The Daily Beast: Wie die Illuminaten die Musikindustrie übernommen haben

The Daily Beast hat einen Artikel über Raps Faszination mit einer der beliebtesten Verschwörungstheorien veröffentlicht: How the Illuminati Stole the Mind, Soul, and Body of Hip-Hop. Das Magazin fasst kurz die Geschichte der Illuminaten zusammen – gegründet, verboten und gestorben, als verschwörungstheoretischer Geist wieder auferstanden – und landet bei der Frage, wie die bayrische Geheimorganisation aus dem 18. Jahrhundert dazu kam, heute mit sämtlichen Pop-Stars in Verbindung gebracht zu werden.

Die debilen Videos, in denen Songs, Interviews und Artworks diverser Promis nach versteckten Anzeichen der Mitgliedschaft abgesucht werden, wird wohl jeder schon mal gesehen haben. Dabei geht es nicht nur – aber gerne und oft – um Rapper. Die machen es den Indiziensammlern ja auch einfach. In Deutschland griffen Sido und Bushido das beliebte Thema für ihr Kollaboalbum 23 auf. In den USA reagiert Jay Z auf die Vorwürfe, sein Diamanten-Handzeichen sei eine Illuminaten-Pyramide, indem er sie mit immer neuen Anspielungen füttert. Aktuell fordert Haftbefehl die Verschwörungs-Aufdecker ebenso wie die Antisemitenjäger mit seiner Rothschildtheorie heraus.

Warum sollten Rapper sowas machen, wenn sie nicht Mitglieder einer Geheimgesellschaft wären? Wo Rauch ist, muss doch auch Feuer sein? The Daily Beast erklärt das mit einem Zitat von Jay Z: "Guter Rap sollte diverse unklare Ebenen enthalten, die man beim ersten Hören noch nicht versteht." Das Zitat stammt aus Jay Zs Buch Decoded: "Guter Rap enthält etwas mysteriöses. [...] Er fordert dich heraus." Der Meister sucht also etwas, das abgefahren und geheimnisvoll klingt. Dafür kann man alte Verschwörungstheorien genau so gut remixen, wie man Drumloops für den Beat umbaut, findet The Daily Beast.

Dass der Artikel die Rückkehr der Illuminaten Rap zuschreibt, geht ein bisschen weit. Verschwörungstheorien gab es immer. Dass sie grade wieder so extrem beliebt sind, liegt weniger an Rap als an der unübersichtlichen Lage in der Weltpolitik, Misstrauen gegenüber sämtlichen Institutionen der Gesellschaft, dem Internet und mangelnder Medienkompetenz. Leute sehen, dass auf der Welt viel Scheiße passiert. Sie wollen wissen warum, glauben aber nicht, dass ihnen Politiker oder die pauschalverurteilte Lügenpresse die Antwort geben könnten. Sie gehen ins Internet und stehen einer unglaublich komplexen Menge von Informationen gegenüber. Und schmeißen sich in ihrer Überforderung dem nächstbesten Welterklärer an den Hals, der ihnen die Punkte zu einem unterhaltsamen Bild verbindet. Pegida, ISIS, Ken Jebsen, irgendwer halt, der die unwiderlegbaren Fakten rausrückt, die die Zeitungen verschweigen, die du genau genommen nie gelesen hast. 

Die Geschichte der Illuminaten in der Rap-Musik beginnt für The Daily Beast mit Prodigys Line "Illuminati want my mind, soul, and my body - Secret society trying to keep they eye on me" von 1995. Weitere Zitate kommen von Goodie Mob, AZ, Ras Kass, dem Wu-Tang Clan, Dr. Dre, Canibus. Warum findet man sowas grade bei Rappern?

Rap hat mit Verschwörungsfans das Misstrauen gegegenüber der Gesellschaft und ihren Institutionen gemeinsam. Warum? Rap kommt vom Rand der Gesellschaft. Wer am Rand steht, hat allen Grund, kein Freund der Gesellschaft zu sein und sich zu fragen, wer für die ganze Scheiße eigentlich verantwortlich ist. Neben Chuck D wird Questlove mit dem Satz zitiert, dass Hiphops Stärke darin liegt, Portraits von echten Menschen zu liefern und echte Probleme aus nächster Nähe anzugehen. 

Während Rapper gut darin sind, die Missstände aufzuzeigen, ist es in den meisten Fällen zu viel verlangt, komplexe, fundierte Analysen zu erwarten. Die Stärke liegt darin, Probleme aus nächster Nähe anzugehen. Bei Themen, zu denen es keine große Nähe gibt, geht die Stärke meist verloren. Zum anderen haben Rapper weniger Angst als andere Musiker, Meinungen rauszuhauen, die anecken. Die wenigsten Indie Bands würde so offen über ihren Reptiloidenglauben sprechen wie Olexesh.

Dass das nicht auf alle Rapper zutrifft, erwähnt der Artikel auch. 2Pac wird zitiert, der sein letztes Album Killuminati nannte, um mit dem Illuminaten-Schwachsinn aufzuräumen. Dazu wird ein Interview verlinkt, das Pac kurz vor seinem Tod gab. Er hatte erkannt, was das Gefühl abgedrehter Verschwörungstheorien ist: Sie bringen dich dazu, dich mit abstrusem Schrott zu beschäftigen, anstatt über die wirklichen Probleme der Gesellschaft nachzudenken und nach Lösungen zu suchen.

Ein weiteres Anti-Bullshit-Zitat kommt von Talib Kweli – einem weiteren Rapper, von dem man tatsächlich komplexe, fundierte Analysen erwarten darf: "Of course there are forces against you and that’s a fact / Don’t get caught in the distraction, it’s bigger than any rapper" (The Wormhole). Lass dich nicht von Märchen über außerirdische Reptilienwesen ablenken. Frag dich lieber, wie man in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft sein Leben lebt oder was man dagegen tut kann, dass Poltiker, Konzerne und religiöse Führer deine Angst und Wut instrumentalisieren, um dich für ihre Machtinteressen kämpfen zu lassen.

Ziemlich gut möglich, dass 2016 irgendein schlauer Kolumnist auf die Idee kommt, die Schuld am Verschwörungsboom in Deutschland Rap zuzuschreiben. Erfunden haben Rapper die Theorien nicht. Sie zeigen dir, dass es sie gibt und dass viel zu viele Menschen daran glauben. Die Glaubwürdigkeit von politischem Rap lässt sich leicht zerschlagen, wenn Rapper mit Andeutungen um sich schmeißen, die so klingen, als wollten sie am liebsten weit ausholen, die Juden für IS verantwortlich machen und Merkel als Echse enttarnen. Der Klassiker, die Illuminaten, sind fast schon wieder out. Der Kenner kennt Prä-Astronautik, die Deutschland-GmbH und Chemtrails. Wieso grade die bayrische Geheimgesellschaft zum Klassiker geworden ist, mit dem nur Antisemitismus mithalten kann? Die Frage lässt The Daily Beast von Rakaa Iriscience und DJ Babu von den Dilated Peoples beantworten: "There were a lot of organizations that existed. That one [the Illuminati] just happened to rhyme with body, party, naughty and a lot of other things. It sounds cooler than some of the other ones do."“Yeah, Templars doesn't sound cool. Illuminati is way tighter."

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