Sohn des Potts – Manuellsen im Portrait

Manuellsen sprengt Grenzen. Ob mit Labelwechseln von German Dream über Deluxe Records bis hin zu den Pottweilern, legendären Interviews oder einem vermeintlichen Abschied aus der Szene – das nordrhein-westfälische Multitalent sorgt für Gesprächsstoff. Allerdings gelingt ihm das nicht nur mit Interviews. Auch Ohrwürmermachen gehört zu Manuellsens Spezialgebiet. Pünktlich zum Release seines neuen Kollaboalbums "New Jack City" mit Micel O werfen wir einen Blick auf die turbulente Karriere des Rappers aus dem Ruhrpott.

Am 26. Januar 1979 wird Emmanuel Awere Twellmann, so Manuellsens bürgerlicher Name, in Berlin-Kreuzberg geboren. Als seine Ghanaische Mutter, eine politische Aktivistin, das Land zwangsläufig verlassen muss, kommt er in eine Pflegefamilie in Mülheim an der Ruhr. Dort wird er großgezogen und lernt, was es bedeutet, als selbsternannter Sohn des Potts aufzuwachsen. 

Das Gespür für bewegende Melodien scheint Manuellsen in die Wiege gelegt worden zu sein. Schon im zarten Alter von 15 Jahren entdeckt er die Musik für sich und mischt mit Live-Auftritten diverse Club- und Partyräumlichkeiten auf. Nur zwei Jahre später schreibt er in Holland als Ghostwriter für verschiedene RnB-Künstler. Die Möglichkeit hat er unter anderem seinem Sprachtalent zu verdanken. Manuellsen spricht sowohl etwas Niederländisch, als auch Arabisch und Türkisch. Seine Texte schreibt er auf Deutsch und Englisch. Schon bald bekommt Manuellsen einen Plattenvertrag angeboten, den er nicht ablehnen kann. In einer Vertretungsstunde im Rahmen der WAZ verriet er Gesamtschülern, wie diese Erfahrung für ihn gewesen ist:

"Das war hart. Aber echte Freunde verstehen, dass du deinen Weg gehen musst, und die Familie steht sowieso zu dir."

In den nächsten Jahren folgen Konzerte, bei denen sich Manuellsen vom deutschen Soulsänger Ramsi Aliani unterstützen lässt. Das unverwechselbare Talent des eingespielten Teams entdeckt kein Geringerer als Eko Fresh auf einem Gig in Neuss. Eko signt Manuellsen bei seinem damals neugegründeten Label German Dream Entertainment und lädt ihn mit Ramsi ins LoopLab Studio nach Düsseldorf ein, wo die ersten Aufnahmen entstehen – darunter Manuellsens Featurepart für "German Dream Allstars". Mehr entwickelt sich aus der Zusammenarbeit allerdings nicht. Dass sich die Veröffentlichungen der bereits fertiggestellten EP und des Soloalbums immer weiter verzögern, treibt Manuellsen dazu, das Label zu verlassen. 

2005 tritt der Mülheimer gemeinsam mit der ehemaligen No Angels-Sängerin Sandy Mölling beim Bundesvision Song Contest für das Bundesland Rheinland-Pfalz auf. Bei der Veranstaltung lernt er  Samy Deluxe kennen.

Manuellsen -Unexpected (feat. Sandy)

Manuellsen beim Bundesvision Song Contest für Rheinland Pfalz aus dem Jahre 2008

Nachdem Manuellsen im gleichen Jahr sein featurereiches Debüt mit dem "Hoodalbum" feiert, das unter Shrazy Records veröffentlicht wurde, signt ihn Samy 2006 bei seinem eigenen Label Deluxe Records – der gleichzeitigen Geburtsstätte von "Insallah". Schon zu dieser Zeit ist Manuellsen überzeugt von dem, was er tut. In einem Textinterview befragen wir Manuellsen 2008 zu seinem aktuellen Standig. Er ordnet er sich gewohnt selbstbewusst in die Szene ein: 

"Ich erzähle von mir, meinen Leuten und der Gegend hier auf einem Level, das es in Deutschland so noch nicht gegeben hat."

Auch wenn die Qualitätsansprüche der Fans vor zehn Jahren noch andere waren, erkennt Manuellsen früh, worauf es im fortschreitenden Business ankommt. Anders als viele seiner "Homemade Video"-Kollegen setzt er für einen Musikvideodreh drei Tage an, um "das Beste aus seinem Videoauftritt rauszuholen." Zusätzlich kombiniert er RnB-Gesang mit Rap-Elementen und baut sich einen Status als Gasthooksänger Nummer 1 auf.

Manuellsen - Meine Zeit

Manuellsen - Meine Zeit

Der mittlerweile 39-Jährige vergleicht sich konstant mit anderen, um bei seiner Konkurrenz nicht im Rückspiegel zu verschwinden. Vor allem geht er mit der Zeit und das hört man. Futuristische Klangbilder treffen auf gesellschaftskritische Texte, von denen sich andere Rapper eine Scheibe hätten abschneiden sollen. Sowohl im Zeitalter von Schallplatten als auch von CDs und Streaminganbietern vertritt der Nordrhein-Westfalener eine zukunftsorientierte Position, die sich damals wie heute auszuzahlen scheint. Im Laufe der Jahre geht Manuellsen viele Risiken ein, um sich nicht an die langweilige Norm anpassen zu müssen:

"Die Leute werden schon sehen und am Ende wird sich die Qualität einfach durchsetzen."

Im aktuellen Interview mit Toxik erzählt Manuellsen, dass er sein Wesen vor allem der Musik verdankt, die er gehört hat. Künstler der alten Schule wie Biggie, Tupac, R. Kelly und Puff Daddy hätten sein künstlerisches sowie menschliches Dasein nachhaltig geprägt. 

Abgesehen von ein paar verbalen Sticheleien mit Massiv und Bushido dringt bis 2008 kaum ein Lebenszeichen von Manuellsen an die Medien. Im März erscheint das Mixtape "Das Ist Meine Welt - Ihr Lebt Nur Darin" über Deluxe Records. Kurz nach der Veröffentlichung kehrt Manuellsen Samys Label den Rücken zu. Er fühle sich nicht ausreichend unterstützt und hätte mit internen Schwierigkeiten zu kämpfen. In einem viertelstündigen Track verkündet der Ruhrpotter außerdem seinen Abschied vom Rapgeschäft. Die Enttäuschung über seine Kollegen sei zu groß. Manuellsens Karriere droht zu enden. Die Alben "Geschichten die das Leben schreibt" und "Verschworen auf Leben und Pott" stellt er als kostenlosen Download zur Verfügung. Ein Statement, das dem Entschluss die nötige Ernsthaftigkeit verleihen soll. 

Manuellsen - Ihr bringt mich dazu (prod. by Juh Dee)

Manuellsens abschied damals.

Nach Manuellsens Aktivitäten im Rapgeschäft muss eine neue Beschäftigung her. Für ihn ist schnell klar, in welche Richtung es gehen soll: Film. Seine schauspielerischen Fähigkeiten stellt der Mülheimer in "Bis Aufs Blut – Brüder Auf Bewährung" unter Beweis. Inzwischen gibt es einen weiteren Umbruch im Leben des Ex-Deluxe Records-Mitglieds. Manuellsen bekennt sich zum Islam und veröffentlicht neue Werke unter dem Pseudonym M. Bilal. Darunter "M. Bilal 2010", "M. Bilal - Souledition" und "MB3". Auch seine muslimischen Freunde sprechen ihn nur noch mit dem Namen Bilal an. 

M. Bilal 2010

M. Bilal 2010, an album by Manuellsen on Spotify

Ab 2015 rückt vor allem die Vermutung immer weiter in den Vordergrund, Manuellsen würde eine enge Verbindung zu den türkischen Hells Angels Nomads Turkey pflegen. Auf eine Fanfrage, wie es ist, Teil des umstrittenen Motorrad- und Rockerclubs zu sein, antwortete Manuellsen im Interview mit Toxik: 

"Das Leben mit den [türkischen] Hells Angels ist interessant. Du hast Möglichkeiten, die du vorher nicht hattest… Und du bist mit Leuten unterwegs, die noch an gewisse Werte glauben."

Obwohl der 39-jährige bei der Beantwortung der Frage ins Stottern gerät, sieht eine Richtigstellung der Negativschlagzeilen anders aus. Stattdessen lobt er den Zusammenhalt unter Bikern und umgeht geschickt die Hells Angels-Vorwürfe um Drogen- sowie Waffenhandel, Zwangsprostitution, Schutzgelderpressung und Geldwäsche. Es scheint eine schwierige Zeit für den Sohn des Potts zu sein. Seine Körpersprache lässt den Wunsch nach einem schnellen Themenwechsel erahnen. 

Im gleichen Jahr werden die Differenzen zwischen Bushido und Manuellsen deutlicher. Im Zuge des Releases von "Killemall" berichtet Manuellsen in seinen Texten von rassistischen Äußerungen Bushidos und unterstellt ihm Drohanrufe. Sein Interview mit Rooz, in dem er seine Begegnung mit Bushido, Shindy und Arafat Abou-Chaker beschreibt, hat Legendenstatus erreicht. Jeder kennt den Spruch, der jetzt kommt:

"Lak, ich komm‘ in dieses Café rein – das Café full! Full!"

Der dazugehörige Clip verzeichnet mittlerweile über 2,1 Millionen Aufrufe.

Bushido, Shindy & Arafat Abou-Chaker: Manuellsen redet Tacheles über Rassismus, Beef uvm. #waslos

ABONNIEREN: http://bit.ly/HiphopdeAbo Alle Folgen #waslos: http://bit.ly/waslosrooz Besuch Manuellsen auf Hiphop.de: http://hiphop.de/manuellsen Zum Interview von Arafat Abou-Chaker: http://hiphop.de/node/281756/ "Killemall" auf Amazon: http://amzn.to/1Mfg2zM MP3-Download: http://amzn.to/1SrMzRQ Manuellsen reagierte überrascht auf Rooz' letztes Interview mit Arafat Abou-Chaker. Dort äußerte sich dieser über Manuellsens Anschuldigungen, dass Bushido Manuellsen rassistisch beleidigt habe.

Auch sonst merkt man der bisherigen Biographie von Manuellsen nicht an, dass er dem Rapgeschäft den Rücken gekehrt haben will. Er rappt wieder, hat sein eigenes Label "König im Schatten" gegründet, nimmt Künstler unter Vertrag, ist Geschäftsführer seines eigenen Cafés und verteilt schadenfroh Nackenklatscher an Kollegen. Ob Massiv, Fard, Fler oder das ersguterjunge-Camp – jeder könnte Manuellsens nächstes Opfer werden. 

Was seine Musik angeht, zeigt sich Manuellsen weiterhin fortschrittlich. Die "M. Bilal"-Reihe erinnert klanglich stark an Frank Ocean oder The Weeknd. Trotzdem gelingt es Manuellsen, einen vollkommen eigenständigen Sound zu entwickeln. "Der Löwe" aus dem letzten Jahr geht musikalisch weiter nach vorn. Manuellsen landet mit dem Album auf Platz #3 in den Charts.

Es wird sicherlich seine Zeit dauern, bis der Trend hin zum Fokus auf Melodien überall in Deutschland ankommt und keine Hatewellen mehr auslöst. Das "New Jack City"-Album mit Micel O ist jedoch eine gute Voraussetzung, um Manuellsens futuristischen RnB-Sound an den Mann und gut platziert in die Charts zu bringen. Er macht eben Terror, bis es jeder einsieht, dass man seine Person nicht klein kriegt. 

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