"Der Hype wird sich entwickeln": Ein Tag auf der Kölner Sneakerness

Am vergangenen Wochenende machte die Sneakerness in Köln Station. Wir haben uns am Samstag zur Eröffnung ein wenig umgeschaut und uns zwischen Sneakern, Streetwear, Foodtrucks, Games, Talkrunden und Hiphop-Kultur mit einigen Menschen unterhalten, die auf dem Event unterwegs waren.

Bereits auf dem Weg zur Sneakerness wird klar, worum es zwei Tage lang gehen wird. Die Dichte an ausgefallenen und gehypten Turnschuhen steigt spätestens auf den letzten paar hundert Metern merklich. Die Schlange vor dem ehemaligen Kölner Postamt ist lang.

Ein Sneaker-Event im Zeichen der Hiphop-Kultur

Vor etwa elf Jahren kaufte Sergio Muster bei eBay den Nike SB „Dia de los Muertos“, der zu seiner Zeit nur in Nordamerika erschienen war. „Zwischen 500 und 600 Dollar“ gingen damals, als der Dollar „noch mehr wert war“, über die virtuelle Ladentheke. 

„Ich wollte alles bieten, was es rund um die Hiphop-Kultur gibt. Mit dem Schwerpunkt Sneaker.“

Sergio studierte zu dieser Zeit. „Das war schon ein nettes Sümmchen“. Zumal er wenige Tage später Bilder seiner Errungenschaft auf Sneakerplay – einem sozialen Netzwerk für Sneakerheads – hochlud. „Da meldete sich dann einer, der meinte, er wolle kein Spielverderber sein, aber die seien gefaket“. In Zukunft wollte Sergio wissen, von wem er seine Schuhe kaufte.

Amrei Kehr beispielsweise bemalt Kleidungsstücke und Accessoires mit Motiven der (Pop-)Kultur. Klar, dass da auch verschiedene Rapmotive erscheinen.

 

In Bern geboren, soll die Sneakerness bald ein globales Event werden

Genau das ist die Vielfalt, die das Event für Sergio ausmacht. In einer Zeit, in der E-Commerce und soziale Netzwerke ihren Siegeszug begannen, wollte der heute 36-Jährige ein Angebot außerhalb der digitalen Welt schaffen. Nach einem knappen Jahr Planung war es 2008 so weit. Das erste Event stand in Bern an. Sergio und sein Team erwarteten 500 Besucherinnen und Besucher. Es kamen 1200 Turnschuhbegeisterte.

„Das war schon ein Schlüsselerlebnis“, erzählt Sergio stolz. Mittlerweile laufen die Planungen für eine Sneakerness in Südafrika und Russland. „Asien ist auch ein Traum von mir“, berichtet der Berner. Doch er sei für jedes Event dankbar. „Hikmet (Anm. d. Red.: Hikmet Sugoer ist der Gründer von Solebox und Sonra) hat in diesem Jahr hier in Köln einen Schuh releast. Das zeigt Wertschätzung und gibt mir ein gutes Gefühl“, freut sich Sergio darüber, dass auch aus der Szene Input kommt. Das führe zu mehr Vielfalt im Angebot.

Straßenfest oder Klassentreffen: Die Sneakerness bringt die Szene zusammen

Tatsächlich ist das Angebot in der großen Halle riesig. Große Shops wie Overkill, The Good Will Out oder 43einhalb haben Stände, auf denen sie verkaufen und mit den Leuten connecten. Und weil es sich bei ein paar Getränken besser quatschen lässt, hat 43einhalb sogar eine eigene Bar mit lokalen Spezialitäten aus Hessen aufgebaut. Und mittendrin stellt StockX besonders rare Stücke aus, wer Bock hat, kann ein paar Körbe werfen oder sich bei den Jungs und Mädels von Crep Protect die Schuhe reinigen und pflegen lassen. Ein wenig Straßenfest-Atmosphäre.

Oder wie es Simon Bus ausdrückt: „Ein Klassentreffen der Sneakerszene.“ Gemeinsam mit Amadeus Thüner nimmt er den Podcast „Oh, Schuhen!“ auf, in dem die beiden sämtliche Themen rund um Turnschuhe besprechen. In der kommenden Ausgabe wird es im Übrigen auch um das Wochenende in Köln gehen.

Amadeus lobt ebenfalls die Atmosphäre der Messe, auf der sich die Möglichkeit biete, Leute, „die man sonst aus dem Internet kennt“, zu treffen. „Man merkt, dass Sergio eine Menge Liebe in das Event steckt, um mehr zu bieten als nur ein Kaufen-Verkaufen-Event“, lobt er den Schweizer, bevor Amadeus und Simon in den Bus steigen, der sie zurück nach Düsseldorf bringt.

Die Sneakerness bringt verschiedene Generationen zusammen

Tatsächlich sieht man zwischen den Ständen immer wieder Gesichter, die in der Szene bekannt sind. Jannik und sein Großvater beispielsweise sind aus Mainz angereist. Fünfzig Jahre liegen zwischen den beiden. Anfang 2017 hatte Jannik die Idee, seinen Großvater in Streetwear-Klamotten zu stecken. 

„Das kam dann bei allen ganz gut an und wir haben es weitergemacht“. Mehr als 200.000 Leute folgen Jannik mittlerweile auf Instagram und begleiten das generationenverbindende Projekt. „Ich hatte keine Ahnung von den Klamotten, finde mich aber immer mehr rein“, lacht das gefragte Model und deutet auf seine Nike x Off White Air Prestos, während er erzählt, dass auch sein Freundeskreis begeistert reagierte.

Tatsächlich fällt Janniks Opa mit seinen 72 Jahren auf. Ansonsten endet das Altersspektrum eher so um die fünfzig. Der Großteil der Sneakerheads ist natürlich jünger. Um den Nachwuchs, so erzählt Sergio, müsse sich die Szene aktuell ohnehin keine Gedanken machen. Er habe beobachtet, dass immer jüngere Menschen zu den Events kommen. Das hängt sicher auch mit dem Hype zusammen, den Sneaker und Streetwear seit einigen Jahren erleben. Doch jeder Hype bringt genauso Kontroversen in der jeweiligen Szene mit sich.

Thema Reseller: Die Sneakerness bietet Raum für Kontroversen

Das Thema Reseller begleitet die Szene schon seit Jahren. Seit 2016 bietet die Plattform StockX Sneakerheads die Möglichkeit, sich über Wertentwicklungen verschiedener Modelle zu informieren und im Handel ausverkaufte Modelle zu den aktuellen Marktpreisen zu erwerben. StockX muss sich aber immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, Menschen zu ermutigen, Schuhe in Läden zu kaufen, um sie über StockX gewinnbringend zu veräußern. Am Ende würden die die Turnschuhfans zahlen, die die Schuhe wirklich rocken wollen, horrende Preise. Oder gehen leer aus. 

Dass es so einfach nicht ist, erklärte Derek Morrison, der bei StockX für den europäischen Markt verantwortlich ist, auf der Bühne des Fashion-Talks. Tatsächlich – das muss man ihm lassen – verhindert eine solche Plattform, dass Menschen hunderte Euro für Fakes ausgeben, wie es Sergio damals passierte.

StockX prüft die Modelle vor dem Verkauf.  

Rami Eiserfey, der Online-Redaktionsleiter des Praise-Mags, leitete den Talk. Direkt im Anschluss gibt er sich sehr zufrieden. „Da gab es natürlich auch Vorwürfe gegen StockX.“ Wichtig sei es aber, dass diskutiert werde. Die Szene verändere sich, es kämen jüngere Leute nach und da sei es eben wichtig, zu reden. Dabei könne es mal Streit geben, lacht er. Das sei aber besser, als wenn die Generationen sich ignorierten. Tatsächlich saß auf der Bühne Tamas Trunk. Der fünfzehn(!) Jahre alte Sneaker-Enthusiast aus Ungarn hat bereits ein Buch über Sneaker und die Generation Z geschrieben und ist Teil einer neuen Generation turnschuhbegeisterter Menschen.

Wann platzt die Sneaker-Blase?

„2012 war ich das erste Mal auf der Sneakerness hier in Köln. Da waren 500 Leute. Heute kommen fast zwanzig Mal so viele“, erzählt Rami. Obwohl Leute seit Jahren erzählten, dass die Sneaker-Blase bald platzt, gehe es gegenwärtig einfach immer weiter. Ähnlich wie Rami sieht das auch Sergio:

„Der Hype wird vielleicht nicht so raketenmäßg weitergehen wie aktuell, aber er wird sich weiterentwickeln. Turnschuhe sind überall angekommen und gehen auch nicht mehr weg.“

Schon vor Jahren hätten Leute ihm gesagt, dass er bald dicht machen könne, weil es ein kurzfristiges Phänomen sei, das vorbei gehe. Die Herausforderung sei es einfach, immer auf der Höhe zu bleiben. Er habe jedenfalls noch viel vor. Moskau, Johannesburg, Asien? Klingt nach großen Plänen und vielleicht weiteren zehn Jahren Sneakerness. Aus Bern in die weite Welt. Aber erstmal Rotterdam am ersten und zweiten Dezember.

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