Business mit Toten: Erreicht Supreme mit 2Pac-Hologramm eine Grenze?
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Dass Rapper mit Streetwear-Labels kooperieren, entspricht quasi der Natur der Sache. Die Marken pushen den Artist und dieser die Marke. Ganz normal eigentlich. Dieses Jahr hat sich Supreme einen besonders prominenten – und toten – Künstler ins Boot geholt: 2Pac schenkt der Hype-Maschine für die kommende Spring/Summer 2020 Kollektion sein Gesicht und seinen Körper – in Form eines Hologramms. Und die Leute sind nicht begeistert.

2012: 2Pacs Coachella Auftritt

 

Das 2Pac-Hologramm ist keine neue Erfindung. Schon 2012 hat Snoop Dogg die Rap-Legende als Projektion auf die Coachella-Bühne gebracht. So rappten Snoop und Pac gemeinsam in Indio für die Fans. Nur wusste 2Pac gar nichts von seinem Coachella-Debüt, dieser wurde ja 1996 in Las Vegas ermordet. 

Die Faszination um seinen Tod ist bis heute groß. Immer noch ist es ungeklärt, wie er genau ermordet wurde. Es kursieren ausgeklügelte Verschwörungstheorien über seine Aufenthaltsorte und seinem Exit Plan. Viele Fans glauben nach wie vor fest daran, dass er noch lebendig sei. Ein fast lebensechter Auftritt von 2Pac ist daher ein echter Verkaufsschlager. 

Das Supreme x 2Pac-Hologramm

So lautet auch ungefähr das Konzept für die kommende Supreme Kollektion. Anders als beim Coachella, ist das Ziel aber nicht nur ein Revival, sondern Werbung. 2Pac modelt nämlich für das New Yorker Fashion-Unternehmen. In einem kurzen Teaser zeigt sich eine Kopie des 2012er Hologramms oberkörperfrei in einer Supreme Boxershorts und fängt an "Hail Mary" zu rappen. Der Clip endet natürlich mit dem roten Logo. 

Der tote Rapper als Werbebanner?

Kommerzielle Ausschlachtung oder Reminiszenz: Das Meinungsbild ist geteilt. 2012 war der Holo-Auftritt ein globales Event und es gab nur wenige kritische Stimmen. Wenn Snoop Dogg als alter Freund den Auftritt anleitet, ist jeglicher Vorwurf ohnehin leichter von der Hand zu weisen. Aktuell sieht das anders aus.

Ein toter Rapper als Werbefigur erregt Aufmerksamkeit. Um diese ist sich Supreme sicherlich bewusst. Entgegen des ersten Hologramm-Auftritts fallen die Reaktionen aber nicht mehr nur positiv aus:

("Das fühlt sich irgendwie pervers an.")

("[…] Sie ruinieren eine Ikone […].")

So kommentiert ein User auf Instagram "Nehme einen toten Star, werbe mit ihm und schon verkaufst du mehr". Ein anderer User vergleicht die Kampagne mit "digitale[r] Leichenschändung".

Welche Rolle 2Pac in der Kampagne spielt wurde im Verlauf der Tage schließlich enthüllt. Das Abbild des 2012er Hologramms (plus Supreme Boxershorts) ziert ein T-Shirt und die Unterseite eines Skateboards. Zwischen den gefühlt hundert anderen Accessoires (Supreme x Oreo, anyone?) und Kleidungsstücken geht das Holo-Recycling letztlich unter.

Künstliche Menschen als Werbebotschafter

Computergenerierte Models für Werbungen zu buchen, ist keine Zukunftsmusik. Aktuelles Beispiel dafür ist Model und Influencerin Lil Miquela, die 2016 von einer Medienagentur generiert wurde und inzwischen einflussreicher ist, als mancher (B-)Promi. Im Kalender der alterlosen Figur stehen Werbekampagnen und Projekte, von denen viele reale Influencer nur träumen können – sogar Sängerin ist sie geworden. 

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Im Gegensatz zu Lil Miquela, war Pac keine ausgedachte Kunstfigur, sondern ein echter Mensch. Da er aber nicht mehr unter uns ist, bleibt einzigst die Erinnerung, seine Legacy und Persona übrig. Und für all dies hat das 2Pac Estate, seine Nachlassverwaltung, die Rechte. Was mit der Marke 2Pac passiert, entscheiden nur sie – ähnlich wie die Erfinder von Lil Miquela es tun. Denn ihn selbst kann man ja schlecht fragen. 

Was die beiden zum heutigen Zeitpunkt eint, ist dass Andere für Sie entscheiden. Und das ist auch okay so: Wer weiß besser, wie mit 2Pac Rechten umzugehen ist, als seine Hinterbliebenen?

Wer hinter der Entscheidung stand, Supreme mit 2Pacs Hologramm arbeiten zu lassen, wird in der Kritik konsequent vergessen – dabei ist alles eigentlich garnicht so schwarz und weiß. 

Umsatz mit Toten als (unethische) Praxis

2Pac ist nicht der einzige, der nach seinem Tod weiterhin einen immensen Wert besitzt: Sterben Künstler, will man diese ungerne gehen lassen. Egal ob Michael Jackson, XXXTentacion oder Mac Miller. Für alle wurden (lange) nach ihrem Tod Entscheidungen getroffen. Sollen die letzten Songschnipsel in Albumform veröffentlicht werden? Lassen wir Michael Jackson auf einer Award-Veranstaltung als Hologramm auftreten? Immer wieder lautet die Antwort: Ja. Nach einem Todesfall boomt das Geschäft. Jüngstes Beispiel dafür ist der kürzlich verstorbene Pop Smoke, dessen Streams sich nach seinem Tod um fast 400 % erhöht haben.

Für die Kunst einen Toten am Leben zu erhalten, scheint dabei garnicht mal so falsch. Immerhin haben viele dieser Künstler für die Musik gelebt und vor ihrem Tod noch einiges an Demos und Songs produziert. Diese mit der Welt und den Fans zu teilen, ist für sich genommen, erstmal nicht verwerflich. Die Frage ist eher: Wer entscheidet über die Marke der Verstorbenen und wer bekommt am Ende das große Geld? Je nach Antwort, dürfte das Urteil unterschiedlich ausfallen. 

Beim Thema Werbung sieht das schon wieder ein wenig anders aus. Egal wer die Erlaubnis erteilt hat, ob Hinterbliebene oder Manager. Sich als Unternehmen an dem Image eines Verstorbenen zu bereichern – dass das so manchem sauer aufstößt, ist keine Überraschung. 

Dabei ist das doch vielleicht unsere Zukunft: Künstlich hergestellte Personas, die uns unterhalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie ausgedacht sind oder tatsächlich existiert haben. Das 2Pac-Hologramm und posthume Alben bieten uns schon mal einen Einblick in das, was mal die Norm sein könnte. Ob das letztendlich okay ist, sei den Entscheidern selbst überlassen. Verbieten kann man es nämlich nicht. 

Übrigens: Seit letztem Donnerstag ist die neue Supreme Kollektion zumindest online auch für uns in Europa erhältlich. Natürlich ist das 2Pac-Shirt ausverkauft. Aber: Wer Lust hat, kann es im Internet für teilweise noch unter 100€ kaufen.

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