Am vergangenen Wochenende hat sich Apple Musics Head of Hiphop für die DACH-Region (und unser ehemaliger Kollege) Aria Nejati via Instagram an den Verein für Popkultur gewandt. Der verleiht einigermaßen regelmäßig den Preis für Popkultur, bei dem Aria dieses Jahr für sein Interview mit Paula Hartmann nominiert ist. In seiner Stellungnahme bedankt er sich, übt aber auch eindeutige Kritik an dem Preis und erklärt, warum er sich nicht wirklich über die Nominierung freuen kann. Der Verein für Popkultur hat mittlerweile mit einem eigenen Statement geantwortet.
Aria kritisiert den Preis für Popkultur
In seinem Post bedankt sich Aria für die Nominierung, verweist aber eingangs bereits darauf, dass es ihm wichtiger sei, dass er überhaupt an der Erzählung um "kleine Feuer" mitwirken durfte, als dafür irgendwelche Auszeichnungen zu bekommen. Gerade der Preis für Popkultur sei "nicht in der Lage, 'Popkultur' in Deutschland richtig abzubilden." Das führt Aria darauf zurück, dass die Gründungsmitglieder selber aus der Musikindustrie kommen und in der Vergangenheit angeblich primär ihre eigenen Artists und Interessen gepusht hätten:
"Der 'Preis für Popkultur' ist vor Jahren durch einen Zusammenschluss von Managements, Bookern und Promotern gegründet worden, die fortan schamlos ihre eigenen Künstler nominiert und ausgezeichnet haben. Von Fairness konnte da nicht die Rede sein."
Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins für Popkultur e.V. gehören unter anderem Beat Gottwald, der Inhaber des Beat The Rich-Managments sowie Eric Michael Landmann, der Teil des Managements der Band Beatsteaks ist. Die Beatsteaks konnten bei sieben Preisverleihungen insgesamt fünf Preise gewinnen und sind damit, zusammen mit Deichkind, die Meistausgezeichneten.
Aria kritisiert dahingehend, dass Artists, die wirklich relevant für die Popkultur sind, nicht bei dem Preis stattfinden. Von den 30 meistgestreamten Künstlerinnen und Künstlern des letzten Jahres - die fast ausschließlich aus der Rap-Welt kommen - sind dieses Mal lediglich zwei nominiert: Ayliva und Nina Chuba. Beide in der Kategorie "Beeindruckendste Liveshow". Dass Künstler wie Luciano, Pashanim oder Capital Bra "weitestgehend ignoriert werden", sei ausschlaggebend dafür, dass der Preis auf wenig Anerkennung stoße.
"Der Vorstand besteht zu 100 % aus weißen Menschen, bei den nominierten Artists beträgt der Anteil ungefähr 80 %."
Zwar predige man immer gerne Diversität, aber die eigenen Strukturen würden viel zu selten hinterfragt, so Aria. In der Caption äußert er zudem, dass migrantische Stimmen nur dann gehört würden, wenn sie möglichst akademisch ihren Schmerz zum Thema machen. "Echte Geschichten" oder "Erfolgsgeschichten, wie die von Ufo361 oder Apache 207", stießen hingegen meist auf Ignoranz.
Abschließend hält er fest: "Ob wir heute Preise (die ihr für euch unter euch gegründet habt) gewinnen oder nicht, ist nicht mehr so wichtig. Die Menschen hören unsere Geschichten. Das zählt."
Für die Stellungnahme gibt es von allen Seiten Zuspruch aus der Rap-Welt. Kolja Goldstein, Rooz, PA Sports, Takt32 und viele weitere melden sich in den Kommentaren zu Wort und bekräftigen Arias Kritik. Ahzumjot hat in seiner Instagram-Story ein eigenes Statement geteiltund sich den Aussagen angeschlossen.
Verein für Popkultur antwortet auf die Kritik von Aria
Der Verein für Popkultur ist ebenfalls in den Kommentaren zu finden, hat sich aber auch auf der eigenen Website mit einem ausführlichen Text zu den Punkten geäußert. Zuerst wird sich bei Aria für die Denkanstöße bedankt. Ausgehend davon wolle man im Sommer bei einer Mitgliederversammlung das eigene Verständnis des Begriffs Popkultur diskutieren. Aktuell heißt es auf der Website noch: "Der 'Preis für Popkultur' prämiert Popmusik in Deutschland ' sprich: moderne populäre, im deutschsprachigen Raum produzierte Musik in allen Facetten." Weiter bieten die Vorstandsmitglieder Aria an, sich zum Beispiel als Teil des ehrenamtlichen Vorstands an der Entwicklung des Preises zu beteiligen.
Dann geht es konkret um die einzelnen Kritikpunkte: Ein eindeutiges Problem bei der Unabhängigkeit des Vereins und der Preisvergabe scheint der Verein nicht zu sehen – höchstens bei der Transparenz der Kommunikation. Zwar stimme es, dass der Verein und der Preis aus der Industrie heraus gegründet wurde, man lege angeblich aber viel Wert darauf, Interessenkonflikte zu vermeiden. Beispielsweise, indem eine unabhängige Jury die Shortlist der Nominierten bestimmt. Darüber hinaus wird versprochen: "Jury-Mitglieder enthalten sich bei eigenen Beteiligungen selbstverständlich der Stimme." In der Jury sitzt unter anderem Katharina Köhler, Musikmanagerin von Deichkind. Deichkind - die 2023 ihr letztes Studioalbum veröffentlicht haben - sind dieses Jahr in drei Kategorien nominiert.
Bezüglich der mangelnden Repräsentation von Hiphop als Genre findet der Verein, Arias Kritik greife zu kurz. Es wird darauf verwiesen, dass es beim Preis für Popkultur eben nicht darum gehen soll, möglichst erfolgreiche Artists auszuzeichnen.
"Unser Ansatz unterscheidet sich bewusst vom ehemaligen ECHO, der in fast allen Kategorien ausschließlich Verkaufszahlen als Maßstab nahm. Stattdessen legen wir Wert auf künstlerische Qualität, gesellschaftliche Relevanz und Originalität."
Was das im Umkehrschluss über die Einschätzung des Vereins zu Deutschrap aussagt, ist jedem selbst überlassen.
Zugeständnisse gibt es hingegen bei der Frage nach der Diversität. Der Verein erachte dieses als "total relevant". So wolle man vor allem bei der Auswahl der Jury auf eine möglichst breitgefächerte Repräsentation achten. Und dies solle sich dann im Gegenzug auf die Nominierten auswirken. Auch die Kritik an der mangelnden Diversität im aktuellen Vorstand "nehmen wir sehr ernst", heißt es. Konkrete Änderungsansätze bleiben dahingehend allerdings aus.