Haftbefehl & Xatar: Nach dem Vorbild "One" oder "23"?

Es ist immer wieder ein Ereignis, wenn sich zwei Rapper mit Status für ein gemeinsames Projekt zusammentun. Jüngst kündigten die Straßenrap-Koryphäen Haftbefehl und Xatar das Kollaboalbum Der Holland Job an. Die beiden bilden ab sofort das Duo Coup. Damit wird das neue Dreamteam aus Azzlackz und AON den Sommer beherrschen, mindestens thematisch.

Denn Coup wird ein rar gesätes Event im Deutschrap – noch nicht oft produzierten zwei Rapper dieses Kalibers eine gemeinsame Platte. In der Kategorie Kollaboalben gibt es – klar – die CCNs und JBGs, doch Fler und Bushido machten gemeinsam durch CCN bei Aggro ihre ersten Schritte im Rap-Geschäft. Kollegah und Farid Bang bildeten schon ein Duo zu JBG-Zeiten, als sie noch nicht die ganz großen Superstars waren. Dass zwei gestandene Künstler sich aus unterschiedlichen Camps für ein Projekt zusammentun, ist eine Rarität. Schauen wir uns doch mal an, wie solch ein Gipfeltreffen wie Coup in der Vergangenheit aussah:

Kool Savas & Azad – One

2005 gab es den ersten großen Knall. Zwei MCs, die bis dato auf eigenständige erfolgreiche Karrieren zurückblicken konnten, kreuzten die Schwerter für ein Kollaboprojekt. Kool Savas, seines Zeichens King of Rap setzte sich mit Azad, dem Bozz zusammen. Heraus kam One, ein erfolgreiches, rundes und vorallem zu großen Teilen zeitloses Album.

Vorgeschichte: Savas schaute vor dem Projekt lediglich auf sein Debütalbum Die besten Tage meines Lebens zurück. Azad brachte Erfahrung aus drei Solooalben mit ins Studio. Auch vor elf Jahren konnte man reinen Gewissens von zwei der erfolgreichsten Rappern Deutschlands sprechen. 

Konzept: Die beiden tendenziell eher harten MCs bastelten ein sehr stabiles Album. Lyrisch konzentrierten sich Savas und Azad auf ihr Kerngeschäft: Das Battlen. Monstershit, Banana und Tollwut sind Blaupausen, die auch Jahre später für einwandfreien Battlerap angewandt werden können. Mit All 4 One stellte das Duo allerdings auch eine Hymne auf die Beine, die die Besonderheit dieser beiden Battlerapper gut durchleuchten ließ: So setzen Savas und speziell Azad in ihren harten Lyrics oft auf eine zweite Metaebene, auf eine weitere Message an den Hörer. Bei All 4 One drängen sie diese gekonnt in den Vordergrund. All 4 One und Monstershit waren selbstverständlich auch eine hervorragende Auswahl der Singleauskopplungen. Nicht zuletzt knallte das Album soundtechnisch so gut, weil die beiden deutschen Rapper sich Produzentenhilfe aus den Staaten holten. Needlz und L.E.S., die bereits für 50 Cent und Nas Beats bauten, schraubten an One mit.

Reaktionen: One ist eines dieser Alben, auf die sich jeder einigen kann. Die beiden Protagonisten Azad und Kool Savas gehören ohnehin zu den besten MCs des Landes. Die Platte demonstriert ihre passende Chemie und zeigt, dass ein Album keine 20 Songs braucht. Mit lediglich knapp 40 Minuten Spielzeit konnte One sich einen Platz in der Deutschrap-Geschichte erkämpfen. In den Charts erkämpfte sich das Album Platz #5 und kratzt mittlerweile vermutlich an den 100.000 verkauften Einheiten.

Wird Coup so klingen? Haftbefehl hat auf seinen letzten Releases definitiv modernere Töne angeschlagen als Xatar. Das außerordentlich klassische Soundbild von One wird Coup vermutlich nicht aufgreifen. Der Holland Job scheint einem filmischen Konzept zu folgen, technisch sind Savas und Azad eine amtliche Messlatte, aber dass sie battlen können, haben Haftbefehl und Xatar in Vergangenheit oft genug bewiesen. Auf Coup werden aber wahrscheinlich mehr Geschichten erzählt.

Die One-Hits All 4 One und Monstershit findest du außerdem in der Deutsch Rap Playlist, die wir gemeinsam mit Filtr zusammengestellt haben.

Auf der nächste Seite geht es weiter mit Sido, Bushido und 23:

Bushido & Sido – 23

2011 bekam Deutschrap ein Duo, von dem es knapp ein Jahrzehnt nicht mal zu träumen gewagt hätte. Die größten Streithähne Rapdeutschlands, Bushido und Sido, bildeten das Duo 23. Nach der Aggro Ansage 3 war 23 die erste Zusammenarbeit dieser beiden Künstler. Mit der Platte wurde sicher viel Geld verdient – und es gab Preise.

Vorgeschichte: Sowohl Bushido, als auch Sido kamen als absolut gefestigte Superstars ins Kollaboprojekt. Die alten Aggro-Weggefährten nahmen bekanntlich seit Bushidos Weggang von Aggro Berlin verschiedene Routen. Während Bushido nach der Aggro-Zeit äußert busy war (mit sieben Solo- und sechs Kollaboalben oder Samplern über sechsmal Gold und zweimal Platin gesammelt), feierte Sido ebenfalls solide Erfolge: vier Alben, drei davon Gold. Auf den Aggro Ansagen 1-3 rappten Sido und Bushido zusammen mit Fler auf den jeweiligen Titeltracks. Songs der beiden alleine gab es bis dahin nicht.

Konzept: Ein Konzeptalbum war 23 nicht, zeigte aber hin und wieder, dass ein filmischer Ansatz nicht geschadet hätte. Auf Battlesongs wie So mach ich es folgten Radioversuche wie Erwachsen sein mit Peter Maffay. Ein fiktiver Bankraub auf Kopf kaputt zeigte die beiden Künstler allerdings in einem spannenden Zusammenspiel.

Reaktionen: Die Versöhnung von Sido und Bushido sowie die anschließende Ankündigung eines gemeinsamen Albums wurde medienwirksam als großes Event zelebriert. Die Erwartungen waren dementsprechend hoch, die Rezensionen zum Album fielen allerdings durchschnittlich aus. Das größte Problem der Platte schien für Kritiker der entscheidende fehlende Biss zu sein. Vielleicht hat man den beiden gestandenen Künstlern die enorme Lukrativität des Projekts angemerkt. Das Video zu So mach ich es wurde von Aggro-Altmeister Specter gedreht und erhielt den Echo für das beste Video. Die Platte feierte nach knapp einem Jahr übrigens Goldstatus.

Wird Coup so klingen? Nein, Der Holland Job wird vermutlich nicht wie 23 klingen. Abgesehen davon, dass Sido und Bushido zu diesem Zeitpunkt andere Vorzeichen als Haftbefehl und Xatar mitgebracht haben (eine unfassbare Mainstream-Präsenz und mehrfach gold-prämiert), ist Coup mit größter Wahrscheinlichkeit nicht interessiert an radiotauglichen Singles. Xatar und Haft gelten nicht als Künstler, die musikalische Kompromisse eingehen, sie können ihre Härte dementsprechend gut ausspielen.

Fazit:

Xatar und Haft sind nicht zu vergleichen mit den Projekten von Kool Savas und Azad oder Sido und Bushido. Der erste Trailer zu Der Holland Job verspricht einen konsequenteren roten Faden als 23 und One. In der Vergangenheit vertraute Xatar auf das Alles oder Nix-Erfolgsrezept, bewährte Westcoast-Elemente mit New York-Drums zu verbinden. Eine harte, traditionelle, gleichzeitig aber groovige und sehr musikalische Angelenheit.

Haftbefehl und sein hauptsächlicher Produzent Bazzazian stellten in den letzten Jahren einen Sound auf die Beine, den es in dieser Form noch nie in Deutschland gab: Modern, mutig, laut, bildmalerisch, pointiert und in die Fresse. Ob Xatar oder Haft einen musikalischen Kompromiss eingehen, um einander näher zu kommen? Zumindest in Nuancen. Auf bisherigen Features (in dieser Spotify-Playlist gesammelt) präsentierten die beiden eine Mischung der Styles. Golden Brown und Gute Nacht beispielsweise folgten einem harten Battle-Prinzip.

Die beiden Rapper befinden sich in außerdem einer interessanten Phase ihrer Karrieren, irgendwo zwischen Azad vor One und Bushido vor 23Xatar blickt zurück auf drei Alben, nur eines davon produzierte und nahm er auf seit er aus dem Knast ist: Babas aller Babas landete sogar auf Platz #1. Haftbefehl hat sich mittlerweile einen riesigen Ruf erkämpft. Über Azzlack Stereotyp, Kanackis und Blockplatin arbeitete er sich zum überschwänglich bewerteten Russisch Roulette hoch. Die Platte wurde zum Hiphop.de Album des Jahres 2014 gewählt. Der erste Platz in den Charts blieb ihm bislang verwehrt. Eine Goldplatte für Coup wäre ebenfalls die erste für beide Künstler.

Wir sind gespannt auf Der Holland Job. Den Xatar-Haft-Song Golden Brown und die One-Hits All 4 One und Monstershit gibt es außerdem in der Deutsch Rap Playlist, die wir gemeinsam mit Filtr zusammengestellt haben.

Kategorie

Groove Attack by Hiphop.de