Warum DCVDNS der Helge Schneider des Raps ist

Jaja, die Kunstfigur DCVDNS ist streitbar. Jeder öffentliche Auftritt, jeder Song, jeder Informationsschnipsel ist inszeniert. Allerdings gibt es wohl kaum einen anderen Rapper, der seine Releases mit derart unterhaltsamen Kampagnen begleitet wie Der Coole Von Der Neuen Schule. Die Rap-Skills müssen nicht wirklich diskutiert werden. Reime, Flows und Beatauswahl sind über jeden Zweifel erhaben.

Darum soll es aber auch gar nicht gehen. Denn was der Saarländer liefert, ist weitaus mehr als reine Taktloss-Abfeierei und ein paar ulkige Videos. Alles in allem wandelt der fast comicartige Hiphop-Charakter auf ähnlichen Konzeptkunst-Pfaden wie Helge Schneider. Genauso wie beim Improvisations-Meister mit dem bekannten Katzenklo-Song heißt es: Erwarte stets das Unerwartbare!


Das hat seine Gründe: Jedes Album von DCVDNS treibt das Spiel mit den Medien auf ein neues absurdes Level. Welcher Rapper kommt sonst mit einem Pullunder und Nerd-Brille ins Game und erzählt, ohne eine Miene zu verziehen, P*mp-Geschichten? Spiegel-TV hat um 2012 diese Eigenartigkeit ganz gut zusammengefasst. Dass es sich bei dem Rapper nur um eine Parodie von Gangster-Klischees handele, zielt an der Wahrheit aber meilenweit vorbei. Die Sachlage ist um einiges komplexer.

Über wachsende Aufmerksamkeit brauch sich Dominik-Christoph Von Der Nordsee seitdem sicher nicht beschweren. Gängig im Rap-Journalismus sind Interviews, in denen der Künstler bereitwillig Auskunft gibt. DVCDNS unterläuft seit jeher dieses beliebte Frage-Antwort-Prozedere. Er hat öfter mal einen Anwalt im Gepäck und äußert sich nur bedingt oder sehr knapp. Aus diesen Voraussetzungen resultieren jede Menge eigenartiger Gesprächssituationen, die in ihrer Kuriosität kaum vorherzusagen sind. Ein Jahr läuft es so:

Das nächste Jahr dann ganz anderes:


Standartisierte Phrasen gibt es nicht und soll es augenscheinlich gar nicht geben. Pressekonferenzen wie im Presseraum eines Fußballbundesligisten sind im Rap-Business auch eher unüblich:


Der Anwalt gehört irgendwann nicht mehr zum Repertoire und tritt nur noch als Backup Hermann Weiß in Erscheinung. DCVDNS regelt seine mediale Außendarstellung alleine. So kifft er vollkommen selbstverständlich durch die Nase oder outet sich als Punchline-Autist. Jede dieser Video-Sequenzen bleibt im Kopf hängen, weil sie so anders sind, als das, was im Deutschrap sonst als Werbemaßnahme vorkommt. Wer es mit Moral hält, könnte das Ganze sicherlich ab und zu als anstößig empfinden. Nichtsdestotrotz unterhalten die Aktionen, die einen oftmals ohne Erklärung irritiert zurücklassen.
Neben der Musik hat DCVDNS auch eine eigene YouTube-Show an den Start gebracht. Das biedere Äußere von Jesus Christoph Rap steht dort ebenso im Kontrast zu knallharten Ansagen und Verhaltensweisen, die sich zumindest als fragwürdig einstufen lassen.In Sachen Entertainment bewegt er sich allein auf weiter Flur. So wirkt es manchmal, als würde er die Musik nur dazu benutzen, um die Reichweite für seinen abseitigen Humor zu steigern.


Das Aussehen des neuen alten Savas ändert sich Platte für Platte immer ein Stück. Der Pollunder geht, der Goldzahn kommt. Der Goldzahn bleibt und wird mit einer Brille ergänzt, die die Messlatte in Sachen Durchblick gewaltig hochsetzt. Verschwörungstheoretiker bekommen ohne eine gerappte Line nur durch Bilder des Rappers ihr Fett weg. Ein typischer Fall von: Der Wolf im Schafspelz.


Selbst wer etwas über das Geschäftemachen lernen will, sollte bei DVCDNS ganz genau hingucken. Als er gegen Cro das Rapquiz auf 16Bars zu seinen Gunsten entscheidet, gewinnt er 50 Euro. Ein Internationaler P*mp steckt den Schein aber nicht ein, sondern versteigert das Geld als Cro-Fanartikel auf Ebay. Das Internet ist voll von diesen grenzgenialen Aktionen, die fast schon einen Mythos um den Brillenträger erschaffen haben.


Der Mensch hinter dieser undurchsichtigen Attitude ist nämlich nicht greifbar. Es existiert kaum eine Situation, in der DCVDNS aus seiner Rolle fällt. Er funktioniert as eine Art wandelnde Verwirrungstaktik. Das Private bleibt privat und der Rap eine Aufführung gepaart mit der Verehrung alter Helden. Gebt euch mal, wie der Inglebirds-Member Stefan Raab auflaufen lässt:

Jede Antwort ist wohlüberlegt und keine Geste zufällig. Die ständigen Respektlosigkeiten gehören zum Charakter einfach hinzu. Er erklärt beispielsweise Dr. Dre für tot und sieht sich in Sachen sexueller Performance auf dem Niveau von Rihanna (Stichwort: Astrozwilling).
Demnach ist die Live-Show von DCVDNS ähnlich durchgeplant wie sein sonstiges Auftreten. Wer sich rausnimmt, am Ende seines Sets zwei Minuten starr auf der Bühne zu stehen, dem geht es wahrscheinlich nur darum, mit der Erwartungshaltung zu spielen.

Auf dem Splash! Festival 2017 hat er sich auch wieder was Besonderes ausgedacht und rattert seine Diskografie rückwärts herum runter (Kostümwechsel inklusive). Die Konsequenz, mit der die Performances auf und neben der Bühne durchgezogen werden, ist bemerkenswert.

Kaum ein Satz täuscht nicht ironisch über die persönliche Haltung hinweg und das ist letztendlich gut so. Im teilweise übertrieben ernsten Rap-Kosmos wirkt es ganz erfrischend, dass da jemand ist, der sich den Luxus radikaler künstlerischer Freiheit gönnt. Daher sollte vor allem die Filmbranche einen bangen Blick auf die Karrierepläne von DCVDNS werfen, die er 2014 in der Psaiko.Dino Show ausgeplaudert hat:

"Ich will so lange rappen, bis die deutsche Rapszene kapiert hat, ich bin der Krasseste und dann mach ich das gleiche Spiel mit der Schauspielszene".

Übrigens: Helge Schneider zieht schon seit Jahrzehnten beides parallel durch. [amazon B0727WN69P full]
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