Zwischen Elektro & Drill: Yeezus ist Kanye Wests abgehobenstes Album

Es ist der Geburtstag aller Geburtstage – Kanye Wests Manifest Yeezus ist heute sieben Jahre alt geworden und ist ziemlich gut gealtert. Das 10-Track Album hat eins seiner Versprechen wohl gehalten: Langweilig wurde es nicht. 

Rassismus, Hedonismus und Machtfantasien: Yeezus ist eine Achterbahn der Gefühle

Kanyes sechstes Album in ein paar Worten zu beschreiben, scheint auch Jahre später relativ schwer. Familiendramen, Gesellschaftskritik und Machtfantasien finden gleichermaßen Platz in seinen Texten und verschwimmen zwischen funkelnden Beats und Weltmusik-Samples. Während Kanye auf "New Slaves" noch über systematischen Rassismus rappt, widmet er sich auf "Guilt Trip" seinem Herzschmerz und vergleicht sich auf "I Am A God" kurzerhand mit Jesus. 

Wenn man dem Sound also immer noch nichts abgewinnen kann: Thematisch war wirklich für jeden was dabei. 

Die Yeezus-Zeit: Peinliche Instagram-Captions und High-Fashion-Ästhetik

Derweil konnte man schon 2013 Kanyes Faible für High-Fashion und abstrakte Kunst erkennen. Auf fast allen Konzerten zu Yeezus trug dieser nämlich obskure, steinchenbesetzte Maison Margiela-Gesichtsmasken und sorgte stets für eine abstrakte Bühnen-Inszenierung mit gesichtslosen Models, dessen Ästhetik er auch heute noch für seine Yeezy-Modenschau recycelt.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Welches Faible der Louis-Vuitton-Don schon damals nicht hatte, war das für komplexe Texte und Lyrik. Mit seichten Sprüchen wie "Success got 'em jealous" und "One good girl is worth a thousand b*tches" konnte er tiefgründige Denker nicht unbedingt abholen – dafür aber einen Haufen Instagram und Tumblr-User sowie Meme-Fans. Und immerhin gab es auch einzelne Highlights:

"You see it's broke-n*gga racism, that's that Don't touch anything in the store'/ And this rich-n*gga racism, that's that Come in, please buy more."

Von Elektro bis Dancehall: Genres haben für Yeezus keine Bedeutung

Yeezus war längst nicht jedermanns Sache. Kritiker*innen haben Kanyes Werk zwar hochgepriesen aber für viele Fans des Rappers galt das Projekt als eins seiner schwächeren. Grund dafür waren aber nicht die (für ihn typischen) Texte, sondern der genreübergreifende Anspruch. 

Mit Schwergewichten aus der progressiven Elektro-Szene wie Daft Punk und Gesaffelstein aber auch damaligen Newcomer*innen wie Arca und niemanden geringeren als Travis Scott hat er ein Potpourri an unterschiedlichen Musikrichtungen und Sounds kreiert. Mit dem Ziel etwas ganz neues, schockierendes zu erschaffen, hat sich Kanye aus jeder Ecke der Musiklandschaft einzelne Bausteine genommen. 

Aber nur weil etwas anders oder komisch ist, ist es nicht unbedingt revolutionär.

Yeezus ist nicht das neue 808s & Heartbreak geworden

Was Kanye mit dem disruptiven Sound von Yeezus angestrebt hat, war ihm kein Novum: Eine neue Ära einleiten und einen weiteren Höhepunkt in der eigenen Diskografie setzen. Das hatte er mit dem Klassiker 808s & Heartbreak schon mal geschafft. Dieses hat, gemeinsam mit Alben wie Drakes "So Far Gone", den Weg für eine ganze Rap-Strömung geebnet. Weiche Texte und ein romantischer Autotune-Sound – aber eben auch Rap und nicht RnB, Soul oder Pop. 

Dabei war der 808s & Heartbreak-Stil nicht allein Kanyes kreativen Genie geschuldet. Irgendwo zwischen Freundschaft, gemeinsamen Projekten und Feature-Parts hat sich Yeezy nämlich stark von Kid Cudi inspirieren lassen. Auch der krasse Sound von Yeezus war im Untergrund schon längst angekommen – und zu großen Teilen von Travis Scott instigiert. 

Hiphop gemischt mit Industrial und elektronischen Klängen – da war die Band Death Grips oder Rapperin M.I.A schneller. Für schockierende Texte waren Odd Future-Mitglieder Tyler, The Creator oder Earl Sweatshirt ebenfalls schon bekannt. 

So ganz neu war beides also nicht. Aber muss es das? Kanye hat wiederholt bewiesen, dass er ein unglaublich guter Dirigent ist (obwohl er sich selbst wohl eher als das Genie hinter der Idee bezeichnen würde). Er hat Elektrokünstler, Chicago-Drill und ein quasi-geklautes ungarisches Sample auf einem Projekt zusammengebracht, als wäre es das Normalste auf der Welt – und daraus ein unglaublich unterhaltsames Projekt geschaffen. Allein dafür bildet Yeezus einen musikalischen Höhepunkt in Kanyes Karriere ab.

Yeezus manifestiert zwar keine neue Ära, aber!

Eine komplette Yeezus-Revolution im Hiphop konnten wir so nicht erleben. Es haben sich zwar kleine sowie große Artists von sechsten Studioalbum des Chicagoers inspirieren lassen, darunter Vince Staples mit seinem Album "Big Fish Theory", Tyler, The Creator bei "Cherry Bomb" oder Jpegmafia in seiner ganzen Stilrichtung. Auch RnB-Prinz The Weeknd hat sich für seine jüngeren Projekte wie "Starboy" und den Daft Punk-Kollaborationen bei seinem Kollegen kreative Impulse geholt. Ein Klassiker ist Yeezus aber nicht. Wenn man überlegt, was für einen Kultstatus 808s & Heartbreak auch hierzulande genießt – da kommt Yeezus bei weitem nicht ran.

Natürlich könnte man sich nun fragen woran das liegt. Offensichtlich wäre dabei wahrscheinlich der doch eher sperrige Sound, welcher bei vielen Fans im ersten Moment (und auch in vielen Momente später) einfach nicht ankommt. Oder vielleicht das gewöhnungsbedürftige Video zu "Bound 2", das trotz vermeintlicher Progressivität weiterhin ein Like-to-Dislike-Ratio von 50 % verzeichnen darf.

Auch überzeugt Yeezus mit seinem Sound letztendlich nicht so ganz. Verglichen mit My Beautiful Dark Twisted Fantasy bietet es zu viele unsaubere Klänge und produktionstechnische Baustellen. Was ist Yeezus also? Besser gesagt: Wofür ist es da? 

Was das Album so einzigartig macht, ist die unglaublich abgehobene Haltung von Kanye, die sich durch die ganzen Tracks zieht. Auf Yeezus hat Kanye es geschafft, seine Celebrity-Persona in ein Musikprojekt zu gießen und gleichzeitig die Haltung von Hiphop als Ganzes zu manifestieren: Selbstbewusstsein, Überzeugung und das Ziel, Großes zu erschaffen. 

Und seiner Zeit voraus war das Album ohne Cover auf jeden Fall: Schon 2013 hat Kanye vermeintlich den Tod der CD vorhergesagt – das gesichtslose Projekt stelle einen offenen Sarg für das jüngst obsolet gewordene Medium dar. Kanye West wusste auf jeden Fall, was er mit Yeezus tut.