Kollegah, Kool Savas, Dendemann & Co: Wie-Vergleiche haben Köpfe gef*ckt

Du hängst mit deinen Freunden rum. Ihr redet über dieses und jenes. Auf einmal durchzuckt es dich und ein fragwürdiger Wie-Vergleich schießt aus dir heraus. Es ist wie ein Reflex und es lässt nicht mehr abschütteln. Einzelne Worte oder Wortkombination triggern einfach den Pseudorapper in dir.

Wenn du Ende 20 oder Anfang 30 bist, dann wurde dein Kopf vermutlich nach der Jahrtausendwende umprogrammiert. Rap hat ein eigenartiges Denken in dir angestoßen, das sich bis tief in den Alltag erstreckt: Wie-Vergleiche haben Köpfe gef*ckt.

Dendemann, Samy Deluxe & Absolute Beginner – von Hamburg ins Unterbewusstsein

Deutschrap Ende der Neunziger: In dieser Phase des deutschen Sprechgesangs dominieren lokale Lager. Die Hamburger Schule wird damals unter anderem durch die (noch Absoluten) Beginner, Eins Zwo und Samy Deluxe vertreten.

Neben mehrsilbigen Reimen liefern die Herren auch erste Wie-Vergleiche, bei denen der Zuhörer kurz ins Grübeln kommt. Eißfeldt ist auf "Füchse" zum Beispiel stets vorsichtig unterwegs. Er findet dafür einen Vergleich, der sich nur erschließt, wenn man popkulturell auf der Höhe ist:

"Immer auf der Hut - wie Udo darunter!"

Auch die Kollegen Dendemann und Samy Deluxe hantieren gerne mit Bildern und Codes, die oft mehr sind als ein treffender Reim. Der Vergleich gewinnt dadurch an Komplexität, dass er oftmals ein raffiniertes Wortspiel enthält. Die Gleichsetzung von zwei Elementen, die oberflächlich betrachtet keine Gemeinsamkeit aufweisen (nachfolgend: "Hüftschwung" und "Underberg"), entwickelt sich über die Jahre zu einem Sport. Dendemann war hier sicherlich wegweisend.

"Ich mein' allein mein Hüftschwung ist ein technisches Wunderwerk / Der den Absturz mal kurz beschleunigt wie'n Underberg" ("Hand auf's Herz")

Samy Deluxe war auch schon der Typ, der "an Rap festhält, wie Max an seiner Liebe". Selbst bei diesem nicht sonderlich imposanten Vergleich benötigt der Hörer ein Mehrwissen, um die Line vollständig zu erfassen.

Kool Savas & mehr: Berlin mag es unberechenbar

Kool Savas hat das Wie-Vergleiche-Game erheblich nach vorne gebracht. Er besticht hier allerdings nicht durch die komplexesten Wortspiele, sondern durch herrlich absurden Humor. Die Frau des imaginären Battlekontrahenten "schluckt wie ein gieriges Vögelchen". Merkmale der anderen Crew? Sie ist so sanft "wie die untere Haut am Schwanz. Weitere verrückte Vergleiche des King of Rap kannst du hier nachlesen:

Schon zu Zeiten von Westberlin Maskulin wurde deutlich, dass in der Bundeshauptstadt derbere Worte gewählt werden. Taktloss "demonstriert Dopeness wie Heroin" und seine Flows sind für "ausgehungerte Rapfans [...] wie Rosinenbomber". Bei M.O.R. lassen sich ähnliche Perlen des absurden Vergleiches aufspüren. Hier ist nicht von Bedeutung, wie galant eine Line klingt, sondern dass sie sich vom Durchschnitt abhebt. Fumanschu ist der einzelne Track nicht wichtig, seine Leistung ist eh egal – aber er hatte Spaß bei der Sache:

"Verkack den Titel, ich geh ab im Studio wie ein wunderschöner Beatle" ("Bei mir")

Kollegah & Farid Bang: Das Um-die-Ecke-denken wird massenkompatibel

Von manchen gerne als "Kreuzworträtselrap" verspottet, bringt Kollegah mit seinen Zuhältertapes das Vergleichs-Game auf ein neues Niveau. Nicht selten setzt die Erkenntnis erst nach mehrmaligem Hören ein. Kollegah verbindet anspruchsvolle Reimstrukturen mit kleinen Denksportaufgaben. Fragezeichen rotieren im Kopf, wenn der Ex-Selfmade Rapper erklärt, dass es ihm überhaupt nicht darum ginge, mit seinen lyrischen Fähigkeiten anzugeben:

"Um dann rumzumachen, das ist keine Angeberei / Das ist nur Information wie ne Kunstflugstaffel" ("Alphamassaka")

Der Hörer ist gezwungen, einzelne Silben gedanklich neu anzuordnen, damit der gebrachte Vergleich letztendlich zutrifft. Wie weit man dieses Spiel treiben kann, zeigt Kollegah beispielsweise im Track "Omega", wenn er auf das Alkoholproblem des Vaters eines imaginären Gegners abzielt:

"Fängt zu saufen an um zehn und will erstmal ein Glas um die Uhrzeit exen, wie im Dinosauriermuseum"

Auch der wenig dezente Hinweis auf eigene Regentschaft in Sachen Rap verpackt Kolle in einen Wie-Vergleich, der eine komplette Satzkonstruktion ist.

"Der Boss ist wie Viagra, man kann denken, was man will, doch das Ding is' er regiert"

Omega

Omega, a song by Kollegah on Spotify

Doch auch Kollegah ist nicht von Fehlern befreit. Farid Bang inszeniert sich als Kollegahs maximal asozialer Seelenverwandter und ist nicht minder darum bemüht, besondere Vergleiche zu etablieren. Farid legt dabei viel Wert auf abseitigen Humor.

"Ich will einen Bl*wjob wie arbeitslose Trompetenspieler" ("Stiernackenkommando")

"Und deswegen werd' ich auf den Straßen gefeiert wie Geburtstage von Pennern" ("Ghettosuperstars")

Ali As ist ebenso ein Großmeister des gehobenen Wortspiels. Die Qualität seines Albums "Amnesia" arbeitet er auf "Hoodie x Chucks" mit einem Hitler-Vergleich heraus, der seinesgleichen sucht. Eva Braun schmeckt das:

"Hater schauen und bauen sich einen Fake-Account / Doch wissen, dass mein Album hitlastig ist wie Eva Braun"

K.I.Z, Fatoni & Co: Die extra einfachen Wie-Vergleiche


Über die Jahre nutzen sich die Mechanismen natürlich ab. Die heutige Generation von Raphörern interpretiert manche Wortspiele vielleicht gar nicht mehr als solche. Schließlich sind sie mit diesen Vergleichen aufgewachsen und kennen es nur so.

 

Da Rapper ebenso Konsumenten von Rap sind, wirkt sich der Abnutzungseffekt der Wie-Vergleiche auch auf die eigene Kunst aus. Eine Line kann dadurch eine Pointe erzielen, indem sie den krassen Wie-Vergleich klar vermeidet.

Fatoni rappt folgende Zeile und scheint den Vergleich gesucht zu haben, der geradezu auf der Hand liegt. Hier ist ein eher ironischer Umgang mit dem Vergleichssport im Rap zu beobachten:

"Fatoni im Haus wie die innere Klinke der Türe" ("Übertreib nicht deine Rolle")

Nico von K.I.Z umgeht ebenso die übermäßig anspruchsvolle Auflösung und hebt vielmehr hervor, wie unfassbar simpel sein Vergleich daherkommt.

"Ich bin fly wie ein Flugzeug, das gerade so richtig, richtig hoch fliegt." ("Herbstzeitblätter")

Ob ironisch gebrochen, mehrfach um die Ecke oder extrem absurd – Wie-Vergleiche sind Teil der Deutschrap-DNA. Als Rapfan ist dieses Muster über die Jahre in das eigene Denken eingesickert und bricht immer wieder heraus. Die junge Generation von Rappern verzichtet weitestgehend auf die übermäßig komplizierten Vergleiche. Mero geht trotzdem hoch "wie 'ne Leiter" ("Baller Los"), auch ohne sich auf Wortspiele zu fokussieren.

Rap ist melodiöser geworden und scheint sich zumindest im Mainstream von einer gewissen Verkopftheit freigemacht zu haben. Wer sich weiterhin nur von einem hohen Wie-Vergleichs-Niveau beeindrucken lässt, wird bei Pedaz, Morlockk Dilemma, Alligatoah, Eko Fresh oder den bereits genannten Rappern fündig.

Um final die Brücke zur Hamburger Schule zu schlagen noch ein zauberhafter Wie-Vergleich von Eizi Eiz:

"Das wars und ich bin draußen wie'n Blinddarm" ("K Zwo")

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