Nerd-Level 36: Vom Kung-Fu-Fanatismus des Wu-Tang Clans

Als vor über zwanzig Jahren das legendäre Album „Enter The Wu-Tang (36 Chambers)“ in die Läden krachte, konnten Fans schon im Introtrack „Bring Da Ruckus“ erahnen, dass der Wu-Tang Clan ein Haufen rappender Nerds ist. Auf einem kratzigen Sample ist ein Shaolin-Meister zu hören, der voller Ehrfurcht betont, wie gefährlich der Wu-Tang Schwertkampfstil ist. 

Auf diesem Kampfstil basiert auch der Name der Gruppe. RZA, Produzent und Mastermind hinter Wu-Tang, erklärt, die Zungen seien für die MCs das, was die Schwerter für die Kung Fu-Kämpfer sind: eine Waffe. U-God beschrieb den Clan deshalb auch schon in einer Dokumentation 1994 als eine Gruppe "lyrischer Assassinen". So rappt Method Man in seinem Part auf dem gleichnamigem Track "Method Man":

„Whats the commotion? Oh my Lord / another cord chopped by the Wu-Tang sword”

Klar, die Mitglieder von Wu-Tang erzählen glaubhaft in ihren Texten Geschichten über das grimey Leben in New York, aber: Die Jungs sind eben auch klassische Geeks. Lange bevor im Keller hängen und „World of Warcraft“ zocken ein Ding war, in der Serie „The Big Bang Theory“ zum tausendsten Mal ein Gag mit Comic-Referenz rausgehauen wurde oder Yung Lean vor einem Greenscreen mit Pokémon-Karten posierte.

Alle Mitglieder des Clans waren große Fans der Popkultur und sind es auch heute noch. Insbesondere Comics und Filme waren wichtige Inspirationsquellen für ihre Musik und ihre Gesamtästhetik. Sie gehörten zu den ersten Hiphop-Künstlern die Voice-Samples aus Filmen gezogen und in ihre Instrumentals einbauten. 

Es fällt auf, dass ein Genre immer wieder heraussticht: Kung Fu-und Martial Arts-Fime, in denen zum Beispiel auch Bruce Lee seine Schauspielkarriere verwirklichte und als Pionier gilt. Grund für die zahlreichen Referenzen des Wu-Tang Clans dürfte allen voran das Produzentengenie RZA sein, der eine riesige Sammlung an Kung Fu und Martial Arts-Filmen sein Eigen nennt. 

Der Einfluss von Martial Arts-Filmen auf den Wu-Tang Clan

Der Titel ihres Debütalbums bezieht sich auf den Kung Fu-Klassiker „The 36th Chamber of Shaolin“, in dem sich ein Kampfmönch durch 36 Kammern prügeln muss. RZA sagt, dass er diesen Film bereits über 200-mal (!) gesehen hat. Der amerikanische Titel des Films „Master Killer“ gab dem Wu-Tang Mitglied Masta Killa außerdem seinen Künstlernamen. 

Auf dem Album ist „Bring da Ruckus“ aber nicht der einzige Song, in dem Wu-Tang einen Film über asiatische Kampfkunst gesamplet haben. Der Track “Wu-Tang Clan Aint Nuthing ta F’ Wit” beginnt mit einem kurzen Loop, indem sich das Wort Tigerstyle wiederholt. Das Sample ist aus einem von RZAs anderen Lieblingsfilmen „Executioners from Shaolin“, in dem ein alter Shaolin-Meister mit entsprechendem Kung Fu-Schnurrbart die Worte ausspricht, bevor er seinem Gegner fast den Arm bricht.

Für RZA spielte der Streifen "Deadly Venoms" eine besondere Rolle, da hier der Kampfstil der Schlangentechnik anders ausgeführt wurde als in anderen Filmen. Solche Feinheiten zeigen, was für ein krasser Kung Fu-Nerd RZA wirklich ist und welches breite Wissen er über diese Filmnische verfügt. Der Film leitet gleich zwei Songs von Wu-Tang ein:

“Da Mystery of Chessboxin'” auf "Enter The Wu-Tang (36 Chambers)" ...

... und „Snakes“ von Ol’Dirty Bastard auf "Return to the 36 Chambers: The Dirty Version".

Wu-Tangs Einfluss auf die Popkultur

RZAs Leidenschaft für die Kung Fu und Martial Arts-Filmwelt ging bereits so weit, dass er schon vor einiger Zeit angefangen hat, Soundtracks für Filme zu produzieren. So trug er beispielsweise einen Teil der musikalischen Untermalung zu Quentin Tarantinos „Kill Bill“ bei oder hat den Soundtrack für den Anime „Afro Samurai“ produziert. 

Bei dem Film „The Man with the Iron Fists“ hat er nicht nur den Score produziert, sondern schrieb auch das Drehbuch, führte Regie und spielte sogar selbst eine Hauptrolle. Viel mehr kann ein Rapper in der Welt von Hollywood nicht erreichen.

Bei dieser großen Liebe für diese popkulturelle Nische ist es eigentlich nur logisch, dass Wu-Tang neben ihrer Musik auch eine Comic-Reihe veröffentlicht und ihren Namen auf ein Playstation 1-Spiel geklatscht haben. In dem Game – wie sollte es anders sein? – haut ihr als Shaolin-Kämpfer anderen Ninjas ordentlich aufs Maul. Im Juli wurde sogar ein Trailer von einer Serie über den Wu-Tang Clan veröffentlicht. Die zehn Episoden von "Wu Tang: An American Saga" sind am 4. September auf dem kostenpflichtigen Streamingdienst Hulu erschienen.

Die Entwicklung des Wu-Tang Clans zeigt, wie stark ihre Kunst von Popkultur inspiriert wurde. Allerdings wird genauso deutlich, dass sie vice versa ihrerseits die Popkultur geprägt haben.

In diesem Interview erklärt RZA noch einmal im Detail, welche Kung Fu und Martial Arts-Filme ihn in welcher Weise besonders geprägt haben. 

Kategorie
Genre

Groove Attack by Hiphop.de