Nike hat zum 30. Geburtstag des weltbekannten Slogans "Just Do It" eine neue Kampagne vorgestellt. Colin Kaepernick, der weltweit Bekanntheit erlangte, als er sich bei der Hymne vor den Spielen hinkniete, um auf Rassismus in den USA aufmerksam zu machen, ist das Gesicht der neuen "Just Do It"-Kampagne. Damit stößt Nike eine seit zwei Jahren andauernde Debatte neu an, zieht den Hass patriotischer Bürgerinnen und Bürger unter dem Hashtag #boycottNike auf sich und ruft sogar Donald Trump erneut auf den Plan.
Die Kampagne ist aus verschiedenen Perspektiven interessant: Sie brachte die Börsenkurse Nikes am ersten Tag drei Prozentpunkte nach unten, ist ein beachtliches Zeichen Nikes und könnte sich am Ende doch auszahlen.
Kaepernick ist seit zwei Jahren arbeitslos
Es ist gute zwei Jahre her, als Kaepernick am 14. August 2016 im Rahmen eines Testspiels das erste Mal in die Knie ging. Er wollte damit auf Rassismus auferksam machen - es ging auch um rassistische Polizeigewalt. Nach der Saison wurde er von seinem Verein - den San Francisco 49ers - in den Free Agent-Status entlassen. Seitdem ist er vereinslos. Für einen Spieler seines Alters - Kaepernick ist 30 Jahre alt - ist das ungewöhnlich. Er selbst glaubt, die Teams der NFL würden ihn wegen seiner politischen Statements außen vor lassen. Es gibt nicht wenige, die ihm zustimmen.
"Believe in something, even if it means sacrificing everything!"
Mit diesem Zitat tritt Kapernick in einem zweiminütigen Clip Nikes an. Es bedeutet: "Glaube an etwas. Auch wenn du alles dafür opfern musst!" Das Konzept hinter dem Clip, in dem auch andere Sportgrößen wie Serena Williams, der Skateboarder Nyjah Huston oder LeBron James zu sehen sind, ist keine Revolution. Es geht darum, an sich selbst zu glauben, seinen Träumen nachzueifern und immer nach dem bestmöglichen zu streben. Eine Mischung aus American Dream, sportlichem Pathos und dem Idealbild ständiger Selbstoptimierung:
Das wirklich besondere des Clips und der Kampagne ist etwas Anderes. Nike sendet mit der Auswahl Kaepernicks ein klares Zeichen und bekennt Farbe in einer gesellschaftlichen Diskussion, in der viele US-Bürgerinnen und Bürger Kaepernick mangelnden Respekt den USA und dessen Hymne gegenüber vorgeworfen hatten. Donald Trump empfahl dem 30-Jährigen gar, sich ein anderes Land zu suchen. Später wollte er dann keine Symbolik im Protest auf Knien mehr sehen, sondern forderte einfach Respekt für Land, Fahne und Hymne ein:
Donald J. Trump on Twitter
The issue of kneeling has nothing to do with race. It is about respect for our Country, Flag and National Anthem. NFL must respect this!
Es sind die üblichen Reflexe, die es in Teilen der Gesellschaft stets gibt, wenn soziale Missstände wie Rassismus angeprangert werden. In Deutschland wurden sie diesen Sommer ebenfalls sichtbar, als Özil Rassismus beklagte.
Aber es gab auch Unterstützung für Kaepernick. Obama attestierte ihm, sein verfassungsmäßiges Recht auszuüben, verschiedene NFL-Spieler und Sportlerinnen und Sportler anderer Sportarten solidarisierten sich, indem sie die Protestform weitertrugen. Im Kampf gegen die NFL, der Kaepernick vorwirft, ihn wegen seiner politischen Statements systematisch auszugrenzen, war er allerdings weitgehend auf sich alleine gestellt. Nun hat er offenbar einen starken Partner an seiner Seite: den wohl mächtigsten Sportartikelhersteller der Welt. Ein beachtliches Statement.
Nikes Rolle im amerikanischen Football
Die NFL stört sich am knienden Protest, den viele Spieler immer noch solidarisch mit ihrem (ehemaligen) Kollegen durchziehen. Sie versuchte ihn mit Kollektivstrafen aus den Stadien zu verbannen, drohte den Teams mit Feldstrafen. Die Einführung dieser verhinderte die Spielergewerkschaft NFLPA. Dennoch ist der politische Protest, den Kaepernick initiiert hat, den Klubbossen ein Dorn im Auge. Sie fürchten Ärger mit Sponsoren und damit verbundene Umsatzrückgänge.
Doch auf der anderen Seite ist es Nikes Cash, das die Liga-Bosse so hilflos zurück lässt: Im März einigten sich Nike und die NFL auf einen Deal bis 2028. Er soll über eine Milliarde Dollar schwer sein. Was nun?
Ein wütender Präsident und brennende Swooshs: Was heißt das für Nike?
Während die NFL sich zurückhält, ist das Internet voll von Reaktionen gegenüber Nike und der Kampagne. Donald Trump prophezeit der Brand jedenfalls harte Zeiten:
Donald J. Trump on Twitter
Just like the NFL, whose ratings have gone WAY DOWN, Nike is getting absolutely killed with anger and boycotts. I wonder if they had any idea that it would be this way? As far as the NFL is concerned, I just find it hard to watch, and always will, until they stand for the FLAG!
Was Donald Trump meint, wenn er von Wut und Boykott spricht, ist der Hashtag #boycottNike. Unter ihm äußern Leute ihren Unmut über die Kampagne. Einige besonders aufgebrachte Menschen zerstören ihre Nike-Produkte. Auf eine Auswahl verschiedener Videos wird an dieser Stelle verzichtet. Symbolisch gibt es nur ein Video, in dem gleich fünf Nike-Sneaker ins Feuer geworfen werden. Wer danach heiß auf mehr ist, der wird unter dem entsprechenden Hashtag fündig.
AlterAtYeshiva on Twitter
".@Nike Due to your support of C.K. in your coming adds, I as an American can no longer support your company. #boycottNike #IStandForOurFlag https://t.co/5JxSMD8SSO"
Ob es Nike langfristig schadet, wenn Menschen, die sich von einer Diskussion um Rassismus besonders in ihrem Patriotismus gekränkt fühlen, ihre (vermutlich) bereits bezahlten Nike-Produkte verbrennen, bleibt abzuwarten. Was tragen die Leute nun? Im Idealfall (aus der Sicht Nikes) kaufen sie sich - sobald der erste Ärger verflogen ist - neue Nikes. Vielleicht steigen sie auch auf Adidas um. Aber auch das würde in Oregon vermutlich niemanden langfristig in den Ruin treiben. Denn es gibt natürlich auch die Leute, die genau das Gegenteil tun. So funktionieren die Gesellschaft und das Internet eben:
Arlan on Twitter
Immediately bought some new @Nike.
Ohnehin ist zu vermuten, dass ein paar temporär mehr oder weniger verkaufte Turnschuhe Nike nicht wirklich interessieren. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass der Schritt wohlkalkuliert war. Denn trotz drei Prozentpunkten Verlust des Börsenkurses nach Bekanntgabe, wird der Marketingmove Nikes auf die Marke einzahlen. Denn große Teile der Zielgruppe Nikes sehen den Swoosh mittlerweile weniger als reine Sportmarke, sondern als ganzheitliche Lifestyle Brand - Hiphop-Heads wissen, was gemeint ist. Und in dieser Zielgruppe dürfte Nikes Move gut ankommen. Bisher war Nike ja nicht besonders für ihr Engagement in politischen oder sozialen Fragen bekannt.
Insofern dürfte der wohlkalkulierte Move sich am Ende auch am Markt auszahlen. Es schmälert die Geste keinesfalls. Menschen, die gegen Rassismus aufstehen - oder sich eben hinknien - zu unterstützen, kann nie falsch sein.