Rap Français #2: Die prägendsten Rapper der 2000er

Frankreich hat eine der größten Hiphop-Szenen Europas. Zu den Pionieren des französischen Rap, welche vor allem in den 80ern und 90ern die Raplandschaft geprägt haben, gehören unter anderem IAM und MC Solaar. Auch Mathieu Kassovitz' legendärer Film "La Haine" hatte 1995 einen großen Einfluss. Nicht zuletzt, weil er wegweisende Artists wie Suprême NTM und Assassin in seinem Soundtrack beinhaltete.

Auch die 2000er Jahre haben zahlreiche Legenden hervorgebracht: Booba, Sexion d'Assaut und viele mehr sind in den letzten 20 Jahren in Frankreich zu Rap-Legenden geworden. In Teil zwei unserer dreiteiligen Reihe zu Rap Français stellen wir nun einige der prägendsten Künstler ab Anfang dieses Jahrtausends vor.

Französischer Rap der 00er Jahre

Lunatic

Die beiden Rapper Ali und Booba gründeten 1994 gemeinsam Lunatic. Erst sechs Jahre später erlebten sie jedoch dann mit dem Release ihres zweiten Albums den musikalischen Durchbruch. Mit "Mauvais Oeil" (deutsch: "Böser Blick") veröffentlichten die beiden ein Album, das ihre teils beklemmenden Texte mit düsteren Sounds kombinierte. Auf dem Intro der Platte gibt Ali eine sehr gute Zusammenfassung:

"So ist das Leben / Chaos und Harmonie / Waffen und Geld"

("Ainsi est la vie / Chaos et harmonie / Armes et monnaie" Lunatic – Intro)

Die 15 eingängigen Tracks galten für viele als ein "Meisterwerk musikalischer Kohärenz", da Ali und Booba sich perfekt ergänzten. Sie kreierten - wie ihr Track "Le son qui met la pression" suggeriert - einen Sound, der für Stimmung sorgt, und Texte, die für die Unterdrückten sprechen sollen.

"Der Sound, der Druck macht / Junge / Es sind die Unterdrückten gegen die Repression"

("Le son qui met la pression / Garçon / C'est l'oppressé contre la répression" Lunatic – Le son qui met la pression)

Lunatic (jetzt auf Apple Music streamen) prägten mit Tracks wie "Civilisé" (deutsch: "Zivilisiert") oder "La lettre" (deutsch: "Der Brief") nachhaltig die Raplandschaft, da sie sich von den klassischen Genreerwartungen lösten und andere mit ihren Flows begeisterten und inspirierten.

Im Jahr 2002 entschied sich das Duo dazu, getrennte Wege zu gehen. Unabhängig voneinander verfolgten beide jedoch ihre Karrieren als Rapper weiter.

Sexion d'Assaut

Sexion d'Assaut zählen zu den erfolgreichsten französischen Rap-Crews der 2000er Jahre. Das Kollektiv, welches Anfang der 2000er gegründet wurde, besteht aus sieben Artists, darunter Maitre Gims, Black MLefaMaska, Doomams, Barack Adama, und JR O Crom. 2005 begannen sie, Musik zu releasen und wurden mit den Jahren immer bekannter.

Mit ihrem Namen, welcher ein Homophon zu "Section d'Assaut", dem französischen Begriff der NS-Sturmabteilung ist, sorgte die Rap-Gruppe häufig für Diskussionen. Sie selbst haben ihren Namen jedoch laut eigener Aussage niemals mit der Nazizeit verbunden, sondern sehen den Begriff (wörtlich übersetzt: "Angriffsabschnitt") eher als eine Art Kriegserklärung an die Rapszene:

"Wir greifen Rap an! [...] Es ist ein Kampf. Wer hat den besten Flow, die besten Formeln. Rap ist die Musik, bei der die Konkurrenz zwischen den Künstlern am größten ist."

("Nous sommes à l'assaut du rap! [...] C’est un combat. C’est à qui aura le meilleur flow, les meilleures formules. Le rap, c’est la musique où il y a le plus de compétition entre les artistes.")

Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland dürfte die Rap-Gruppe mit ihrer 2011 releasten Hit-Single "Désolé" ordentlich für Ohrwürmer gesorgt haben - sie kletterte damals auf Platz 20 der deutschen Singlecharts. Ihr viertes und bisher letztes Album "L'Apogée" (deutsch: "Der Höhepunkt") wurde am 5. März 2012 veröffentlicht und ging bereits nach einer Woche Gold.

Ihr künstlerisches Ziel sei es gewesen, "sich wieder mit dem ursprünglichen Geist des Hiphop zu verbinden" und sich von der materialistischen Einstellung abzuheben. Sexion d'Assaut haben zwar seit 2012 keine Musik mehr rausgebracht, planen jedoch eine gemeinsame Frankreich-Tour im Jahr 2022. Zusätzlich wurde ein Comeback-Album namens "Le Retour Des Rois" (deutsch: "Die Rückkehr der Könige") angekündigt. Ein Releasedatum steht bisher noch nicht fest.

Maitre Gims konnte sich währenddessen seit 2012 international einen Namen machen und ist mittlerweile einer der bekanntesten französischsprachigen Sänger. Features mit Künstler*innen wie Lil WayneAlvaro Soler und Shirin David bestätigen seinen Status als internationaler Superstar. Auch Black M, Lefa und Maska machen weiterhin ohne die Crew Musik.

Booba

Wer sich mit französischem Rap auskennt, für den dürfte Booba kein unbekannter Name sein. Der 44-Jährige gehört nämlich bis heute zu den bekanntesten Rappern des Landes. Seine Karriere begann bereits in den 90ern als Teil der Rap-Crew Lunatic. 2002 begann er jedoch, allein Musik zu machen und veröffentlichte im selben Jahr sein Debütalbum "Temps Mort" (deutsch: Auszeit). Der Erfolg der Platte führte zu einem Signing beim Major-Label Universal und bereits zwei Jahre später kam dann sein zweites Soloalbum "Panthéon". Sein Sound kann als eine Mischung aus Gangsta- und Hardcore-Rap beschrieben werden.

Nach fast einem Dutzend Solo-Alben und zahlreichen Mixtapes hat Booba eine lange Karriere hinter sich. Der 44-jährige Artist ist sogar Gründer seines eigenen Labels namens 92i, das dazu beigetragen hat, Newcomer bekannt zu machen. Künstler*innen, die bei ihm unter Vertrag genommen wurden sind zum Beispiel Damso, Shay, Siboy und Kalash. 

Die meisten seiner Texte sind rau, begleitet von dunklen Melodien. Rassismus ist eines der wiederkehrenden Themen, das in vielen seiner Tracks behandelt wird.

"Um dieselben Chancen zu haben, wie die anderen, musste ich doppelt hart arbeiten"

("Pour avoir les mêmes chances que les autres j'ai dû faire le double" Booba – Ma Couleur)

Heute lebt Booba in Miami, macht jedoch weiterhin Musik auf Französisch und genießt noch immer Ansehen in der Szene. Seine neuesten Alben, darunter "Throne", welches im Dezember 2017 veröffentlicht wurde und dreimal Platin ging, bestätigen seinen Status als Pionier des französischen Rap.

Disiz la Peste

Sérigne M'Baye Gueye, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Disiz La Peste, ist ein französischer Rapper und Schauspieler. Als Sohn eines senegalesischen Vaters und einer belgischen Mutter wuchs er von klein auf mit Hiphop auf und war ein Fan der Rap-Gruppen Suprême NTM und IAM. Er wurde von JoeyStarr von NTM entdeckt, nachdem dieser sein Demoband namens "Bête De Bombe" gehört hatte.

Im Jahr 2000 begeisterte er Frankreich mit seinem Hit "J'pète les plombs" (deutsch: "Ich werde verrückt"), der über 500.000 Mal verkauft wurde.

Im Laufe seiner Karriere arbeitete er nicht nur mit Rappern zusammen. Von Hip-Hop über elektronische Musik bis hin zu traditionellen afrikanischen Sounds - Disiz la Peste, der heute nur noch Disiz genannt wird, bewegt sich in jedem Genre wie ein Profi. Denn dass die Rapper-Schublade ihm zu klein ist, stellt er auch mit über 40 Jahren noch regelmäßig unter Beweis.

Als er 2009 sein Karriereende bekannt gab, stellte er klar, dass sich dies lediglich auf seine Rapkarriere bezog. Er hatte den Wunsch, sich auf andere Genres, wie beispielsweise Rock, zu konzentrieren.

Bis heute lebt sich Disiz musikalisch aus und überrascht jedes Mal aufs Neue mit seiner Wandelbarkeit. Sein jüngstes Album "Disizilla" erschien im September 2018 und seine letzte Single namens "Casino" kam erst letzten Monat raus.

113

113 ist eine 1996 gegründete Rap-Crew bestehend aus den drei Freunden Rim'K, AP und Mokobé. Namensgebend für die Gruppe war die Nummer des Gebäudes in Vitry-sur Seine, einem Vorort von Paris, in dem sie ihre Jugend verbrachten.

In ihren Texten thematisieren die drei häufig ihre afrikanischen Wurzeln, um ihre Einwanderungserfahrungen mit Frankreich zu teilen. 113 erlangten mit der 1998 erschienenen Single "Truc de Fou" (deutsch: "Verrücktes Zeug") aus ihrem Debütalbum "Ni Barreaux, Ni Barrieres, Ni Frontieres" (deutsch: "Keine Gitter, keine Barrieren, keine Grenzen") erste Bekanntheit. Nicht lange später erschienen ihre Werke auf Plattformen wie Planète Rap II, Freestyle Operation und Premiere Classe, und trugen dazu bei, dass sie nicht mehr nur im Underground bekannt waren. Das erste full-length Album des Trios, "Les Prince de la Ville" (deutsch: "Die Prinzen der Stadt"), mit ihrer wohl bekanntesten Single "Tonton du Bled" (deutsch: "Onkel vom Land"), kam im Jahr 2000 raus.

Ihre nachfolgenden Alben kamen gut an und ebneten den Weg für das erfolgreichste Album des Trios: "113 Degrés". Nach ihrem Durchbruch releaste die Gruppe ein Jahr später ein weiteres Album, vertrieben über ihr Independent-Label Frenesik.

Das Trio war vor allem für seine unverwechselbare Mischung aus französischem RnB und nordafrikanischer Musik bekannt. 2010 veröffentlichten sie mit "Universel" jedoch ihr letztes Album.

Das ehemalige 113-Mitglied Rim'K ist heute noch ein relevanter Akteur in der Szene, veröffentlicht nach wie vor regelmäßig Musik und sorgte 2018 zusammen mit dem Newcomer Ninho mit "Air Max" für einen der Tracks des Jahres.

Diam's

Die Rapszene wird auch in Frankreich immer noch überwiegend von Männern dominiert. Diam's war eine von wenigen Künstlerinnen, die den Weg für viele andere Frauen in der Hiphop-Szene geebnet hat.

Sie wurde 1980 in Zypern geboren und wuchs in einem Vorort von Paris auf. Mit nur 18 Jahren unterzeichnete sie einen Entwicklungsvertrag mit BMG Music Publishing France. Mit der Hilfe des Verlags arbeitete die junge Künstlerin an ihren Rap-Skills und konnte sich bereits ein Jahr später einen Deal bei Universal Records sichern. Im Jahr 2003 schaffte sie mit dem Album "Brut de Femme" ihren Durchbruch und ging damit Gold.

Ihr drittes Album, welches 2006 veröffentlicht wurde, eroberte die gesamte französische Musikszene. "Dans Ma Bulle" schaffte es mit 60.000 verkauften Exemplaren nach nur einer Woche auf Platz eins der französischen Charts und brachte die Hit-Single "La Boulette" hervor.

Im Jahr 2012, nach der Veröffentlichung ihrer Biografie, gab die Rapperin das Ende ihrer Karriere bekannt. Acht Jahre später erläuterte sie auf Instagram wohl ihre Entscheidung:

"Ich hatte das Interesse am Geschäft verloren, nachdem ich im Musikgeschäft alles gewonnen, aber auch menschlich alles verloren hatte."

Oxmo Puccino

Der Pariser Rapper Oxmo Puccino tauchte erstmals in den 90ern am Rap-Horizont auf. Besonderes Augenmerk legte er von Anfang an auf das Schreiben. Seine durchdachten Lyrics, welche häufig als "Poesie" bezeichnet werden, und seine Wortspiele heben ihn von der Masse ab. Er bezeichnet sich selbst als Dichter, was sich oftmals auch in seinen Texten widerspiegelt. Nach 20 Jahren Karriere genießt der 47-Jährige hohes Ansehen in der französischen Rap-Industrie und hat bereits mit sehr erfolgreichen Artists zusammengearbeitet. Dazu zählen zum Beispiel 113, Booba und X-Men.

Obwohl er nicht zu den größten kommerziellen Erfolgen im Rap zählt, hat Oxmo dennoch seine Spuren hinterlassen: 2016 platziert Complex UK den Pariser auf Platz 8 der besten französischen Rapper und vergleicht ihn aufgrund seiner "bemerkenswerten Fähigkeit, Geschichten zu erzählen" sogar mit The Notorious B.I.G. 2019 veröffentlichte er sein neuntes Studioalbum, das es auf Platz 17 der französischen Charts schaffte.

Der ursprüngliche Hardcore-MC hat über die Jahre seine Vielseitigkeit bewiesen und seinen Sound stets verändert - heute lässt er sich unter anderem von Jazz-Musik inspirieren. Viele seiner Werke wurden mit Preisen ausgezeichnet und er gilt immer noch als einer der Besten im französischen Rapgame.

Rohff

Auch wenn seine größten Songs und Alben mittlerweile mehr als zehn Jahre alt sind: Rohffs Status als eine der prägenden Figuren der französischen Szene ist unumstößlich. Der 43-jährige, der wie 113 in Vitry-sur-Seine aufgewachsen ist, zählt mit über 1.950.000 verkauften Alben auch zu den absoluten Bestsellern.

Sein Debütalbum "Le Code de l'Honneur" (deutsch: "Der Ehrenkodex") war sehr erfolgreich und ist bis heute für viele ein Klassiker. Alle folgenden Alben hatten ebenfalls einen guten kommerziellen Erfolg: Im September 2001 veröffentlichte er sein zweites Album "La Vie Avant la Mort" (deutsch: "Das Leben vor dem Tod"). Es verkaufte sich rund 250.000 Mal und landete auf Platz 5 der französischen Albumcharts.

Mit eingängigen und prägnanten Texten richtet er sich häufig gegen den Staat, das System und die Polizei:

"Ich appelliere an alle, die mir dort zuhören / F*ck die Polizei /

F*ck das Gesetz, f*ck alle Richter, Staatsanwälte / [...] /

Wir sind der Widerstand, so mutig wie Mike Donovan"

("J’passe un appel à tous ceux qui m’écoutent là / N*que la police / N*que la justice, n*que tous les juges, procureurs / [...] / Nous sommes la résistance, aussi brave que Mike Donovan" Rohff – V)

Der 43-Jährige macht auch jetzt noch Musik und kündigte vor kurzem sein nächstes Projekt "Grand Monsieur" auf Instagram an.

Kaaris

Kaaris begann seine Rap-Karriere Ende der 1990er Jahre. Er veröffentlichte einige Tracks unter dem Künstlernamen Fresh, bevor er 2003 zu seinem Bruder an die Elfenbeinküste zog. Als in dem Land ein Krieg ausbrach, schloss er sich einem französischen Militärlager an und schaffte es, nach Frankreich zurückzukehren. Er begann dort wieder zu rappen und veröffentlichte 2007 sein erstes Mixtape "43eme BIMa", benannt nach dem Militärlager, das ihn in der Elfenbeinküste aufgenommen hatte.

Dieses Tape verhalf ihm zu größerer Aufmerksamkeit und Features mit bekannten Rappern wie Booba. Wer in den letzten Jahren die Szene verfolgt hat, wird mitbekommen haben, dass die anfängliche Sympathie der beiden Stars nicht bis heute angehalten hat: Nach einer öffentlichen Schlägerei im Pariser Flughafen Orly wurde lange über einen möglichen MMA-Kampf der beiden diskutiert. Dazu ist es bis heute jedoch nicht gekommen.

Einige Jahre später tat Kaaris sich mit dem Producer Therapy zusammen und veröffentlichte 2013 sein Debütalbum, "Or Noir" (deutsch: "Schwarzes Gold"), das dank Tracks wie "Zoo" schnell auf Platz drei der Albumcharts landete. Nach dem Release von "Or Noir II" im Jahr 2014 wurde Kaaris bei Def Jam France unter Vertrag genommen und veröffentlichte seitdem fünf weitere Studioalben, darunter auch "Or Noir III".

Der 41-Jährige ist nach wie vor aktiv und zahlreiche internationale Artists sowie Musikmagazine haben ihn auf dem Radar. Einigen Deutschrapfans könnte er nach seiner Kollabo mit Fler auf dem Remix zum Track "Diarabi" bereits bekannt sein.

Erst vor Kurzem veröffentlichte er seine neue Single "Hallyday", die im Vergleich zu seinen früheren Tracks wesentlich melodischer ist und eventuell auf einen Stilwechsel hindeutet.

Nicht nur die 90er, sondern auch die 2000er haben die Raplandschaft geprägt und somit zu dem geformt, was sie heute ist.

Die Szene wächst und wächst seither stetig und es tauchen immer mehr Sterne am französischen Raphimmel auf. Vor allem Großstädte wie Paris oder Marseilles haben eine riesige Underground-Szene. Im dritten und letzten Teil der Reihe zu Rap Français werden wir uns daher der neuen Generation des französischen Hiphop widmen und einige Künstler*innen vorstellen, die man unbedingt auf dem Schirm haben sollte.

Den ersten Teil der Reihe findest du hier:

Rap Français #1: Die Legenden & Pioniere des französischen Rap

In den 1970ern kam Rapmusik erstmals in Amerika auf und war vor den 80er Jahren auch hauptsächlich auf die USA beschränkt. Nachdem das Genre jedoch immer mehr an Popularität gewann und internationale Aufmerksamkeit auf sich zog, ließen andere Länder nicht auf sich warten und bildeten langsam eigene Hiphop-Szenen.

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