Action Bronson, der hungrige Michael Jackson des Boom-Bap-Sounds?! (Interview)

"Vom Tellerwäscher zum Millionär" ist die veraltete Version von dem, was Action Bronson durchmacht. Als gelernter Profikoch bricht sich Bronsolino ein Bein und fängt an zu rappen. Natürlich. Mittlerweile hinterlässt der gebürtige New Yorker als einer der wenigen Soldaten, die dem typischen Boom-Bap-Sound von Hiphops Mekkah treu geblieben sind, bei Fans und Rap-Experten gleichermaßen enormen Eindruck. Sein Debütalbum Mr. Wonderful kommt Ende März und muss gigantischen Erwartungen standhalten – irritieren tut das Bronson nicht. Stattdessen kündigt er schon seine nächsten Pläne an, erzählt, was man zum Album essen sollte und inwieweit ihm seine albanischen Wurzeln musikalisch helfen...

Alle Informationen zu Mr. Wonderful findest in unserer Release Section und auf Amazon:

[amazon B00TA6L6O4 full]

Dein neues Album Mr. Wonderful ist bereit, auf die Welt losgelassen zu werden. Was uns musikalisch erwartet, kann man sich ja eigentlich fast denken. Was erwartest du dir vom Albumrelease? 

Oh, wir hoffen einfach auf das bestmögliche Ergebnis. Das beste Szenario wäre, wenn ich bis nächstes Jahr um die gleiche Zeit den Michael Jackson-Status erreicht hätte. Also hoffen wir einfach mal.

Das würde mich nicht wundern angesichts des Stellenwertes, den du bei Rap-Experten momentan genießt. Viele sehen dich als denjenigen, der den klassischen New Yorker Boom-Bap-Sound wiederbelebt. Bist du dir dessen bewusst, wenn du schreibst?

Ich meine, naja, ich kriege das schon mit. Ich verstehe sehr gut, was ich für Musik mache. Das will ich auch genauso machen, weil es mir gefällt und ich damit aufgewachsen bin. Ich mache das nicht in erster Linie, um irgendetwas wiederzubeleben. Ich liebe classic hiphop. Ich muss aber zusehen, wie ich dem eine persönliche, aktuelle Note verleihen kann. Die Kids heutzutage sind nicht dumm. Wenn ihnen meine Musik gefällt, gehen sie ein paar Jahre zurück und hören sich das alte, originale Zeug an. Also muss ich mich doch schon etwas davon absetzen. Aber im Großen und Ganzen kommt die Wiedergeburt vom guten alten Hiphop zurück, denke ich. Es kann nicht nur den Club-Shit geben, es müssen auch Lyrics und raue Sachen rauskommen. Das wird schon.

Du sprichst das schon an. Hat die Sound-Entwicklung der letzen Jahre in New York für dich persönlich ein Problem dargestellt? Stört es dich, dass sich die Künstler immer und immer mehr am Südstaaten-Sound orientieren oder ignorierst du das?

Nein, für mich war das nie ein Problem. Ich war noch nie ein Mitläufer – sollen die ruhig die Musik machen, die sie machen wollen. Einfach jemandem oder etwas nachmachen bringt dich nie wirklich weit. Ich will der ganzen Hiphop-Geschichte ja auch meinen eigenen Stempel aufdrücken. Ich sag auch gar nichts gegen den Style aus dem Süden. Ich sag nur was gegen diese spezielle Art zu rappen... einfach irgendwas Behämmertes in der Hook zu wiederholen und das war's. Das hat überhaupt keine Substanz und ist erst recht nicht zeitlos. Finde ich. Das ist cool für den Moment, aber es wird nicht so lange überleben. In 20 oder 30 Jahren – vielleicht liege ich auch total falsch –, aber für mich ist das nicht zeitlos. Wenn ich zeitlose Musik höre, ist es Motown oder so. Classic.

Wie gehst du an die Arbeit heran, um zeitlose Musik zu machen? Gibt es etwas Bestimmtes im Studio, um dich in die richtige Stimmung zu bringen?

Eigentlich... hm... ich weiß nicht. Es muss einfach bequem sein. (lacht) Vielleicht ein bisschen high oder ein bisschen betrunken oder sonst was. Es kann sogar Wasser sein. Wenn einem irgendwas im Studio fehlt, macht es die Stimmung kaputt. Ich kann das gar nicht so speziell sagen, es muss mir einfach gut gehen. Manchmal muss man alleine sein, manchmal brauche ich zehn Leute im Studio. Hauptsache, keine schlechte Stimmung oder stressige Vibes, das kann ich ganz klar sagen.

Gab es für dich als professionellen Koch vielleicht ein Gericht, das dich während der Albumphase besonders motiviert hat? Oder eines, was du beim Zuhören des Albums empfehlen kannst?

Das kann ich dir nicht verraten, aus einem guten Grund: Ich werde bald – in ganz naher Zukunft – so etwas wie ein visuelles Menü veröffentlichen, das du zum Album essen kannst. Sollst. Das ist ein Befehl.

Fantastisch, ein ganzes Wohlfühlpaket. Bei Fuck That's Delicious kann man sich ja seit über einem Jahr einen Eindruck verschaffen, wie du kochst und was du gerne isst. Ist das genau so eine Leidenschaft wie Hiphop für dich?

Eine Million Prozent. Kochen ist eine unfassbare Leidenschaft für mich. Das Verrückteste daran ist die Tatsache, dass ich mir mein ganzes Leben lang in der Kochwelt einen Namen machen wollte. Und jetzt hat das über diesen Umweg der Musik geklappt. Irgendwie komisch. Nicht dadurch, dass ich etwa jahrelang in der Küche gestanden hätte. Das ist unglaublich, dass ich dort so erfolgreich bin. Unglaublich geil. 

Schlagen wir mal den Bogen zur Musik. Vor wenigen Tagen hast du Baby Blue veröffentlicht und durchweg positive Resonanzen erhalten. Ob von Experten wie Peter Rosenberg oder Fans und Kritikern im Internet. Hast du ahnen können, dass das vielleicht der eine große Hit werden könnte?

Ja. (lacht) Wenn ich mich für einen einzigen Song entscheiden müsste, hinter den ich mich stelle, wäre es Baby Blue. Das ist das beste Beispiel für zeitlose Musik – so hört es sich für mich an. Alle, die daran gearbeitet haben, haben einen perfekten Job gemacht. Mark Ronson, Zane Lowe, Chance. Einfach zeitlos. Es sind natürlich nicht alle Tracks auf dem Album zeitlos und sofort Klassiker, das ist unmöglich. Aber wenn ich mich für einen zeitlosen Song auf dem Album entscheiden müsste, würde ich den wählen. Da kann ich nicht lügen.

Also gibt's bald auch ein Video dazu?

Klar, ich fliege die nächsten Tage nach Los Angeles um es zu schießen.

Audio-URL

Apropos Videos. Du sagtest, du schaust dir gerne verrückte Filme und Szenen an, um dich für Musikvideos inspirieren zu lassen. Bei Easy Rider kommt man schnell auf die Quelle – aber was hast du dir für Actin Crazy reingezogen?

(lacht) Bei dem habe ich keinen Film geguckt – nein, warte, doch. Cool World, so ein seltsamer Streifen von 1992. Da mischen die echte Aufnahmen mit Cartoon-Animationen. Die Inspiration kam dann irgendwie daher. Aber die Story ist eine ganz andere. Wir wollten einfach schwachsinnige Sachen mit dem Green Screen machen und den Zuschauern zeigen, wie das abläuft. Ihnen so einen kleinen Einblick schenken. Die Jungs von SYNDROME haben das richtig gut hinbekommen. Weißt du was? Ich bin ehrlich, beim ersten Anschauen hab ich mich nicht so richtig damit anfreunden können. Das hat ein paar Tage gedauert, bis ich mir dann gedacht habe: "Fuck it, wir hauen's einfach raus!" Die Reaktionen darauf waren dann aber super. Vielleicht war ich einfach zu nah am Herd, zu sehr in der Umsetzung involviert, um zu realisieren, wie gut es ist.

Bei Sway hast du erzählt, dass du dir aus jedem Land, das du besuchst – sei es irgendwo in Afrika oder in der Türkei – immer Musik mitnimmst, um sie in deiner eigenen zu verarbeiten. Quasi extremes Crate Digging. Du bist selbst halb-albanischer Abstammung. Bist du deswegen auch teils mit albanischer Musik großgeworden und hast immer diese Offenohrigkeit zu ungewöhnlichen Sounds besessen? 

Ja, auf jeden Fall. Musik war immer ein gigantischer Teil meines Lebens. Wenn wir auf Familienpartys oder so gegangen sind, waren einfach alle in irgendeiner Weise Musiker. Wenn da nicht albanische Musik lief, dann haben wir selbst Musik gemacht. Der Sound steckte also auch schon immer in mir drin. Mein Vater ist auch Musiker, Gitarrist. Meine Mutter singt. Diese Einflüsse waren immer um mich herum. Dann, als ich ein bisschen gereist bin, nein, eigentlich als ich so richtig begonnen hab, mit Alchemist zu chillen, da habe ich wirklich verstanden, was man mit den ganzen exotischen Sounds anstellen kann. Dass ich mir von überall, wo ich lande, Musik anschaffen muss, um diese ungewöhnlichen Zutaten zu haben.

Neben Alchemist und Mark Ronson hast du unter anderem auch mit Statik Selektah und Drakes Hausproduzent 40 gearbeitet. Das ist eine ganz schöne Bandbreite an gestandenen Produzenten. Gibt es eine Gemeinsamkeit, die diese Leute im Studio ähnlich machen?

Die sind alle gleich, und die sind alle verschieden. (lacht) Jeder von denen hat seinen eigenen sorgfältigen Stil zu arbeiten. Und das Wichtigste ist, dass jeder es schafft, das Beste aus mir herauszubekommen. Die Chemie zwischen einem Produzenten und dem Rapper ist einer solcher Dinge, die man schwer in Worte fassen kann. Wie ich mich immer mit Party Supplies in einem Vibe befinde, ist zum Beispiel etwas Einzigartiges. Weil wir neben der Arbeit auch so oft und lange miteinander chillen. Alchemist genauso. Statik auch. Mit Mark Ronson hat es eine Weile gedauert, bis wir endlich die Zeit füreinander gefunden haben. So verrückt, wie es immer ist, war es auch dieses Mal. Der Song – Baby Blue – passierte an meinem letzten Tag in London. Als ich dann gefühlt habe, in welche Richtung es geht, musste ich meinen Trip verlängern. In den fünf Tagen davor haben wir wirklich gar nichts gebacken bekommen, aber dann funktionierte es plötzlich. Man kann es einfach nicht erzwingen. Am letzten Abend hat er dann irgendwas auf dem Piano gespielt und ich wusste direkt, dass ich länger bleiben muss. Man weiß nie, wann es funkt. 

Mit 40 hast du tatsächlich in Toronto gearbeitet. Habt ihr außer Actin Crazy auch noch andere Tracks gebastelt? 

40 ist mein Homie. Ich denke, dass wir jetzt für einige Zeit gemeinsam Musik machen werden. Man muss sich nur mal wieder sehen und treffen. Das letzte Mal haben wir aber tatsächlich nur Actin Crazy gemacht, keine anderen Tracks. Aber ich bin mir sicher, dass es noch passieren wird. Immerhin lehnt er eine ganze Menge Leute ab. Mit mir wollte er wirklich arbeiten, das war mir eine Ehre.

Party Supplies hast du ebenfalls angesprochen. Kann man sich das so vorstellen, dass ihr permanent miteinander arbeitet? Nach Blue Chips 1 und 2 hast du ja schon den siebten Teil angekündigt – was ist mit den anderen passiert?

Scheiß auf 3, 4, 5 und 6. (lacht) Aber ja, wir arbeiten ständig. Wir haben unendlich viele Songs gemeinsam. Da müssen wir uns nicht einsperren, um an einem bestimmten Projekt zu arbeiten. Nachdem mein Hauptprojekt Mr. Wonderful vorüber ist, widme ich mich aber direkt den nächsten Dingen. Neben Blue Chips 7 kommt mit Alchemist definitiv etwas. Da kommt noch einiges. Wie gesagt, ich versuche hier meinen Stempel aufzudrücken. Dafür muss ich noch hart arbeiten.

Du hast so viele hervorstechende Merkmale. Neben deinem Rapstil und dem Essen gehört mit Sicherheit auch die Bühnenshow dazu. Man bekommt als Zuschauer das Gefühl, jedes Mal mit einer einzigartigen Story nach Hause zu gehen. Dieses Jahr steht wieder das Coachella für dich an. Und eine Welttournee. Ist dieses Mal etwas anders als sonst?

Dieses Mal wird es wahrscheinlich etwas größer, aber das Coachella ist immer dope. Jedes Mal, wenn man auftritt, sollte man einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Egal, wo man ist. Man muss immer 100% geben und die Leute überzeugen. Die Besucher sollen weitersagen, wie geil es war und nächstes Mal wieder kommen.

Welttournee bedeutet dementsprechend auch, dass du nach Deutschland kommen wirst, oder?

Ja, auf der europäischen Tour werde ich auch nach Deutschland kommen, auf jeden Fall. Deutschland, Großbritannien, ich bin am Start.

Bestens. Wir freuen uns. Erstmal aber werden wir Mr. Wonderful in Hülle und Fülle genießen. Vielen Dank für deine Zeit!

Danke Dir für deine Zeit! Und danke jedem, der mich da draußen unterstützt! Ich kriege das mit. Ich weiß das zu schätzen. Peace!

___________________________________

Interview: Aria Nejati
Foto: Youtube