Ihm geht's "GGGut": Warum Yung Hurn für Hiphop steht

"Wenn ein Text bei mir länger dauert als zehn Minuten, ist er meist viel zu durchdacht und schon gar nicht mehr gut."

So beschreibt Yung Hurn in der Sendung Arte Tracks seine Herangehensweise an Songs. Da sträuben sich so manchem Rap-Fan die Nackenhaare. Kaum ein Charakter im Deutschrap-Kosmos polarisiert so wie der Live from Earth-Künstler. Der Österreicher dient vielen als gutes Anschauungsmaterial dafür, dass dieser neue melodiösere Sprechgesang kein Rap mehr sei.

Er hat sich den Luxus erschaffen, alles machen zu können, worauf er Bock hat. Überlebensgroßer Kitsch mit der Love Hotel Band ist genauso möglich, wie der vollkommene Irrsinn als K. Ronaldo alias der große Bruder aus Amerika mit dem Drogenproblem. Irgendwo zwischen diesen Extremen turnt Yung Hurn herum und bleibt ein unbegreifliches Phänomen für echte Rap-Heads. Einst als Posterboy für die Cloudrap-Generation verschrien, ist Hurn viel mehr geworden als der Typ, der öfter mal "Nein" sagt.

"Ok Cool" riss 2017 schon gut ab, "Bianco" mit RIN ist eine der Hymnen 2016 gewesen und zum Ausklang diese Jahres stellt "GGGut" nochmals unter Beweis, dass der Hype um Yung Hurn eigentlich nie aufgehört hat. Die YouTube-Trends lügen nicht und dort rangiert der Wiener mit seinem Output stets weit vorne. Immer wieder kommen neue Songs, die jeden Verfechter für Rap mit Aussage vor unlösbare Rätsel stellen. Dass die Uhren bei Yung Hurn anders ticken, zeigen auch seine raren Interviews, die neuerdings gerne auf Englisch geführt werden. In ihnen kommt etwas zum Vorschein, dass Realkeeper mit den Ohren schlackern lässt. Yung Hurn ist nämlich wahrscheinlich mehr Hiphop als viele MCs, die sich durchgehend über Inhalte und Reimschemata definieren.

Seine Sozialisation hat in vielen Bereichen der Hiphop-Kultur stattgefunden. Bei Ssense erzählt er, dass er in seiner Jugend tief in der Graffiti-Szene verwurzelt war. Die Sache mit dem Malen ging so weit, dass er manchen Freundinnen nicht von seinem Aktionen im U-Bahn-System erzählen konnte, um sie nicht zu gefährden. Der künstlerische Ausdruck war mehr als ein bloßes Hobby. Dass Hurn ein Auge für Streetart und Styles hat, ist auch in seinen Videos ersichtlich. Er blieb aber nicht ausschließlich beim Sprühen. Die Rap-Karriere habe ganz klassisch mit Freestyles auf Oldschool-Beats angefangen. Das Gleiche gibt er gegenüber Hypebeast zu Protokoll und beruft sich zusätzlich auf Three 6 Mafia und Outkast, wenn es um Musik geht, die er aktuell hört. Die Instrumentals auf den Hurn seinen Gedanken freien Lauf lässt, kommen oft von niemand geringerem als DJ Stickle. Dieser ist kein unbeschriebenes Blatt, sondern vielmehr ein gestandener Hiphop-Producer, der sich vor allem für das EGJ-Camp verdient gemacht hat.

collabo mixtape ft. Demna Gvasalia coming soon : @__stickle__

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Werdegang sowie Einflüsse stehen auf den ersten Blick in einem starken Kontrast zu der Kunst, die Yung Hurn in den letzten Jahren ablieferte. Sein Anspruch sei, dass sein Werk möglichst "f*cked up" rüberkomme. Er strebe nach maximaler Freiheit. Dies wiederum findet Anklang in einer Welt, die fast schon als Hiphop-Element angesehen werden kann. Die Modeindustrie und Fashion-Szene lechzt nach genau so einer Spannung bei freigeistigen Typen, die eine Portion Kredibilität mitbringen. Hurns Love Hotel Band performte bei dem Luxuslabel Vetements und spielte auf der Berliner Fashion Week. Daher ist es nur konsequent, dass der Österreicher einige Interviews auf Englisch führt. Mode ist universell und so ist seine Musik auch geworden. Seine Kunst funktioniert ausschließlich über den Vibe. Im Prinzip ist sie fast seit Tag eins das Paradebeispiel für "Highlevel Ignoranz".

bebbi boss

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Es verwundert unter diesen Gesichtspunkten kaum, dass Fler – dem wohl nie jemand das Hiphop-Ding absprechen würde – Yung Hurn gerne auf seinem Album gehabt hätte.

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hab yung hurn nach feauter gefragt und er hat abgelehnt.... #hardknocklife #trotzdembestermann

Zur Radikalität des Österreichers gehört aber auch, solche Anfragen abzulehnen. Für den eintretenden Fall, dass ihm der Fame zu viel wird, hat er ja bereits K. Ronaldo erfunden. Falls die neue Platte "1220" durch die Decke geht, ist fast davon auszugehen, dass Hurn gegen den Ruhm ankämpft und wieder etwas vollkommen anderes machen wird. Diese Auflehnung gegen etablierte Strukturen ist auch ziemlich Hiphop – selbst wenn der Wiener nur den Erfolg der eigenen Kunstfigur in Grenzen halten möchte. Ganz hat er Hiphop nie aus seinem Werk gestrichen. Wer genau hinschaut, erkennt es. Die leidige Frage, was dieser Typ in der Szene zu suchen hat, enttarnt sich so als eher überflüssig.

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