RAF Camoras Rückkehr: Wie er seine "Zukunft" einläutet

RAF Camora lebt - wieder! Über Nacht feierte der 37-jährige Künstler durch den spontanen Release seines neuesten Albums "Zukunft" sein Comeback. Gut, zugegebenermaßen liegt sein letztes Album "Zenit" (beziehungsweise die RR-Version dessen) gerade einmal anderthalb Jahre zurück  eine recht überschaubare und gewöhnliche Zeitspanne zwischen zwei Studioalben. Von einem Comeback ist hier aber trotzdem die Rede, da er "Zenit" damals als letztes Album gelabelt hatte und damit sein Karriereende bekanntgab. Mit dem neuen Album wird nun aber doch noch das nächste Kapitel in der Erfolgsstory von RAF Camora geschrieben.

Das Comeback von RAF Camora

Fans der ersten Stunde sollte direkt eines aufgefallen sein: Der Titel seines neuen Albums schlägt den weiten Bogen zu seinem ersten Studioalbum "Nächster Stopp Zukunft" aus dem Jahre 2009. Diesen Stopp zu erreichen, hat RAF Camora (jetzt auf Apple Music streamen) also gute zwölf Jahre gekostet. Auf halber Strecke des Weges konnte er dann seinen musikalischen Durchbruch feiern: Mit "GHOST" hatte er im April 2016 die endgültige klangliche Symbiose seiner beiden Persona RAF Camora und RAF 3.0 erschaffen und damit den Grundstein für "Palmen aus Plastik" gesetzt, das noch im selben Jahr erschienen ist und eine neue Messlatte im Deutschrap gesetzt hat.

Seitdem wurde ein Erfolg nach dem nächsten gefeiert, ein Rekord nach dem nächsten geknackt. Und dann kam das scheinbare Karriereende. Dient das Comeback nun also als Reflexion der vergangenen Jahre? Was kann man inhaltlich und was kann man klanglich von dem Album erwarten  hören wir hier, wie die "Zukunft" zu klingen hat? Mit 14 Songs hat das Album in jedem Fall genug Möglichkeiten, sich klar zu positionieren.

Intro lässt RAFs Pause Revue passieren

Wie es sich für ein gelungenes Comeback gehört, lässt RAF auf dem düsteren, atmosphärischen "Intro" die Zeit nach seinem letzten Album Revue passieren. Er spricht dort darüber, wie er seinen Kopf frei von allem bekommen wollte und möglichst weit weg von zuhause sein wollte. Doch schnell musste er merken: Ohne La Familia geht es eben doch nicht. Sein Opa ist gestorben, seine Schwester hat einen Sohn bekommen. Ein paar Lines widmet er dann schließlich auch seiner Musik:

"Und jetzt schreib' ich diesen Track, ich brenne, wie du siehst
Nie wieder lass' ich auch nur 'ne Sekunde die Musik
Man merkt, was es wert war erst, wenn man es verliert
Kämpfe, bis der schwarze Rabe mir die Seele wiedergibt"

RAF Camora hat sich eingestehen müssen, dass er die Musik braucht. Fans können also erleichtert aufatmen, da sein Comeback auch eines bleiben wird und er so schnell nicht mehr von der Bildfläche der Musiklandschaft verschwinden wird.

"Zukunft" bringt den gewohnten Camora-Sound

Die einen wird es freuen, die anderen werden enttäuscht sein. Hört man das Album nach dem Intro weiter, wird eines ganz schnell deutlich: "Zukunft" klingt auch nach Vergangenheit. RAF Camora macht eben das, was er am Besten kann. Er hat seinen eigenen Sound schon lange gefunden – und im deutschsprachigen Raum kann ihm dort auch niemand was vormachen und sein Zepter aus der Hand schlagen. Fans könnte jedoch vielleicht das Gefühl beschleichen, als würde er sich mittlerweile an ein Grundrezept bei seinen Songs halten.

"Chromosom" und der Titeltrack "Zukunft", die beide direkt auf das Intro folgen, reihen sich direkt in das Schema von Songs wie "Adriana", "500 PS" oder "Puta Madre" ein. Auch lyrisch geht er klassisch vor: Während "Chromosom" als Fünfhaus-Westwien-Anthem fungiert, geht der Titeltrack auf die aktuell entspannte Corona-Lage und die damit verbundenen, nach langer Zeit wieder möglichen Feiereien ein.

"Endlich Zukunft, die letzten Jahren war'n hart
Mit Coronamaske im Park, jetzt Riesenparty in meiner Stadt
Mach' Festiveo bis in die Nacht"

Erst mit "Realität" geht das Album inhaltlich wieder auf eine etwas deepere Ebene. Hier reflektiert RAF seinen Erfolg etwas differenzierter und spricht unter anderem an, dass er gerne einen Sohn hätte, sich aber nicht sicher ist, wie das unter seinen jetzigen Lebensumständen überhaupt funktionieren soll. Die Piano-Melodie verleiht dem Track einen gewissen Pathos.

Featuregäste: Wo ist eigentlich Bonez?

"Zukunft" ist ein Solo-Projekt von RAF Camora. Viele Featuregäste holt er sich nicht auf sein Album. Ein Blick auf die Tracklist verrät, dass er sich nur auf vier der vierzehn Tracks Unterstützung von anderen Artists holt.

Auf "Scusa" featured RAF den italienischen Rapper Ketama126. Der bringt durch seinen Part und seine Hook, die melodisch im ersten Moment an "Paparazzi" von Lady Gaga erinnert, frischen Wind ins Album. Auf "Benzin" hören wir RAF zusammen mit Trap-Schwergewicht Ufo361. "Vergesse nie die Street" droppt er zusammen mit Ahmad Amin, den er selbst bei seinem Label Andere Liga gesignt hat. Der Song birgt im Übrigen gefährliches Ohrwurmpotential, da die Hook sich an dem 80s-Klassiker "Somebody's Watching Me" von Rockwell orientiert.

"Kapuze im Club" fällt durch gleich zwei Sachen auf: Einerseits ist es der einzige Song, der eine Spielzeit von vier Minuten übersteigt. Auch "Ebbe" ist mit dreieinhalb Minuten vergleichsweise lang, alle anderen Songs bewegen sich längstenfalls um die Drei-Minuten-Marke. "Zukunft" ist damit ein sehr playlist-, streaming- und radiotaugliches Album. An dem Song ist außerdem auffällig, dass RAF dort mit Maxwell, Gzuz, Sa4 und LX alle Rapper der 187 Strassenbande vereint  bis auf Bonez MC. Zählt man nur seine Studioalben, so war "Hoch 2", das er 2013 noch als RAF 3.0 veröffentlichte, das letzte Album ohne Bonez als Featuregast.

Das sind die Highlights von "Zukunft"

Ob man seine Musik mag oder nicht, eines kann man RAF Camora nicht vorwerfen: Die Produktion seines Album ist gewohnterweise absolut clean und bewegt sich auf einem durchgehend hohen Level.

Auch, was die Songs betrifft, lassen sich auf dem Album gleich mehrere Highlights erkennen. Wie bereits erwähnt ist das Intro eines Comebacks würdig und führt jeden Hörer und jede Hörerin von der ersten Sekunde an wieder in die Welt von RAF Camora ein. Zur Mitte des Albums hört man den Song "Zombie", der mit einem düsteren Gitarren-Riff beginnt. Im Laufe der ersten Strophe knallen dann Live-Drums rein und RAF zeigt, wie man Rock und Hiphop miteinander auf einem hohen Niveau verbinden kann.

Auch "Generation X", der letzte Track des Albums, bietet mit einer leichten Melancholie einen Recap und Rückblick auf seine bisherige Karriere.

"Keiner wollt' sein so wie ich, heute sind sie mein Klon
Bin die Vergangenheit und Zukunft, achtzehn Alben lang schon"

Für seine OG-Fans fügt er hier sogar mit "Wenn ich will, f*ck ich Rap bis auf die Grillz" eine Anspielung auf die Hook seines 2010er "Therapie nach dem Album"-Tracks "Was ich will" ein. Das Album beginnt und endet mit starken Tracks.

Das Fazit zum Comeback-Album von RAF

Dass RAF Camora als Person öffentlichen Lebens nie ganz von der Bildfläche verschwinden wird, war trotz seines Karriereendes als Musiker klar. Mit seinem eigenen Tattoo- und Barbershop in Wien hatte er sich zuletzt ein neues Sidebusiness aufgebaut. Außerdem ist er mit seinem autobiographischen Werk "Der Pakt" unter die Autoren gegangen.

Den spontanen Release eines neuen Albums dürfte den ein oder anderen Camora-Fan aber trotzdessen überrascht haben  auch wenn schon vor wenigen Wochen ein RAF Camora-Plakat in Wien für Spekulationen gesorgt hatte. Fans seiner letzten Alben kriegen mit "Zukunft" genau das, was sie erwarten. RAF hat seinen Sound perfektioniert und fertigt seine Songs nach eben diesem Schema an. Leute, die sich experimentellere und auch inhaltlich tiefere Songs gewünscht hätten, bleiben hier aber etwas auf der Strecke. Seine Pause von der Musik wird hier selten thematisiert, klanglich und inhaltlich wirkt es so, als wäre er nie weg gewesen.

Aber: Nach dem Album heißt nun auch bei RAF Camora wieder vor dem Album. Schon auf dem Track "Vergesse nie die Street", der sich auf "Zukunft" befindet, rappt RAF, dass er beim nächsten Album den Wiener Stadtteil Fünfhaus aufs Cover packen werde. Außerdem wird er bald wieder zusammen mit Bonez auf dem Open Air Frauenfeldli live performen.

Future, RAF Camora & Bonez MC, Apache 207 & mehr: Line-Up des Openair Frauenfeldli 2021 steht fest

Lange hatte man damit gerechnet, dass die Festival-Saison auch dieses Jahr leider wieder ausfallen müsse. Doch nun gibt es einen Lichtblick am Horizont: Das Openair Frauenfeldli. Wie der Name bereits verrät, handelt es sich bei dem Event um eine Schwester-Veranstaltung vom Openair Frauenfeld, welches ja auf das nächste Jahr verschoben werden musste.

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