Rapper als Stilikonen, inszenierte Hypes & mehr: Der Macher des Dead Stock Sneakerblogs im Interview


Als wir den Flur seiner Wohnung betreten, wird schnell klar, welcher Leidenschaft Christopher Blumenthal nachgeht. Der Eingang ist vollgestellt mit fein säuberlich sortierten Schuhkartons. Ein weiteres Zimmer komplettiert den Eindruck: teils bis unter die Decke gestapelt oder in Regalen aufgereiht, bewahrt er seine Sammlung auf. Geschätzte 400 Paar Schuhe besitzt Christopher Blumenthal. Der Betreiber des Dead Stock Sneakerblogs gilt als einer der aktivsten Sneakerblogger der Szene. Er nimmt seine Community via Instagram mit auf Events und zeigt ihnen die neuesten Looks der Sneaker- und Fashionwelt. Die Community vertraut dem Geschmack des 33-Jährigen so sehr, dass er im vergangenen Jahr eine eigene Brand aus dem Boden stampfte. Als erster Sneakerblogger mit eigener Marke ist er damit ein Pionier, dessen Meinung in der Szene und bei den großen Brands immer wieder gefragt ist. Wir haben uns mit Christopher über die Entwicklung seines Blogs und der Szene, über mehr oder weniger modebewusste Rapper und Hypes unterhalten. 

Weißt du, was du und RIN gemeinsamen haben?

(überlegt) Erstmal nicht. Dass wir beide um 12 Uhr Supreme kaufen vielleicht?

Ihr seid beide von Kai Pflaume im Internet verbal rasiert worden.

(lacht) Oh, Shit! Das stimmt. Das war als wir zusammen im "The Sneakers Society"-Stammtisch des Praise Mags saßen. Da haben wir über einen Schuh geredet, den wir beide haben. Ich habe da was durcheinandergeworfen.

Erzähl‘ das mal aus deiner Sicht.

Es ging um den Adidas ZX8000 aus dem „Fall of the Wall“-Pack. Da gab es drei verschiedene Colorways und wir beide haben den „Charlie“ Colorway, der auf den berühmten Checkpoint anspielt. Ich habe dann gefragt, in welcher Farbe er den „Charlie“ hat, obwohl es ihn natürlich nur in einer Farbe gibt. Kai hat mich dann verbessert. Das war etwas peinlich (lacht). Tatsächlich war es live auch noch schlimmer als es in der Version auf YouTube wirkt. 

Auf dem eigenen Fachgebiet vorgeführt worden?

So fühlte es sich an. War auch ein ziemliches Gelächter am Tisch. Vom Kai aber überhaupt nicht böse gemeint. Da hat sich meine große Schnauze gerächt (lacht). Kai ist übrigens ein total netter und korrekter Typ, der viel Leidenschaft für Sneaker hat.

An deiner Reputation in der Szene hat das aber nicht wirklich etwas geändert. Du giltst als einer der wichtigsten Sneaker-Blogger Deutschlands. Seit wann gibt es den Dead Stock Sneakerblog?

(überlegt) Seit 2013. Wir sind dieses Jahr fünf Jahre alt geworden und ich habe das gar nicht zelebriert – wie doof von mir. Wir sind also im sechsten Jahr. Seit drei Jahren mache ich das hauptberuflich.

Wie kam es zu der Idee? Hattest du Vorbilder?

Damals habe ich gerne den Blog meines heutigen Kumpels Sneakerb0b gelesen. Er war einer der Ersten, die sich in dem Bereich etabliert haben. Für Schuhe habe ich mich immer schon interessiert. Als Teenie habe ich die Chucks von Converse gesammelt – da hatte ich so knapp 100 Paar. Irgendwann habe ich mich dann Richtung Sneaker und Turnschuhe entwickelt. Als ich mir dann relativ schnell sehr viele Schuhe kaufte, fiel mir auf, dass das finanziell recht eng ist alles (lacht). Dann habe ich überlegt, wie ich da vielleicht günstiger oder umsonst drankommen kann.

Die Idee entstand also tatsächlich aus einem kommerziellen Gedanken heraus?

Nicht direkt kommerziell, aber ich hatte zumindest einen finanziellen Hintergedanken dabei. Ziel war es, günstiger an Schuhe zu kommen. In erster Linie ging es darum, dieses teure Hobby zu finanzieren.

Wann hast du entschieden, dich voll auf den Blog zu konzentrieren und deinen „alten“ Beruf ruhen zu lassen?

Das war vor ungefähr drei Jahren. So richtig geplant war das aber nicht. Ich hatte eine Ausbildung bei einem Betrieb für Küchen- und Haushaltsartikel gemacht und danach als Einkaufsleiter dort gearbeitet. Der Betrieb gehörte einer älteren Dame, die ihn irgendwann schloss, so dass ich zur Konkurrenz wechseln musste. Da gefiel es mir überhaupt nicht und ich hatte zu der Zeit schon erste Einkünfte aus dem Blog. Dann sind die Firma und ich getrennte Wege gegangen …

… und du hast entschieden, in Vollzeit den Blog zu betreiben?

Eher habe ich entschieden, auszuprobieren, ob es so läuft, wie ich mir das vorstelle. Und es lief besser. Das war die beste Entscheidung meines Lebens.

Betreibst du den Dead Stock Sneakerblog alleine?

Ich bin Inhaber und Gesicht des Blogs, habe allerdings ein kleines Team um mich herum. Meine fleißige Redakteurin Tanja schreibt Beiträge für mich. Mein bester Freund Damian hilft mir bei der Aktualisierung der Releases auf der Seite und Roman kümmert sich um das Webdesign.

Hat sich die Szene seit dem Start deines Blogs gewandelt?

Es ist schwierig zu bewerten, weil die Szene sehr vielfältig ist. Es gibt die Runner-Fans, die auf spitz geschnittene Trainer abgehen. Es gibt die Basketball-Leute, die sich für den Oberbegriff Sneaker interessieren, aber mit dem ganzen Jordan-Thema eigentlich ihr eigenes Ding machen und dann gibt es mittlerweile viele neue und sehr junge Leute, die sich weniger festlegen.

Die Leute in der Szene haben sich also auch gewandelt?

Naja. Viele „alte Hasen“ haben sich aus dem Game etwas zurückgezogen, weil sie mit bestimmten Entwicklungen nichts mehr anfangen konnten. Da geht es dann meistens um das Stichwort Hype. Natürlich gab es auch früher Schuhe, die extrem beliebt waren. Aber heute hat sich das quasi alles verdreifacht.

Wie äußert sich das?

Das Phänomen der Campout-Nächte vor dem Release angesagter Modelle gab es früher schon. Heute hast du bei Online-Raffles tausende Leute, die sich eintragen, um einen Schuh kaufen zu dürfen. Die Szene ist einfach unglaublich groß geworden. Das ist nicht mehr die Nische, die die „Sneakerheads" von früher kennen.

Glaubst du, dass der Hype auch wieder abnehmen wird?

Grundsätzlich nimmt jeder Hype wieder ab – oder verschwindet sogar ganz. In der Branche gibt es unter den Brands immer mal wieder Ups und Downs. In den letzten zwei Jahren hatten wir in der Szene einen unglaublichen Adidas-Hype, der sich in Modellen wie NMD, Ultraboost oder Yeezy niedergeschlagen hat. Der ist auch immer noch irgendwie vorhanden, er ist aber breiter geworden, weil sie merken, dass Nike wieder am Zug ist. Diese beiden großen Brands wechseln sich immer wieder ab und treiben das Game voran.

Du glaubst also, dass – so lange die Marken innovativ sind – der Hype bestehen bleibt?

Genau. Was Adidas zum Beispiel mit den NMDs oder Yeezys geschafft hat, versucht Nike jetzt mit Off-White. So lange die großen Brands gute Arbeit machen, sehe ich kein Ende.

Kann es nicht sein, dass die Leute irgendwann einfach keine Sneaker mehr tragen?

Seit wann gibt es Turnschuhe denn überhaupt? Seit Ende der 1970er oder Anfang der 80er Jahre vielleicht. Und seit wann stehen Turnschuhe als Modeaccessoire im Fokus? Ich würde sagen, dass es mit Michael Jordan und RUN DMC angefangen hat. Das Ganze ist also noch sehr jung. Die Frage, ob der Trend Turnschuhe zu tragen nicht irgendwann wieder endet, habe ich mit meiner Mutter diskutiert. Sie hat dann gefragt: „Was sollen junge Menschen denn stattdessen tragen?“ Ich glaube, dass sie weitgehend Recht hat. Es wird zwar Veränderungen der Sneaker geben und es wird auch immer neue Trends geben oder einfach Leute, die keine Sneaker tragen. Trotzdem werden Turnschuhe nie mehr ganz verschwinden und es wird auch immer Menschen geben, die besondere Modelle tragen wollen.  

Trotzdem hast du dieses Jahr entschieden mit Dead Stuff deine eigene Brand aus dem Boden zu stampfen. Stellst du dich damit breiter auf, um unabhängiger vom reinen Sneakergame zu werden?

Klar sehe ich das auch irgendwie als zweites Standbein. Die Idee kam aber eher aus der Community. Mich haben Leute immer wieder angehauen, ich solle eigenes Merch und Shirts machen. Jahrelang habe ich das nicht gewollt, weil die Qualität der Klamotten stimmen muss und das ist schwierig. Irgendwann habe ich mich aber mit meinem Kumpel Holger hingesetzt und entschieden, dass wir das jetzt machen. So sind die ersten beiden Kollektionen entstanden.

Dass deine Community, die dich für deine Expertise rund um Sneaker abonniert hat, Interesse an einer ganzen Kollektion äußert, zeigt doch, dass die Sneakerszene an die gesamte Fashionszene heranwächst, oder?

Auf jeden Fall. Klar war es schon früher so, dass es da Verbindungen gab. Aber in der Sneakerszene wurde früher einfach gefragt, was für einen Schuh man trägt. Daneben war vielleicht noch interessant, wie die Hose getragen wurde: Pinroll oder Joggerpants? Mittlerweile zählt das gesamte Outfit: Accessoires, Hose, Oberteil, Sonnenbrille und die Schuhe als eines der wichtigsten Details. Wenn wir heute einen Schuh featuren, dann präsentieren wir auch immer mindestens ein Bild mit einem Outfit. Diese Annäherung der Sneaker- und der Fashionszene macht sich auch bei den ganzen High Fashionbrands bemerkbar, die eigene Sneaker und Kollaborationen mit Leuten aus der Szene machen.

Die Kaufkraft der Generation, die Sneaker als Teenies schon getragen haben, ist heute einfach höher.

Stimmt. Wobei ich heute bei vielen Kids echt verwundert bin, wenn die Schuhe für 250-300 € kaufen – das konnte ich damals nicht.

Da macht der Hype eben den Preis. Viele Schuhe sind heutzutage im Retail bereits deutlich teurer als früher. Spielt das nicht auch eine Rolle?

Schon. Da sind wir wieder beim Thema Hype. Wenn jetzt ein Air Max 1 gemeinsam mit Parra releast wird, dann wollen den alle haben. Im Endeffekt ist das aber kein anderer Schuh als der Air Max 1 im Sale aus dem Outlet. In dem Fall schafft es beispielsweise Nike einen Hype zu erzeugen. Genau wie andere Brands das tun. Wer das verstanden hat, der kann besser damit umgehen, wenn er einen bestimmten Schuh nicht bekommen hat und spart so vielleicht sogar einige Hundert Euro auf dem Resellmarkt.

Da hast du als Blogger, der viele Schuhe bekommt, natürlich leicht Reden, werden viele jetzt denken.

Viele sagen immer, dass ich sowieso jeden Schuh bekomme. Das ist effektiv nicht so. An viele Schuhe komme ich einfacher als die meisten Menschen. Wenn Nike aber die „The Ten“-Kollektion mit Off-White droppt, dann habe ich auch Probleme den zu bekommen.

Im Vorfeld des Gesprächs ist mir aufgefallen, dass du auf Instagram nur genau einen Hashtag abonniert hast: den deiner Heimatstadt Krefeld. Die meisten Blogger kommen eher aus Berlin und anderen Metropolen. Ist das deine bewusste Entscheidung zur Abgrenzung?

(lacht) Dass dir das mit dem Hashtag aufgefallen ist, finde ich witzig. Ich verfolge einfach gerne, was hier in Krefeld abgeht. Krefeld ist meine Heimatstadt und ich fühle mich hier wohl. In einer Stadt wie Berlin würde ich mich zu sehr reinziehen lassen und würde jedes berufliche oder private Event – davon gibt es in Berlin ja täglich welche – mitnehmen. Ich kenne Blogger, die sind aus diesem Grund aus Berlin weggezogen.

Vor einigen Wochen gab es einen kurzen Beitrag des YouTube-Channnels Jäger&Sammler zur Sneakerszene. Es ging um Arbeitsbedingungen bei den großen Brands. Adidas bringt gemeinsam mit Parley Schuhe aus recycletem Plastik heraus. Werden Themen wie Nachhaltigkeit auch in der Szene besprochen?

Adidas hat kürzlich sogar verkündet, ab 2024 nur noch Produkte aus recycleten Materialien verwenden zu wollen. Ich glaube aber, dass das Thema Nachhaltigkeit in unserer Szene keine große Rolle spielt. Die Leute regen sich zwar auf, wenn ihr Schuh zu sehr nach Kleber stinkt, aber am Ende ist es der Mehrheit – so glaube ich – egal, ob recyclete Materialien in den Schuhen verwendet wurden oder nicht. In unserer Szene leben die Adidas x Parley-Produkte eher von der Boost-Technologie. 

„Rapper heutzutage sind nur Modeblogger“ rappt Miami Yacine. Das Splash!-Mag hat die Frage diskutiert, ob Rapper die neuen Influencer seien. Was glaubst du?

Für mich sind Rapper keine Influencer, nur weil in ihren Storys Streetwear- und Sneaker ständig Thema sind. Für mich ist ein Influencer jemand, der von sich aus etwas, das er besonders feiert, an die Menschen weitergibt. Die Rapper werden aber von den Brands nur als Sprachrohr genutzt, weil sie eine krasse Reichweite haben.

Du hast also ein anderes Verständnis des Begriffs Influencer. Für die meisten Menschen ist ein Influencer jemand, der mittels Reichweite bestimmte Produkte bewirbt. So habe ich den Begriff auch genutzt.

Dann sind Rapper natürlich Influencer. Aus meiner Sicht werden sie aber von den Brands dazu gemacht. Für mich ist jemand wie qu0te, der aus eigenem Antrieb und purer Begeisterung eine riesige Adidas-Sammlung selbst zusammengestellt hat, eher Influencer, weil er es gemacht hat, bevor ihm jemand diesen Stempel „aufgedrückt“ hat. Trotzdem tragen die Kids Gucci-Taschen und Nike TNs, weil die Rapper es tragen. Aus modischen Gesichtspunkten finde ich aber vieles, was 187 macht, extrem hässlich - diese Team Platin-Sachen zum Beispiel. Dagegen gibt es aber Rapper, Ufo361 würde ich das unterstellen, die Ahnung haben von Klamotten.

Ich merke, dass du die Instagram Stories des Rapgames im Auge hast. Welchen Rap hörst du?

Sehr viel. Klar höre ich auch 187. Früher habe ich Bushido gefeiert und bin mit der Sekte, Orgi und so weiter aufgewachsen. Heute gebe ich mir noch immer vieles. Hafti ist natürlich King. Das ganze Drumherum schaue ich mir auch an. Deutschrap ist für mich in den letzten Jahren immer mehr zum Zirkus geworden.

Auch hier verändert der Erfolg eine Szene und dessen Wahrnehmung.

Aus meiner Sicht ist Deutschrap eine Unterhaltungsindustrie geworden, die mich aber auch sehr gut unterhält (lacht). Grüße gehen raus an Fler!

Was ist dein Sneaker und Album des Jahres 2018 bisher?

Sneaker des Jahres sind für mich bisher Adidas‘ Yung-1 und Nikes M2K Tekno. Ein Album des Jahres gibt es bisher nicht, aber ich bin sehr gespannt was Capital Bra und Bushido zusammen auf die Beine stellen werden. 

Danke für das Gespräch.

Grüße an die Hiphop.de-Community. Falls ihr meine Arbeit verfolgen wollt, checkt vor allem unseren Sneaker Release Kalender. Egal ob für Adidas, Nike oder alle anderen Marken, da sind wir gut aufgestellt. Auch in unserer Sneaker-Sale Kategorie sind immer gute Angebote und Schnäppchen zu holen. Wer nicht ständig in den sozialen Medien rumhängt, der sollte vielleicht unseren WhatsApp-Newsletter nutzen. Die An- und Abmeldung ist absolut kostenlos und ihr werdet ständig über alle relevanten News aus der Szene informiert. For Free!