"He opens his mouth, but the words won't come out / He's chokin', how everybody's jokin' now / The clock's run out, time's up over, bloah!"
Was Eminem 2002 in Lose Yourself beschrieb, hat längst nicht mehr Gültigkeit für alle Duelle zwischen MCs. Die Intensität des Augenblicks, in dem du auf einer Bühne vor hunderten Menschen gegen deinen Gegner antrittst, wurde durch den Like-Balken auf YouTube ersetzt. Moderne Battlerapper verstecken sich hinter Videos und Masken, ihr Boss ist ein Schwamm. Das Ende des Abendlandes!
Zur Zeit, als Eminem in 8 Mile seine Battle-Vergangenheit dokumentierte, gab es noch kein Facebook und kein YouTube. Wer als Rapper etwas galt, hatte das Handwerk beim Open Mic gelernt. Berliner Battle-Rap eroberte vom RoyalBunker-Cafe aus Deutschland. Sein Star, Kool Savas, veröffentlichte sein Debütalbum. In Düsseldorf bereiteten sich Farid Bang, Olson, Toony und NMZS mit Freestyle-Battles in der Icklack und im Treff auf ihre Karrieren vor.
Das Internet war durchaus auch schon erfunden worden. Auch hier wurde bereits gebattlet. In den Foren von Hiphop.de und mzee.com ebenso, wie in der Reimliga Battle Arena. Keine Ahnung, wie prominent sie damals war – ich war zu der Zeit noch viel zu beschäftigt damit, Knuddels zu rocken –, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass die RBA eine Pionier-Rolle für Online-Battles gespielt hat. Immerhin haben so unterschiedliche Rapper wie Kollegah, K.I.Z., JAW, Casper, BOZ, 257ers und Sudden ihre Karrieren dort begonnnen. VBT, JBB, MOT – mittlerweile gibt es zahlreiche schöne Buchstabenkombinationen, die für Online-Battle-Turniere stehen. Aber bleibt dabei nicht etwas auf der Strecke?
Vorteile von Live-Battles
Beim guten alten Live-Battle zeigt sich, wer ein wahrer MC im ursprünglichen Sinne ist. Die direkte Interaktion mit der Crowd kann einem kein Online-Battle ersetzen. Der MC merkt, wie er ankommt und kann mit dem Publikum spielen. Die Kommunikation findet direkt zwischen Rapper, Gegner und Crowd statt.
Zieh dir das Battle ab Minute 5:00 zwischen Karate Andi und Mighty P bei Rap Am Mittwoch rein: Man sieht, wie die Crowd abgeht und die spontane Kreativität in Andis Antworten auf Mighty Ps Lines feiert. So muss das! Das kann kein noch so gutes Online-Battle! Das ist verdammtnochma dieses Hiphop, von dem immer alle reden!
Diese Realness fehlt beim Online-Battle. Nachvollziehbar, wenn Hiphop-Fans der ersten Stunde sich nicht mit ihnen identifizieren können. Aber die Fans von Online-Battles scheinen inzwischen in der Überzahl. Wenn man bei YouTube nach VBT-Battles sucht, gibt es seitenweise Videos mit über einer Million Views. Bei den nach Aufrufen sortierten JBB-Battles findet man einfach mal locker über 36 Millionen Views auf Videos von einem Putz-Utensil. Sechsunddreißigmillionen! Allein auf Seite EINS der Suchergebnisse!
Auf Seite 2 wenden wir uns Spongebozz, den Vorteilen von Video-Battles und der Renaissance der Live-Battles zu...
Die Video-Battle-Kultur
SpongeBozz – der rappende Schwamm polarisiert. Das Talent kann ihm keiner absprechen. Er kann rappen, Punchlines und aberwitzige Reimschemata konstruieren und hat ein professionelles Team für seine Videos am Start. Aber er trägt ein verdammtes Spongebob-Kostüm und rappt dabei über Drogendeals sowie Wut und Abscheu für die Polizei. Mehr Schizophrenie geht gar nicht!
Auch dank seines größten Förderers Julien von JuliensBlog, der seinen gut eine Million Youtube-Abonnenten durch das Zählen von Reimketten "beweist", dass SpongeBozz der krasseste Rapper Deutschlands ist, läuft es verdammt gut für den Schwamm. Inwiefern das eine kalkulierte geschäftliche Symbiose sein könnte, kann jeder für sich selbst erörtern...
"SpongeBozz hat den krassesten Diss in der Geschichte von Deutschrap gemacht. Selbst wenn man Leben und Tod des Kenneth Glöckler, Das Urteil, Fanpost, die wacke Sche*ße von Kay One zusammenaddiert, kommt das nicht mal im Ansatz an diese unvorstellbare Zerstörung heran." – Julien über die Finalrunde gegen Gio.
Wenn man das Ganze als Kinder-Hype abtut, macht man es sich allerdings zu einfach. Die Relevanz (36 Millionen Views!!) kann man nicht leugnen. Da wird Leuten mit Talent eine Bühne geboten und die Möglichkeit, mit Rap Geld zu verdienen.
Vorteile von Video-Battles
Die Vorteile, die Video-Battles gegenüber dem klassichen Battle haben, liegen auf der Hand. Die Rapper sind – abgesehen von der eingeschränkten Thematik – komplett frei in ihrem Schaffen und können ein ausgeprägtes Image kreieren, Punchlines ausarbeiten, den Flow perfekt dem Beat anpassen und dem Ganzen eine visuelle Untermalung verleihen. Wir kriegen vollwertige Musikvideos geliefert, die man sich wieder und wieder anhören kann. Das MC-Battle im Multimediazeitalter. Ein gutes Beispiel liefert ein Video aus dem 2012er VBT von Mio Mao, der seine Runde gegen 4Tune als Intervention aufzieht. Geiles Konzept:
Besonders unterhaltsam kann es werden, wenn die Rückrunden losgehen. Die Kontrahenten können die Hinrunde des anderen nach Strich und Faden auseinandernehmen und sich mit all ihrer Kreativität darüber lustig machen. Ich glaube, für viele Fans von Online-Battles ist das einer der faszinierendsten Aspekte.
Wie viel klassisches Battle steckt im Online Battle? Eigentlich nur der Kern des Ganzen, das verbale Duell. Ist das schlimm?
Das multimediale Online-Battle ist die logische Weiterentwicklung der Tradition im digitalen Zeitalter. Der nächste Schritt der Evolution. Es war einmal im fernen New York: DJs rockten die Blockparty und traten mit ihrem Soundsystem gegen andere DJs an. Sie besorgten sich MCs, die für sie das Anheizen der Crowd und Beleidigen des Gegners übernahmen. Rapper wurden prominenter als DJs, Rap-Musik war geboren und gebattlet wurde immer noch. Spulen wir ein paar Jahre vor in die Gegenwart: Von allen Dingen, die sich aus dem ursprünglichen Battle-Gedanken der Hiphop-Kultur entwickelt haben (Beef, Tweef, Verkaufsbattles, etc.pp.), ist das Videobattle der Grundidee am nächsten.
Die Renaissance der Live Battles
Live-Battles werden dadurch nicht mal verdrängt. Während in Deutschland Videobattles immer wichtiger wurden und Labels begannen, jeden zu signen, der irgendwo die erste Runde überstanden hatte, erlebten in Nordamerika Live-Battles ihren Höhepunkt.
Die King Of The Dot Battlereihe ging in den letzten Jahren komplett durch die Decke. Gemessen an den Parametern der digitalen Welt schlägt das sich in 81 Millionen Aufrufen bei Youtube und fast 290.000 Abonnenten nieder. Die Liste der prominenten Hosts reicht von Drake über Method Man bis hin zu alten Hasen wie Too $hort oder MC Hammer.
Auch Eminem hat den neuen Hype um Battles mitbekommen und startete mit Total Slaughter eine Battle-Liga, in der er einige der besten Battle-MCs versammelt. Darunter auch Dizaster, fast schon ein Star der Szene, der kürzlich in einem wunderbar für die Medien inszenierten Battle gegen Cassidy antrat.
Cassidy ist nicht der einzige bekannte Rapper, der seine Skills inzwischen wieder in Live-Battles beweist. Auch fett: das Duell zwischen Dizaster und Canibus – auch wenn Zweiterer kontroverserweise seinen Notizblock rausholt und seine Bars abliest.
Hier siehst du Madchild von den Swollen Members gegen Dirtbag Dan. Killin' Shit ab Minute 12:55:
Der Trend schwappte nach Deutschland über und führte den Videobattle-Hype weiter. Rap Am Mittwoch und DLTLLY zeigen, dass klassische Live Battles auch heute noch funktionieren. Vor Ort ebenso, wie als Aufzeichnung auf YouTube. Nach wie vor werden durch Battles neue Namen bekannt. Karate Andi ging von RAM direkt zu Selfmade Records.
Eigentlich hat sich also wenig geändert. Außer, dass es heute eben verschiedene Arten zu battlen gibt. Nicht aus jedem guten Battle-MC wird ein erfolgreicher Rapper, so wird es auch 2002 gewesen sein. Aber nach wie vor gibt es wohl keinen besseren Platz, um Erfahrungen zu sammeln und bekannt zu werden. Ein Newcomer, der sich bei einem Videoturnier anmeldet UND zum Open Mic geht, hat danach die Skills für gute Musikvideos UND gute Auftritte. Wenn ihm dann noch einer Tweef erklärt, kann der goldenen Schallplatte doch gar nichts mehr im Weg stehen... Willkommen in der Zukunft!