Layla liefert, was Deutschrap gefehlt hat

Der Weg aus dem Schoß des Freundeskreises ins Rampenlicht ist 2020 kürzer als je zuvor. Wo die Industrie nur noch hinterherlaufen und das Tempo anziehen kann, da pushen Künstlerinnen und Künstler sich selbst mit einer Unausweichlichkeit ins Blickfeld der Szene, die so manchen A&R ins Stolpern bringen dürfte.

Zu den interessantesten Gesichtern dieser neuen Generation zählt Layla, die sich letztes Jahr mit einer damals noch ungreifbaren Karriere im Hinterkopf auf den Weg von Münster nach Berlin machte. Heute nimmt die Zukunft zwar langsam Form an, aber zu konkret möchte die 22-Jährige gar nicht vorausplanen, wie sie uns in einem entspannten Gespräch erklärt.

Laylas Weg ins Deutschrap-Game

Es ist gar nicht allzu lange her, dass Layla mit USB-Mic und gecrackter Software in Münster Musik nur für sich und ihre Freunde aufnahm. Die ersten Kostproben finden Anfang 2019 den Weg auf ihren Insta-Account und lassen noch nicht vermuten, dass diese Dame sich gut zwölf Monate später in einer Playlist namens "Deutschrap Brandneu" wiederfinden würde:

Ihren immer noch unveröffentlichten Song "Darling" singt sie vergangenen Februar auf Englisch und mit einer souligen Wärme, die an die musikalischen Vorbilder aus Übersee wie Erykah Badu oder Lauryn Hill erinnert. Entschleunigter, verführerischer Bedroom-RnB, wie man ihn in Deutschland kaum einmal zu hören bekommt.

Die Idee, mit Rap auf Deutsch einer ihrer anderen Facetten eine Plattform zu bieten, reift erst mit ihrer wachsenden Begeisterung für die New Wave. BHZ, Kwam.E, OG Keemo, Pashanim, Symba und Luciano fallen namentlich, als wir über das gute Zeug der letzten Jahre sprechen, das Layla mehr als je zuvor in den Deutschrap-Kosmos gezogen hat.

"Choppa" statt RnB als Einstieg bei Aboveground

Für den endgültigen Einstieg in die Musikwelt wählt sie Ende 2019 relativ spontan einen gerappten Song, obwohl der Plan zuerst ein anderer war. "Choppa" wird statt einer RnB-Nummer für die Aboveground Session gepickt und damit auch für den Entry in die Szene.

"Ich wollte ursprünglich mit einem RnB-Song starten. Dann habe ich mir das Format angeguckt und dachte, 'Choppa' passt besser. Deshalb ist der Song dann auch zuerst erschienen."

Ohne Label oder Vertrieb landet der Song auch im "Deutschrap Radar" bei Apple Music und zählt bei Spotify nach zwei Wochen bereits 100.000 Plays. Der minimalistische Beat vom begnadeten AgaJon passt ideal in eine Zeit, in der Symbas "Blockparty" und "Hash" von Lugatti & 9ine Szene-Hits sind.

Und auch wenn Layla den Erfolg der independent releasten Debüt-Single grade genießt, behält sie ihren Optimismus auf einem geregelten Level. Sie weiß, dass kommende Singles womöglich nicht den gleichen Effekt haben werden, zumal sie sich auch nicht auf ein Genre festlegen will, nur weil es funktioniert. Für die einzelnen Styles in ihrem Repertoire gibt es in Deutschland zwar immer wieder Talente und Experten. Aber kaum jemand bringt alles mit, um Rap und Soul so selbstverständlich wirken zu lassen.

Dass sie bei allem sie selbst bleiben kann, steht für sie über zählbaren Erfolgen und weil sie auf Instagram, in ihrer Musik und im Gespräch so unverfälscht wirkt, glaubt man ihr sofort, dass es sich dabei nicht um Floskeln handelt. Genug Charakter und das richtige Team, um diverse Genres mit Leben zu füllen, hat sie definitiv.

Rascal & AgaJon: Endlevel-Produzenten im Rücken

Wer den Namen AgaJon noch nicht mit konkreter Musik in Verbindung bringen kann, der wird sich angesichts des doch sehr reduzierten "Choppa"-Instrumentals vielleicht fragen, womit er sich den Zusatz begnadet verdient hat. Der junge Producer aus Hamburg versorgt nämlich nicht die größten Stars der Szene mit dem Sound für den nächsten Nummer-1-Hit (auch wenn er es wahrscheinlich könnte).

Soul spielt eine sehr große Rolle im warmen und innovativen Klang seiner Produktionen. Eher Kendrick und Cole als Capi, Summer und Apache. Anderson .Paak und Mick Jenkins statt Farid Bang oder Sido. Nach anderen derartigen Produzenten sucht man in Deutschland weitestgehend vergeblich, bis man auf einen gewissen Rascal trifft. Auch mit ihm arbeitet Layla an ihrer Musik.

Die Credits des Aacheners lesen sich wie ein sehr amtliches Festival Lineup: Kendrick Lamar, Chance The Rapper, J.I.D, Pusha T, Jay Rock, Little Simz, Jorja Smith, Goldlink, Juice WRLD und mehr konnte man bereits auf seinen Produktionen hören. Durch seine Beteiligung an "Juke Jam" auf Chances "Coloring Book" darf er sich sogar als Grammy-Gewinner bezeichnen. Das sind die Levels, von denen wir sprechen.

"Die Leute, mit denen ich arbeite, verstehen mich und meine Vision. [...] Ich bin mega glücklich und dankbar, dass sie mit zusammenarbeiten und wir befreundet sind. Rascal war auch einer der Ersten, die mich supportet haben mit Beats. Es ist sehr schön, wie organisch das alles bei uns zusammengewachsen ist."

Dass die Jungs mit ihrer Musik nur Nischen der deutschen Musikwelt erreichen, spricht für Layla sogar zusätzlich für die Zusammenarbeit. Sie selbst wurde ohnehin eher durch Musikerinnen und Musiker aus Übersee geprägt. Zu ihren Zielen gehört es nämlich, Leuten in Deutschland, die bislang für ihren Musikgeschmack über den Atlantik schauen müssen, eine Alternative zu bieten.

Eine Alternative, die Layla während ihre musikalischen Sozialisierung vermisst hat. Denn neben Joy Denalane suchte sie in Deutschland vergeblich nach wirklichen Vorbildern und Inspirationsquellen. Man könnte sagen: "Be the change you want to see in the world", aber solche Facebook-Kalendersprüche sind Layla zu corny. Etwas Wahres steckt trotzdem drin.

2020: Labels klopfen, Pläne laufen

Aus diesem Anspruch heraus leiten sich auch die Pläne für die Zukunft ab. Layla wünscht sich mehr Frauen und mehr Authentizität in der Musikwelt. Das Video zu ihrem neuen Song (VÖ: 6. März) – das konnte sie uns bereits verraten – droppt sie pünktlich zum Weltfrauentag am 8. März. Erstmal weiterhin in Eigenregie, was uns zum nächsten Punkt führt.

Denn die Musikerin weiß genau, welche Risiken hochdotierte Verträge mit sich bringen können. Oft genug haben wir vielversprechende Acts bei Major-Labels ihr Profil verlieren oder sich zu ausgelutschten Memes entwickeln sehen. Bevor unter irgendeinem Deal Laylas Unterschrift landet, muss sie sich sicher sein, künstlerisch freie Hand zu haben. Authentizität eben. An Optionen mangelt es jedenfalls nicht. Um nicht zu konkret zu werden: Die Interessenten stehen Schlange.

Auf mehr Musik 2020 dürfen wir uns definitiv freuen. Ob es nun Rap, RnB, Soul oder etwas ganz anderes werden wird, lässt Layla sich selbst ebenso offen wie ihre Ankündigung für Anfang März. Und das ist ein weiterer Aspekt, der der deutschen Musikwelt aktuell nur guttun kann: Unberechenbarkeit ohne Plastikverpackung.

Mehr interessante Künstlerinnen und Künstler findet ihr in unserem "Newcomer Spotlight". Unter diesem Link findet ihr auch unsere Artikel von 2018 und 2019, in denen wir schon früh Acts wie BHZ, Kwam.E, Reezy oder Elias in den Fokus gerückt haben.