Mit drei Buchstaben zum Erfolg: Kollegah, Farid Bang und die „JBG“-Historie

"Ein letztes Mal" – so lautet der Slogan für das große "JBG"-Abschlusskonzert am 1. September in Köln. An diesem Tag wollen Kollegah und Farid Bang die "Jung Brutal Gutaussehend"-Ära endgültig besiegeln. Neun Monate nach "JBG 3" erschien passend dazu am Freitag "Platin war gestern". Es soll das letzte Kollaboalbum des Duos bleiben. Grund genug, auf ein fast zehnjähriges Kapitel Deutschrapgeschichte zurückzublicken.

"Das asozialste Tape, was die Deutschrapgeschichte je gesehen hat"

Es ist Ende 2009, als Kollegah und sein damaliger Labelchef Elvir Omerbegovic darüber nachdenken, Selfmade Records an den Nagel zu hängen. "Wir haben wirklich gedacht: 'Okay, es bringt einfach nichts. Es ist keine Aussicht darauf zu sehen irgendwie, dass der Musikmarkt sich noch mal irgendwie verbessert oder erholt oder dass da noch was zu holen ist'", so Kollegah rückblickend. Kaum vorstellbar, dass der ausschlaggebende Grund für diese ernüchternde Erkenntnis der erste Teil von "Jung Brutal Gutaussehend" war.

Dieser erschien im Juni 2009 und verkaufte sich etwa 5.000-mal. Zu wenig, um damit angemessene Einnahmen für alle Beteiligten zu generieren und teure Videodrehs zu finanzieren. Damals ahnte wohl noch niemand, dass aus Kollegah und Farid Bang mal zwei der erfolgreichsten Rapper des Landes werden und sich "JBG" zu einem Millionenbusiness entwickelt.

Kollegah berichtet: Als Selfmade Records kurz vor dem Ende stand

Platz-1-Erfolge in Serie, Gold- sowie Platinauszeichnungen, ausverkaufte Touren ...

Während der kommerzielle Erfolg mit dem ersten Part der Kollaboreihe ausblieb, entwickelte sich das Album selbst unter Fans zu einem Klassiker. Zwei (damals noch) recht unbekannte Rapper, die mehr oder weniger wahllos gegen Szenegrößen schießen und kein Blatt vor den Mund nehmen. Dementsprechend polarisierten die beiden von Beginn an und verschafften sich einige Feinde.

Los ging dies schon wenige Monate zuvor mit dem Selfmade-Sampler "Chronik II". Auf dem Song "Westdeutschlands Kings" arbeiteten Kollegah und Farid Bang erstmals zusammen. Gemeinsam mit Favorite wurden Fler, Sido und Kitty Kat gedisst und der jahrelange Beef mit Aggro Berlin begann. Auf "Jung Brutal Gutaussehend" setzten Kolle und Farid ihren kompromisslosen Film fort. Nicht ohne Grund hatte Kollegah im Vorfeld "das asozialste Tape, was die Deutschrapgeschichte je gesehen hat" angekündigt. Dabei war für Kollegah ursprünglich ein Kollaboprojekt mit Favorite geplant, wie Farid später verriet. Erst in der Entstehungsphase zu "Asphalt Massaka 2" habe Elvir Farid ein gemeinsames Album mit Kollegah vorgeschlagen.

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Während die Fans seit einiger Zeit auf einen dritten Teil von Jung, Brutal, Gutaussehend warten, blickt Farid Bang ...

Mit innovativer Promo in neue Sphären

Schon auf dem ersten Teil war zu hören, was die "JBG"-Reihe im weiteren Verlauf auszeichnete. Neben verbalen Anfeidungen gegen alles und jeden zählt dazu vor allem eine extrem hohe Punchlinedichte, weshalb Farid Bang bei Teil eins von "Gangstarap mit Technik" sprach. Das habe deutschem Rap zuvor gefehlt. Bei "JBG 2" kam ein weiterer Aspekt hinzu: der Humor. 

Bereits 2009 zeigten sich Kolle und Farid mit Videoblogs aus Belgrad als Vorreiter in Sachen Promo, doch zu "JBG 2" sollte das Ganze ein neues Level erreichen. Nachdem die Fans via Social Media und mit einzelnen Textzeilen monatelang heiß gemacht wurden, folgte im Oktober die offizielle Ankündigung, dass "Jung Brutal Gutaussehend 2" im Februar 2013 erscheinen werde. Zuvor war der erste "JBG"-Teil indiziert worden.

Mit aufwendigen Videos wie "Dynamit", "Drive-By" oder "Stiernackenkommando", zahlreichen Making Ofs, Blogs und Scherzsongs wie dem "Fahrkartenkontrolleur" kreierten Kolle und Farid einen Hype, der sich auszahlen sollte. Allein in der ersten Verkaufswoche ging "Jung Brutal Gutaussehend" 80.000-mal über die Ladentheke und stellte das deutsche Rapalbum mit den meisten Verkäufen in der Veröffentlichungswoche der letzten fünf Jahre in Deutschland dar. In Deutschland, Österreich und der Schweiz stieg "JBG 2" auf Platz eins ein. Sowohl für Kollegah als auch für Farid war es das erste Nummer-1-Album. Nach nur drei Wochen ging das Album in Deutschland Gold, was später auch in Österreich der Fall war.

Außerdem schafften Kollegah und Farid Bang den Sprung in den Mainstream. Neben zahlreichen Zeitungs- und Fernsehberichten waren die beiden bei "TV total" zu Gast. Bei Stefan Raab gaben sie sich genauso humorvoll und selbstironisch wie zuvor in ihren Interviews mit den Rapportalen, den Blogs oder auch auf ihrem Album auf Songs wie "4 Elemente".

Kollegah und Farid Bang bei TV total

Sie sind wohl derzeit das Erfolgreichste, was die Hiphop-Szene in Deutschland hergibt: Kollegah und Farid Bang sind dabei auch alles andere als bescheiden, wie Stefan feststellen musste. #tvtotal #stefanraab

An Disses wurde auf "JBG 2" trotzdem nicht gespart. Unter anderem erwischte es Laas Unltd., Kool Savas, Sido, Fler, Cro, Marteria, Kitty Kat, Das Bo, Ferris MC, MC Rene, Miss Platnum, F.R. und Die Orsons.

Im Januar 2014 ereilte "JBG 2" das gleiche Schicksal wie seinem Vorgänger und landete auf dem Index.

Zum Abschluss der große Knall

Immer wieder deuteten Kollegah und Farid Bang einen dritten Teil an, im Dezember vergangenen Jahres war es soweit. "JBG 3" kam raus. Besonders im Blickpunkt stand dabei der sich über Monate entwickelte Beef mit dem damaligen EGJ-Camp, sodass vor allem Bushido, Shindy und Ali Bumaye auf dem Album ihr Fett wegbekommen.

Außerdem verschworen sich Kollegah und Farid gegen die Entwicklung der Deutschrapszene in den letzten Jahren. Mit "Zieh den Rucksack aus" machten sie sich über die Flut an poppigen Afrotrapnummern lustig, nur um kurz darauf in Form von "Sturmmaske auf" zu zeigen, wie es auf "JBG 3" wirklich zugeht. Es war purer In-die-Fresse-Rap, trotzdem wurde "Sturmmaske auf" für beide zur ersten Nummer-1-Single.

"JBG 3" geht los! Die ersten Disses von Kollegah & Farid Bang

Soeben ging die erste richtige Single von Jung Brutal Gutaussehend 3 online. Sturmmaske Auf dient zwar "nur" als Intro für die Kollaboplatte, stellt aber dennoch die Weichen für ein Diss-reiches Album.Die zweifelhafte Ehre, als allererste auf dem letzten JBG-Teil gedisst zu werden, haben Miami Yacine - via Querverweis - und RIN sogar namentlich.

Ohne Streams ging "JBG 3" schon eine Woche vor Release Gold, allein an Deluxe Boxen wurden 75.000 Stück abgesetzt. Es folgten die Spitze der Charts und zahlreiche Streamingrekorde, im April dieses Jahres erlangte das Werk Platinstatus.

Für den wahren Knall sorgte allerdings die völlig aus dem Ruder gelaufene und irgendwann von allen Seiten falsch geführte Mediendebatte um eine Zeile von Farid Bang, die schließlich sogar zu der Abschaffung des ECHOs führte. Wir sparen uns an dieser Stelle, das Thema noch mal aufzurollen.

Kollegah, Farid Bang & der Echo: Wie Rap in die rechte Ecke gerückt wird

Das, was aus dem kalkulierten Echo-Skandal um "JBG 3" geworden ist, wird grade zu einer ernsthaften Bedrohung für deutschen Rap ...

Es wird Zeit

Mehrfach betonten Kollegah und Farid Bang, dass "JBG 3" der Abschluss einer Trilogie ist. Nun dürfte mit "Platin war gestern", quasi einem viertem Teil unter anderem Namen, endgültig Schluss sein. Das Duo folgt offenbar dem Motto: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Erfolgstechnisch wurde mit "JBG" alles erreicht und insbesondere Farid scheint keinen Hunger mehr auf Beef zu haben. "Ich hab' euch alle schon gef*ckt, ich glaub', keiner fehlt", stellte er nach "JBG 3" fest.

Vor allem der letzte Teil zeigte, dass "JBG" nicht etwas ist, was jeder feiern muss oder kann. Schon vor dem ECHO-Skandal stieß das Album auch innerhalb der Szene auf einiges an Kritik. Legitim bei Texten jenseits des guten Geschmacks, die in den Augen vieler nicht mehr lustig, sondern verletzend und verachtend sind. Soundtechnisch stand "JBG" nie für großartige Innovation oder zeitlose Beats. Wer "JBG" anmacht, bekommt stumpfen Battlerap. Ein akustischer Actionfilm, der sehr speziellen Humor erfordert.

So werden Kollegah und Farid Bang nach wie vor von vielen geliebt und von vielen gehasst. Neben ihren Erfolgen kann ihnen der Einfluss auf deutschen Rap jedoch nicht abgesprochen werden. Ob dieser Einfluss mehr positiv oder negativ war, daran scheiden sich die Geister. Auf die Spitze getriebene Punchlines und Vergleiche prägten über Jahre hinweg das deutsche Battlerapgeschehen, doch Kritikern wurde die Silbenzählerei zu viel, der berühmte Vibe wurde vermisst. Promotechnisch schöpften Kollegah und Farid Bang bis dahin ungeahnte Möglichkeiten aus, läuteten das Videoblog-Zeitalter ein und sorgten für einen lange anhaltenden kommerziellen Push zu einer Zeit, in der deutscher Rap an der Chartspitze eine absolute Seltenheit war. Auf der anderen Seite ging es vielen zu sehr um Marketing. Als Rapper schien es irgendwann mehr darauf anzukommen, wie lustig die nächste Blogreihe ist und wer die ausgefallenere Deluxe Box hat, anstatt sich auf die Musik zu konzentrieren.

Für Farid könnte "Platin war gestern" das letzte Release überhaupt gewesen sein. Er möchte sich künftig vermehrt seiner Arbeit als Labelboss für Banger Musik und Helal Money Entertainment widmen. Kollegah wird bald ein eigenes Buch veröffentlichen, seine musikalischen Pläne sind noch nicht bekannt. Falls nicht irgendwann der Entschluss kommt, doch noch einen weiteren Teil aufzunehmen oder der nach wie vor im Raum stehende Kinofilm der beiden erscheint, beginnt nach dem Konzert in Köln die After-"JBG"-Ära, neue Kapitel stehen vor der Tür. Es wird Zeit.