müssen. Es gehört auch Mut dazu, zu sagen "Ja, das war ein Scheiß Move".
Absolut. Wenn wir uns heute sehen, dann freuen wir uns und geben uns die Hand. Das sollte auch Hiphop sein. Mir ist wichtig, dass zumindest innerhalb von Düsseldorf alles cool ist. Soweit ich weiß, gibt es momentan in Düsseldorf auch keine Rapper, die sich gegenseitig abstechen wollen. Hier gibt es sowieso eine Artenvielfalt:   Der Neue Westen , JayJay, Farid Bang oder ich...  Das freut mich. Es ist zwar kein Friede, Freude, Eierkuchen, aber ich hoffe, dass es zumindest in Düsseldorf friedlich zugeht.

Clown Zwang?

Du hast zu deinem Album Tokio Bordell zwei Booklets gemacht. Eins mit den Credits und Fotos, das andere mit allen Songtexten. Wie kamst du auf die Idee zwei Booklets zu machen, die zudem noch mit einem sehr aufwändigen Art Work versehen sind?
Das ist der Neffe von Don Tone gewesen, Nada . Letztes Mal hatten wir noch ein viel kleineres Budget und konnten das leider nicht ermöglichen. Aber das war schon immer mein Traum. Ich hatte ja damals die ganzen Alben, Beginner - Bambule , Freundeskreis  - Esperanto , da waren immer Booklets mit den Texten dabei. Ich saß davor und habe die Texte mitgerappt. Ich war mir damals mit 14 schon sicher, wenn ich irgendwann mal ein Album mache, dann packe ich da auch meine Texte rein. Es sind halt 20 Tracks und das hat platzmäßig nicht gepasst, deswegen dachten wir, dass wir eine Deluxe-Edition mit zwei Booklets daraus machen. Lass uns über Songwriting sprechen.  Du thematisierst auf einem Track, dass du Angst davor hast, dass dir irgendwann die Ideen ausgehen und dass du nicht immer der lachende Yellow Man sein kannst. Hat sich das bei dem Album stärker ausgewirkt als bei dem Album vorher?
Meinst du in Sachen Image oder in Sachen Kreativität?
  Beides.
In Sachen Kreativität hatte ich nach dem Yellow Album ein bisschen Bammel. Ich wusste nicht, ob mir noch mal 20 einzigartige Lieder einfallen, die ein eigenes Konzept und einen Story Verlauf haben. Aber glücklicherweise ist es ja nicht nur ein Moment der Kreativität indem ein ganzes Album entsteht, im Laufe der Zeit kommen die Ideen von ganz allein, weil ich lebe. Ich habe ein sehr aufregendes Leben, mit vielen Emotionen, guten Freunden und vielen Damen. Und dadurch entstehen automatisch Ideen. Und ich gehe auch nicht blind durch die Welt, sondern mache mir Gedanken. Auch wenn mal nur jemand in der Bahn einer alten Oma keinen Platz macht, Alltag halt. Aus dem Mikro kann ich ein Makro machen. Deswegen hat sich diese Angst nicht bestätigt. Es ist durchaus so, dass mehr ernstere Lieder auf dem Album sind. Dass hat auch ein bisschen mit der Musik zu tun, weil alles von mir und meinen Musikern selbst eingespielt worden ist. Dadurch ist es musikalischer und auch ernster. Trotzdem ist es immer noch humorvoll. Das konzeptionelle ist auf jeden Fall geblieben. Die Leute sagen, dass dieses Album von den Konzepten und Ideen her besser ist, als das davor. Hast du Angst davor, auf Gedeih und Verderb lustig sein zu müssen?
Nein, das nicht. Ich meine, da dies ja ein abgedrucktes Interview ist, ist es ja schwierig. Ich finde die Witze kommen geschrieben nie richtig rüber. Meine Witze sind eher auf Betonung aufgebaut. Und wie ich die Worte ausspreche und mit welcher Betonung dazwischen. Deswegen hampele ich hier gerade nicht rum. Wenn die Kamera an wäre, würde ich vielleicht meinen Popo zeigen oder so. Aber eigentlich bin ich ein Typ, der überall gerne lacht und wenn ich mit meinen Jungs unterwegs bin, drehen sich die Leute nach uns um, weil wir nur am gackern sind. So wie Hühner. Teilweise über unlustige Sachen oder welche, die nur wir lustig finden. Ich weiß es nicht. Da fehlt mit mittlerweile sehr die Objektivität.

Zu gut für Kritik

Also kultivierte Antiwitze.
Genau. Ich lache einfach sehr gerne. Okay, wenn wirklich ein Schicksalsschlag kommt und meine Persönlichkeit in seinen Grundmauern eingerissen wird, dann kann es sein, dass ich ein ur-ernstes Album mache. Aber ich finde Humor ist zum überleben einfach wichtig. Andererseits finde ich das Gleichgewicht ziemlich wichtig. Man sagt ja viele Komiker sind depressiv. Wenn ich nur lustige Musik machen würde, würde ich wohl verzweifeln. Dann wäre ich auch von mir selbst gelangweilt. Kein Mensch ist nur hart, kein Mensch ist nur weich. Jeder hat diese Seiten. Und diese unnatürlichen Darstellungsweisen mancher Rapper finde ich ein bisschen... unnatürlich. Was ist denn so schlimm daran, Schwächen zu zeigen? Ich habe Schwächen. Manchmal bin ich verzweifelt. Manchmal habe ich Zukunftsängste. Und manchmal bin ich verliebt. Und manchmal wurde ich verletzt. Und manchmal bin ich auch stark. Manchmal sage ich den Leuten meine Meinung ins Gesicht. Manchmal halte ich meine Meinung eher zurück und bereue es dann später. Wir sind wirklich subtile, vielschichtige Vielschichtsalate und so will ich auch meine Alben gestalten. Klar ist es für die Leute dadurch auch manchmal schwieriger zu greifen. Die hören eine Single, aber können noch lange nicht auf mein Album schließen, auch wenn sie das denken. Nur weil sie vielleicht zwei Lieder von mir kennen, können sie noch lange nicht auf mein Album schließen. Es gibt natürlich diese Singletauglicheren Videos, aber das Album ist wirklich facettenreich. Das kann ich den Leuten glaube ich nur Schritt für Schritt näher bringen. Es gibt immer mehr Leute die meine Musik hören und hoffentlich nicht so oft downloaden.  Wie reagierst du denn dann auf sehr negative Kritik deiner Kunst gegenüber? Die Musik ist ja etwas persönliches, dadurch wird die Kritik persönlich.
Ich hatte das noch nie. Man kann einen unterschiedlichen Geschmack haben. Der eine hebt den Song positiv hervor, den ein anderer negativ hervorgehoben hat. Über Geschmack lässt sich köstlich streiten und auch bei einem Wein und einem leckeren Käse ein ganzer Abend köstlich verbringen. Aber ich glaube bei aller Bescheidenheit muss man mir, wenn man mein Album und nicht nur die Single durchhört, die Kreativität und den Mut Neues zu entwickeln und dadurch neue Facetten von Hiphop aufzudecken, anrechnen. Dadurch glaube ich nicht, dass wirklich negative Kritik entstehen kann, wenn sich jemand wirklich mit dem Album beschäftigt hat. Dafür rappe ich zu gut, dafür ist die Musik zu gut und dafür habe ich mich zu lange damit beschäftigt. Wenn du schreibst, hast du dann eine bestimmte Fan Klientel im Kopf, die du auf jeden Fall erreichen willst?
Das Größenwahnsinnige an mir ist, dass ich eigentlich jeden erreichen will. Mein Hauptziel, wenn ich Texte schreibe, ist, dass es nicht nur akustisch, sondern auch sinngemäß verständlich für jeden ist. Für alle Menschen. Ich rede über Emotionen, ich rede über Humor, ich rede auch über die Worte die ich benutze. Ich würde nie so ein Fremdwörtermassaker machen, nur um zu zeigen wie klug ich bin und damit vielleicht die etwas ungebildeteren Menschen außer Acht lassen. Ohne zu primitiv zu werden, aber diese Einfachheit ist mir schon sehr wichtig. Am liebsten wäre es mir, wenn das ein Volksding wird. Also einfach Szenenübergreifend. Das merke ich auch an vielen meiner Fans, die gar nicht so die Hiphopper sind.
  Wie bei Casper und K.I.Z beispielsweise auch.
Ja, das finde ich sehr gut. Ich finde es auch blöd, wenn ich irgendwelche Leute am Hauptbahnhof sehe, mit langen Haaren, Stiefeln und T-Shirts, auf denen Anti Hiphop oder etwas ähnliches steht. Die Leute verstehen das nicht richtig. Ich finde es schade, dass Hiphop dieses Image hat. Dieses Feindselige, dieses Intolerante, dieses Gegen-Schwächere-Gehende. Das ist ja genau das, was die Leute zur Zeit gerne tun. Ob das Schwule sind, Frauen oder Brillenträger. Einfach immer auf die Schwachen. Ich kann schon verstehen, dass das denen, die Rap von außen betrachten, missfällt. Aber ich glaube Rap ist nie Scheiße. Rap ist geil. Rapper sind scheiße. Diese Kunst von Rap ist ein weißes Blatt Papier. Und ich finde es cool, dass ich dadurch Leuten und auch jungen Leuten Hiphop näher bringen kann. Dass die das gleiche Gefühl haben können, dass ich damals hatte, als ich meinen ersten Rap gehört habe, der mich geflasht hat. Und vielleicht, davon inspiriert, selber anfangen zu rappen. Ich fürchte die Konkurrenz ja nicht. Ich wünsche mir neue, geile Rapper, die Hiphop nach vorne bringen. Das bringt uns allen was. Wenn ich dadurch vielleicht andere, die gar nichts mit Hiphop zu tun gehabt hätten, dazu bringen kann, Hiphop noch mehr zu hören und auch andere Künstler neben mir zu hören, dann freut mich das. Genauso wie ein Casper oder K.I.Z das machen. Das freut mich. Marteria hat im Interview bei uns gesagt "Hiphop machen wir jetzt wieder geil!"
Hat er auch gemacht. Sehr gutes Album.

Die Welt ist schwul

Du hast ja grade selber die "Schwulendebatte" angesprochen. Warum wird in der Hiphop Szene "schwul" als Schimpfwort benutzt? Sind das alles verkappte Schwuchteln?
Nee. Das ist nicht nur im Hiphop ein Problem. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Ein Chauvie Problem.
Ja, oftmals nette Jungs die auf Chauvie machen. Gegen was rebellieren die? Ich meine, Hitler hat Schwule verfolgt und hat Schwule verbrannt oder vergast. Darüber reden die Leute zwar nicht, aber das ist ein Fakt. Und die machen das gleiche. Jetzt wieder. Das ist menschenfeindlich. Ich verstehe nicht, warum die Leute nicht diese Mindestintelligenz aufbringen können, diese Sachen etwas differenzierter zu sehen. In einem Menschen nicht nur die Oberfläche zu sehen. Nicht nur sein Verhalten. Vielleicht ist er ein netter Kerl, der sich um seine Mutter sorgt. Warum reduziert man diese Leute nur darauf, wo sie ihren Penis reinstecken? Zwei Frauen, die sich gegenseitig ablecken, hat der Rapper gerne im Video. Stell dir vor, du hast eine Rapperin und im Hintergrund schmatzen sich zwei Typen ab.
Das ist natürlich auch eine Frage der Ästhetik. Aber man muss das ja nicht schön finden, aber einfach respektieren, wenn sie sich lieben. Wie kann Liebe etwas Schlechtes sein? Ich frage mich auch, was diese Leute uns getan haben, dass wir so schlecht über sie reden? All die Leute, die Böses über die Welt gebracht haben, waren meines Wissens nach nicht schwul. Oder gibt es eine schwule terroristische Organisation? Es gibt bestimmt schwule Mörder und schwule Vergewaltiger. Aber die Leute beschweren sich doch auch, und ich beschwere mich iauch, wenn Ausländer wieder gewalttätig auffallen und ihre Herkunft bei der Berichterstattung im Mittelpunkt steht. Wieso wird es hervorgehoben, sobald ein Schwuler etwas macht? Genau der gleiche Gedanken Ansatz, aber diese Verknüpfung im Kopf funktioniert nicht. Im Endeffekt, wenn man es auf das Wesentliche konzentriert, auf die Schwulenfeindlichkeit, ist es natürlich das falsche Bild, was der Mensch hat. Die sagen, ein Mann muss sich so benehmen. Ein Mann muss so sein. Und ein Mann hat sich gefälligst so zu benehmen und eine Frau zu küssen. Dieses Bild eines Mannes wurde ihnen beigebracht. Ich sage auch immer Rassismus und Sexismus ist keine Schande, weil im Grunde genommen, psychologisch betrachtet, ist es nur eine komische, schiefgelaufene Verknüpfung im Kopf. Wir verknüpfen das mit etwas Negativem. Ein schwarzer Mensch ist schlecht. Das sind so Verknüpfungen im Kopf, die einfach irgendwann gesät wurden, so Inception- mäßig, eingepflanzt wurden. Oder anerzogen. Dafür kannst du sie nicht verantwortlich machen, ich kann nur an sie appellieren: Schwule wollen auch nur ihr Leben leben, es gibt Drecksschweine unter denen. Und es gibt Wohltäter unter ihnen. Genauso wie unter uns. Was normal ist, entscheidet sich nicht auf der Erde. Das entscheidet sich in Lichtjahren oder es wird nie entschieden. Das Leben ist wie es ist. Akzeptiert es. Nur weil Schwule eine Minderheit sind, heißt das nicht, dass das nicht normal ist.

Ich finde den Umgang von Rap mit Homosexualität schon interessant, wenn man sich da den Freudschen Gedankengang packt, dass jeder Mensch bisexuelle Adern hat. Freud würde sich denken: "Der, der am lautesten schreit, hat wahrscheinlich eine stärker ausgeprägte Homo-Ader als er sich eingestehen will".
Ich glaube, das ist bei jedem eben entweder stärker oder schwächer ausgeprägt. Der Lauteste ist auch nicht immer der Stärkste. Und hat auch nicht immer Recht. Ich will G-Hot nicht unterstellen, dass er irgendwelche homosexuellen Gedanken hat. Irgendwelche Freudschen Sachen. Das trifft ja auch nicht immer zu. Dass hieße ja auch, dass jeder Rassist im tiefsten Innern Ausländer ist... Ich glaube nicht, dass das so ist. Ich kann nur appellieren sich locker zu machen. Es gibt einfach andere Feinde, gegen die man ankämpfen kann. 

Keine Toleranz für Intoleranz

Du bist in Düsseldorf aufgewachsen oder? Düsseldorf hat eine große japanische Community. Ich habe irgendwo mal rausgehört, dass deine Mama eine Japanerin an deiner Seite sehen wollen würde.
Nicht direkt. Ich bin in Hilden geboren. Meine Mutter kommuniziert das nicht direkt oder zwingt mich zu irgendwas, aber sie würde sich sicherlich freuen, wenn ich eine japanische Freundin mit nach Hause bringen würde. Trotzdem ist das nicht ihr Wunsch. Ich bin von Kind auf Mamas Liebling. Zum Glück. Vielleicht bin ich auch deswegen so ein offener Kerl, weil meine Mutter nie irgendwelche Leute ausgegrenzt hat. Nie gesagt hat Schwule oder irgendwelche Rassen sind scheiße. Sie stand so etwas immer sehr negativ gegenüber. Japanerinnen sind natürlich auch sehr schöne Mädchen, aber ich bin eher auf der Jagd nach exotischen Frauen. Ich mag Mischungen. Ich habe mittlerweile quasi auch schon eine Weltreise gemacht. Die Mädchen sind zwar nicht immer leicht, aber temperamentvoll.
  Findest du denn, dass die Integration hier in Düsseldorf funktioniert?
Ich habe bei Das Ding ein Interview mit Dele von Seeed gehabt. Sehr interessante Gespräche, sehr cooler Typ. Da haben wir auch rüber das Thema gesprochen. Das ist durch Sarrazin und Harris im Bundestag ja sehr hochgeschaukelt worden. Klar, Harris hat das auch in viele Medien gebracht. Auch in die großen, meinungsbildenden Medien und auch in vernünftige Öffentlich-Rechtliche.
Weiß ich nicht, ob die vernünftig sind. Klar, es kommt auch immer auf das Format an. Wir haben ja bei Plasberg gesehen, wie er Kaas fertig gemacht hat, nach dem Amoklauf in Winnenden.
Das ist ein alter Mann, der versteht Hiphop nicht. Ich glaube, durch dieses Hochschaukeln in den Medien entstehen Amokläufe. Durch Plasberg entstehen Amokläufe. Diese Aufmerksamkeit ist das, wonach diese Leute lechzen. Also hat Plasberg den Amoklauf verschuldet. [lachen] So wie Martin Semmelrogge in dem Skit bei Prinz Pi sagt : "Mit diesem Ding baller ich mich direkt in die Geschichte" Aber zurück zur Integrationsdebatte, weil die ja noch nicht genug durchgekaut wurde.
Ich finde, das wurde immer ziemlich falsch durchgekaut. Ich bin absolut integriert. Aber ob sie falsch oder richtig sind, man sollte fragen: Was hat Sarrazin mit seinen Aussagen erreicht? Er hat nur bewirkt, dass die Schlucht zwischen Deutschen und Ausländern weiter aufgerissen wurde. Das ist das Einzige, was er erreicht hat. Dasm, und dass man Deutsche jetzt wieder für Nazis hält.Integration funktioniert nur von Mensch zu Mensch, nicht durch einen Sarrazin . oder eine Merkel . Die ganzen Medien, die da drauf gehen, egal ob das ein Spiegel ist oder eine Bild Zeitung, haben meiner Meinung nach die größte Schuld daran, dass sich die Leute immer mehr voneinander entfernen. Die schüren den Hass. Dadurch, dass sie schreiben: "Fiese Ausländer mobben deutsche Kinder in Schulen" verstärken sie nicht nur, dass die Deutschen keinen Bock mehr auf Ausländer haben, genauso fühlt sich der türkische Kiosk Besitzer angegriffen. Wir sehen die Welt durch Google und die Bild Zeitung. Er ist natürlich existent, der Rassismus von Ausländern gegen Deutsche. Aber durch die drastische, emotionale Berichterstattung wird das ganze Problem nur größer. Integration kann nur anfangen, wenn man sich mit Respekt entgegentritt. Jeder muss etwas dafür tun. Was wundern sich die Leute in Amerika denn darüber, dass Obama gar nicht so viel gebracht hat? Was dachten die denn? Ein Typ kommt und entscheidet und dann ist das Land auf einmal wieder obenauf? Wir leben in einer Gesellschaft. Jeder muss dazu etwas beitragen. Man kann sich nicht weiterhin auf die Couch setzten, im Internet onanieren und denken die Welt wird besser, nur weil ich einen Menschen gesät habe. Ich muss auf die Straße gehen und die Kommunikation suchen. Ich muss in der Kneipe dazwischen gehen wenn da rassistische Formulierungen getätigt werden und vielleicht eine produktive Diskussion anheizen. Der einzige Weg Integration zu fördern. Klar, die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Die Leute sagen, Ausländer sollen Deutschkurse mache. Die Deutschkurse sind überfüllt. Die Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, dafür sind Politiker zuständig. Und nur dafür. Die sollen mir nicht erzählen, was ich als Ausländer zu tun habe, oder wie ich mich zu integrieren habe, die haben damit nichts zu tun und tun am wenigsten dafür. Die entscheiden nur irgendwas. Wir als das Volk müssen uns annähern. Egal ob als Ausländer oder als Deutscher, oder als was auch immer. Respekt ist wichtig. Wenn du auf der Straße irgendwelche Leute dumm anmachst, egal ob du ein Deutscher bist oder ein Ausländer, bekommst du keinen Respekt. Du darfst dich dann nicht wundern, wenn Leute dich nicht mögen. Dann ist da dieses Umgekehrte: "Dieser Nazi mag mich nur nicht, weil ich Ausländer bin." Nein! Weil du dich scheiße verhältst. Das ist doch klar. Ich bin der Toleranzminister in der Hiphop Szene, aber ich habe absolut keine Toleranz für Intoleranz. Da halte ich den Finger rein. Ich finde nicht, dass nur die Ausländer oder nur die Deutschen etwas tun müssen. Wir müssen beide etwas tun. Das ist der einzige Weg, wie man Integration schaffen kann. Hau doch noch mal die obligatorischen letzten Worte raus...
Fördert Hiphop und Hiphop.de . Guckt mal ein bisschen über den Tellerrand. Und wenn ihr Bock habt, kauft mein Album auf hipstore.de . Da gibt es auch das unterschriebene Album von mir zu kaufen. Und T-Shirts kannst du da auch ergattern. Ansonsten kauft auch CDs von anderen Künstlern, kauft generell CDs. Und bleibt grade, weil alles kommt irgendwann auf euch zurück.