Dinge fürs Leben, die wir aus "8 Mile" lernen können

Was können wir eigentlich aus dem finalen Battle des Films 8 Mile zwischen Papa Doc und B-Rabbit für unser Leben lernen? Mit dieser Frage hat sich James Altucher mal etwas genauer auseinandergesetzt und mehr herausgefunden, als man vielleicht im ersten Moment vermuten würde.

Die sogenannte 8 Mile-Technik ist mittlerweile ja schon zu einem eigenen Begriff geworden. Man nimmt den Gegnern oder Konkurrenten die negativen Dinge, die er gegen einen verwenden könnte, einfach vorweg. So hat es beispielsweise auch schon Laas Unltd. in seinem Rap am Mittwoch-Battle gegen den heillos überforderten Drob Dynamic gemacht.

Die meisten werden den Film bereits gesehen haben und die Szene kennen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird, jedoch werden ein paar Fakten nochmal erwähnt, damit jeder weiß, worum es geht.

In dem Film spielt Eminem einen armen Jungen, der sich selbst als "white trash" bezeichnet und in einer Wohnwagensiedlung wohnt. Er ist fast am Nullpunkt angekommen, gilt aufgrund seiner Hautfarbe oft als Außenseiter, seine Arbeit ist Mist und er hat kein Geld. Seine einzige Hoffnung ist, mit Rap erfolgreich zu werden und so aus diesem Teufelskreis ausbrechen zu können. 

Am Anfang des Films nimmt er an einem Battle teil und gibt auf, ohne ein Wort zu sagen. Dieser Ruf haftet ihm von da an nach. Er ist als jemand bekannt, der dem Druck nicht standhalten kann und zum Versagen verurteilt ist. Doch die Szene, um die es in diesem Artikel geht, ist das finale Battle, in dem B-Rabbit seinen Gegner Papa Doc besiegt. Doch wie macht er das eigentlich? 

Hier kannst du dir die Szene anschauen:

James Altucher hat die Szene auseinander genommen und die Aspekte herausgearbeitet, die B-Rabbit zum Erfolg verholfen haben. Wie konnte Eminem aka B-Rabbit (mal abgesehen von seinem Talent) so eindeutig gewinnen? Gehen wir einmal davon aus, dass beide ungefähr gleichermaßen talentiert seien. B-Rabbit nutzt eine ganze Reihe von Techniken die ihm zum Sieg verhelfen.

Das menschliche Gehirn hat sich im Laufe der letzten 400.000 Jahre entwickelt. Menschen sollen vor tausenden Jahren einen höheren IQ gehabt haben, als wir ihn heute haben. Denn der mit dem höchsten IQ hatte die besten Chancen zu überleben. Außerdem haben sich einige Neigungen innerhalb des Hirns etwickelt, die man sich zunutze machen kann, wenn man über sie bescheid weiß. Eine sehr wichtige Neigung ist beispielsweise, dass wir negative Nachrichten oder Informationen eher und deutlicher wahrnehmen als positive. Der Grund dafür ist einfach und ziemlich logisch. Angenommen, wir wären im Dschungel, links von uns stände ein Löwe und auf der rechten Seite ein Apfelbaum, dann wäre es sinnvoller, den Apfelbaum zu ignorieren und so schnell zu rennen, wie man kann, oder sich zu überlegen, wie man das Löwen-Problem am besten löst, denn Wegrennen bringt wahrscheinlich auch nur begrenzt viel.

Auch wenn wir heute nicht mehr so stark darauf angewiesen sind wie früher: Obwohl die meisten von uns wohl nicht allzu häufig dieses Problem haben, ist es trotzdem immer noch in unserem Gehirn verankert. 

Unsere Technologie und unsere Ideen haben sich weiterentwickelt, aber unser Gehirn kommt nicht schnell genug hinterher. Deswegen wird in fast allen Verkaufskampagnen, Marketingstrategien, Filmen, Nachrichten oder ähnliches versucht, diese Neigungen zu triggern. Diese Neigungen zu kennen und sich ihnen bewusst zu sein, kann einiges verändert. Auf einmal versteht man warum man sich so verhält, wie man sich verhält in gewissen Situationen. 

1. Gruppenzugehörigkeit

Fast alle Menschen wollen einer bestimmten Gruppen angehören, mit der sie sich indentifizieren können oder wollen. Selbst, wenn man sagt, man wolle niemandem angehören und unglaublich individuell sein, gehört man der Gruppe an, die genauso denkt, was wiederum mehr als genug sind.

B-Rabbit sagt in seiner ersten Zeile: 

“Now everybody from the 313, put your mother-f*cking hands up and follow me”

313 ist die Postleitzahl der Gegend, aus der B-Rabbit und die Besucher kommen. Er ändert also seinen möglichen Status als Außenseiter (aufgrund seiner Hautfarbe) und wechselt das Gemeinschaftsgefühl auf die Postleitzahl, welche ihn beinhaltet. Jetzt geht es nur noch darum, wer aus der selben Gegend kommt und wer nicht. 

2. Herdenverhalten

“Put your hands up and follow me”

Alle Hände gehen instinktiv in die Luft, ohne dass die Zuschauer groß darüber nachdenken. Somit glauben sie, dass sie es aus einem rationalen Grund machen würden.

3. Availability Cascade

Das Gehirn hat die Tendenz, Sachen zu glauben, wenn sie oft genug wiederholt werden. Dabei ist es egal, ob sie wahr oder unwahr sind. Wenn dir eine Werbung immer wieder erzählt, dass ihr angebotenes Produkt das beste sei, kann es gut passieren, dass du es irgendwann glaubst.

B-Rabbit wiederholt sein erste Zeile “Now everybody from the 313, put your mother-f*cking hands up and follow me”, um ihr mehr Nachdruck zu verleihen.

4. Unterscheidung

Das Gehirn hat die Tendenz, zwei Dinge deutlich zu unterscheiden, wenn diese zur gleichen Zeit untersucht werden. B-Rabbit grenzt sich in seinen Parts ganz stark von seinen Gegner Papa Doc ab und sagt:

“Now while he stands tough, notice that this man did not have his hands up”

Nun ist Papa Doc nicht mehr Teil der Gruppe, obwohl er wie fast alle der Besucher Afro-Amerikaner ist. B-Rabbit hat die Gruppe als "313" definiert. Hier spielt die Hautfarbe nun keine Rolle mehr.

5. Mehrdeutigkeit

Er spricht Papa Doc nicht mehr mit Namen an, sondern bezeichnet ihn als "this man". Nun gibt es die 313-Gruppe, zu der alle im Publikum gehören, und jetzt steht da ein einzelner Mann, der in die Gruppe "eindringen" möchte.

Das kann man beispielsweise auch gut bei politischen Wahlkämpfen beobachten. Die Kandidaten sprechen ihre Konkurrenten nur äußert selten mit ihrem Namen an. Stattdessen sagen sie eher:

"Alle meine Konkurrenten denken x, aber wir wissen, dass y besser ist."

Wenn das Hirn mit Unklarheit oder Mehrdeutigkeit konfrontiert wird, ist die Gefahr höher, dass es verwirrt wird und sich nicht mehr entscheiden kann. Am Ende gewinnt dann derjenige die Wahl, bei dem am wenigsten unklar war.

6. Qualifikation

Das Gehirn verlässt sich lieber auf Informationen, die von Leuten mit einer gewissen Qualifikation kommen, anstatt von Menschen, die aus dem Nichts kommen.

Wenn dir eine Person mit einem Harvard-Abschluss erzählt, dass es heute regnen wird, und eine zufällige Person, die du nicht kennst, behauptet, dass es heute sonnig wird, glaubst du vielleicht eher der Harvard-Person – zugegeben: kein tolles Beispiel, aber es sollte den Punkt verdeutlichen.

B-Rabbit macht sich dies ein paar Zeilen später zunutze. Er sagt:

“one, two, three, and to the four.”

Die Zeile stammt aus dem Song Ain't Nothing But A G Thing von Snoop Dogg und Dr. Dre und ist wahrscheinlich eine der bekanntesten Zeilen im Rap überhaupt. Somit bringt er sich selbst mit diesen beiden Rappern in Verbindung und verleiht sich so etwas mehr Glaubwürdigkeit oder Qualifikation. Weiter geht es mit:

“one Pac, two Pac, three Pac, four.”

Jetzt bringt B-Rabbit auch noch 2Pac mit ins Spiel und hat sich somit mit drei sehr erfolgreichen Rappern in Verbindung gebracht.

7. Ingroup/Outgroup

Aber das war noch nicht alles: B-Rabbit zeigt anschließend auf Leute im Publikum und sagt:

“You’re Pac, He’s Pac,”

Somit bezieht er auch diese Leute mit ein. Dann zeigt er auf seinen Gegner Papa Doc und macht eine Geste als würde er ihm den Kopf abschneiden und sagt:

“You’re Pac, NONE”.

8. Marketing

Die nächste Technik, die B-Rabbit benutzt, kennt wahrscheinlich jeder, der sich etwas mit Marketing und Verkauf auskennt.

Wenn man ein Produkt oder sich selbst als Marke verkaufen oder seine Kinder davon überzeugen möchte, ihr Zimmer aufzuräumen, wird die Person, der man es verkauft, ein paar Einwände haben. Sie kennen diese Einwände und du kennst diese Einwände. Wenn sie diese Einwände aufbringen, bevor du sie aufbringst, werden sie dein Produkt nicht kaufen, weil es ihnen dann so vorkommt, als würdest du versuchen, etwas vor ihnen zu verstecken. Deshalb sollte man schon im Vorhinein auf mögliche Einwände eingehen. Genau das macht B-Rabbit auch als nächstes. Er legt alles offen, was gegen ihn verwendet werden könnte. Er sagt:

“I know everything he’s got to say against me.”

Dann zählt er alles auf:

“I am white”
“I am a f**kin bum”
“I do live in a trailer with my mom”
“My boy, Future, is an Uncle Tom”
“I do have a dumb friend named Cheddar Bob who shot himself with his own gun”.
“I did get jumped by all six of you chumps”

Und so weiter... Am Ende bleibt nichts mehr übrig, was er nicht schon selbst erwähnt hatte und nimmt seinem Gegner somit jegliche Grundlage für seinen Diss. Die "8 Mile-Technik".

9. Humor

B-Rabbit hebt sich das Beste für den Schluss auf:

“But I know Something About You”

Er singt es leicht und zieht es ins Lächerliche. Leute können sich Sachen besser merken, wenn diese humorvoll verpackt sind.

10. Extreme Outgroup

"You went to Cranbook.”

Dann dreht er sich zu der Menge und erklärt was Cranbook ist.

“That’s a private school.”

B-Rabbit lässt die Distanz zwischen seinem Gegner und dem Publikum immer größer werden:

“His real name’s Clarence. And his parents have a real good marriage.”

11. Erneute Qualifikation

B-Rabbit sagt:

“There ain’t no such thing as ..."

Und die Menge beendet den Satz, weil jeder genau weiß, was er sagen will. Die Zeile stammt aus der legendären Mobb Depp-Nummer Shook Ones Part II, deren Beat die Grundlage für das Battle ist. Nun hat er das Publikum erneut einbezogen, das Gruppengefühl gestärkt und außerdem eine Brücke von der West bis zur East Coast geschlagen.

12. Rar werden

Die Musik hört auf zu spielen und Papa Doc wäre an der Reihe, aber B-Rabbit hört nicht auf:

F*ck everybody”, “F*ck y’all if you doubt me.” “I don’t wanna win. I’m outtie.

Gerade als die Nachfrage nach ihm steigt, macht er sich selbst rar. Basiswissen in Wirtschaft: Angebot sinkt, aber Nachfrage steigt; somit erhöht sich der Preis. 

Er lässt Papa Doc sprachlos zurück. Dieser hat nichts mehr zu sagen, denn B-Rabbit hat ihm alles vorweggenommen. Er kann mit seinem Sieg nun alles machen und er entschließt sich, erfolgreich zu werden. Er will mehr als nur kleine Battles in Detroit und verässt die Underground-Kultur.

Was hat uns das alles also über's Leben beigebracht? Mach dich rar, werde dein eigener B-Rabbit, lebe dein Leben und gib nicht viel darauf, was andere über dich sagen könnten! Nimm ihnen den Wind aus den Segeln mit den hier gelernten Techniken. Und vor allem: Sei du selbst! Kunst hat den Anspruch, für sich selbst zu stehen und nicht andere zu kopieren.