Deutschrap meets House: 8 Songs, die du kennen musst
Stickle, Luciano und RIN

130 BPM, Viervierteltakt, 4 to the Floor-Bassdrum: Schon steht das musikalische Fundament für den nächsten catchy House-Hit. Was das mit Hiphop zu tun hat? Nun ja, nachdem sich die allermeisten Rap-Beats jahrelang irgendwo zwischen Trap, Drill und klassischem Boom Bap platzierten, scheinen nun auch Genres der elektronischen Musik immer öfter als Instrumental-Inspiration zu dienen.

Internationales Beispiel: Drakes neues Dance-Album "Honestly, Nevermind". Doch auch hierzulande erfreut sich Hiphop der tanzbareren Sorte großer Beliebtheit. Wir schauen uns nachfolgend die größten, wichtigsten und stabilsten Deutschrap-Tracks an, die durch ihren House-Einfluss (teilweise auch Dance oder Electro, das ist nicht immer ganz trennscharf zu beurteilen) zu absoluten Bangern wurden.

IAM & Luciano – Dunya

Jeder Song ein Hit: Wenn Luciano neue Musik droppt, dann spiegelt sich sein Erfolg ziemlich schnell und ziemlich sicher in den Zahlen wider. Nicht umsonst führt er die Liste der meistgestreamten Deutschrap-Artists auf Spotify in diesem Jahr mit über 6 Millionen monatlichen Hörer*innen an. Schon beinahe untergegangen zwischen großen Tracks wie "Beautiful Girl" oder "SUVs" ist dabei seine Zusammenarbeit mit dem Berliner DJ-Kollektiv IAM – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen, legendären Hiphop-Gruppe aus Frankreich.

"Dunya" verlässt sich auf einen langen Buildup, der die Spannung gerade beim ersten Hören wie von selbst in die Höhe treibt; erst nach knapp zwei Minuten setzt Luciano mit seinem Part ein. Das Instrumental klingt mystisch wie psychedelisch, der Trip durch die Wüste im Musikvideo untermalt diese Stimmung par excellence. Definitiv einer der experimentelleren Tracks dieser Liste. Reinhören lohnt sich aber allemal. 

Miksu / Macloud & makko – Nachts wach

Dass ein Song aus dem Boloboys-Camp schon kurz nach Release zum Radiohit avanciert, sei zwar mehr als gegönnt, war bis "Nachts Wach" allerdings nur schwer vorstellbar. But here we are: Alles, was Miksu & Macloud anfassen, wird bekanntermaßen zu Gold – die neue Single mit makko bildet da keine Ausnahme, belegte sie zwischenzeitlich sogar Platz 2 der deutschen Single-Charts. Gut, streng genommen wurd's also nur Silber. Anderes Thema.

Sanfter, aber gut nach vorne gehender Mainstream House-Beat gepaart mit einem melancholischem makko, der von seinen Struggles erzählt: Das passt einfach gut zusammen.

"Ich hab' tiefe Augenringe, ja, wegen tausend Dinge/
Ich glaub', ich werd' okay, auch wenn ich gerade nicht so klinge"

Es ist einfach dieser absolut spezifische "sich ein bis zehn Flaschen Wein mit seinen Freunden über den Dächern einer Großstadt bis zum Sonnenaufgang teilen"-Vibe, den der Song hier einfängt. Und das funktioniert. Ziemlich gut sogar.

Dennis Dies Das & Whitey en vogue – Bass

Eigentlich könnten weite Teile der Diskografien beider Künstler auf dieser Liste vertreten sein. Dennis Dies Das ("Metro", "TOPFORM") und Whitey en vogue ("Vanilla", "100k Fehler") halten schließlich schon seit Jahren die Fahne für Hiphop im Dance-Gewand hoch – wenn auch weitestgehend unter dem Radar des Mainstream-Publikums. Zumindest bis jetzt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die beiden ihre musikalischen Stärken miteinander verbinden. Und das Ergebnis spricht für sich: Ein Electro-Banger allererster Güteklasse, der direkt in den Kopf geht und dort nicht mehr so schnell verschwindet.

Grund dafür ist nicht nur der dynamische Beat aus der Feder von Robbensohn, sondern auch die an Kylie Minogues "Can't Get You Out of My Head" angelehnte Melodie, auf die der Track aufbaut. Mehr als verdient, dass sich sowohl Dennis Dies Das als auch Whitey en vogue dadurch einem breiteren Publikum vorstellen konnten: Seit dem Release vor gerade mal knapp über einem Monat stieg "Bass" zum meistgestreamten Song beider (!) Künstler auf.

RIN – Sag mir wenn du high bist

Ohne Frage: Von lyrischer Hochkunst kann bei etwas zu oft wiederholten und akzentuierten Lines wie "Ich will zwischen deine Beine" oder "Lass mich in dich rein, Babe" nicht unbedingt gesprochen werden. Wer aber mit dieser Erwartungshaltung an den Song – oder an RINs gesamtes Album "EROS" – herangeht, ist hier ohnehin schlecht beraten. Und das meine ich im bestmöglichen Sinne.

"Sag mir wenn du high bist" transportiert nämlich, genau wie der Rest des Albums, unvergleichliche Vibes. Durch die sich stets wiederholenden TMI-Zeilen verfällt man leicht in Trance, der Beat im Vintage- und Retro-Stil reiht sich perfekt in das Soundgerüst von "EROS" ein. Mit Bazzazian und Alexis Troy stecken außerdem zwei Producer-Schwergewichte hinter dem Song. Immer wieder eine nette Überraschung: Der Hidden Track "Komm in meine Seele", der im Anschluss an den eigentlichen Song läuft. Hat zwar weitaus weniger House-Anleihen, ist aber kein bisschen weniger vibey.

viko63 – Mucho Gusto

Den obligatorischen (und völlig positiv gemeinten) Trash-Spot hat sich viko63 verdient. Mit der Weinhymne "Mucho Gusto" ist er im letzten Jahr viral gegangen und hat sich als eines der größeren Deutschrap-Memes 2021 etabliert. Ja, vielleicht sträubt sich der Sommelier in mir gegen Vikos Aussprache von "Bordeaux", aber vielleicht macht auch genau das den Charme von "Mucho Gusto" aus.

Es ist einer dieser Songs, die man auf ironisch ein paar Mal hört, bis er plötzlich auf dem vierten Platz im Spotify-Jahresrückblick landet und man sich langsam eingestehen muss, dass man die Ironie wohl doch schon längst abgelegt hat. Ihr wisst ja, wie es heißt: Zu Viko sag ich nie no. Macht einfach Spaß. Natürlich gehen hierbei auch Props an penglord raus, der für den eingängigen Beat verantwortlich ist.

Pashanim – Airwaves

Vielleicht eine offensichtliche Wahl, "Airwaves" aber außen vor zu lassen, hätte sich einfach nicht richtig angefühlt. Nicht ohne Grund ist das der Song, mit dem Pashanim nach "Shababs botten" sein endgültiger Durchbruch gelang. Ein 2020er Sommerhit, der den Playboysmafia-Charme einfängt und seinerzeit auf eine ausgelassene Jahresmitte nach dem allerersten Corona-Lockdown einstimmte. Heute wissen wir: Es sollte nicht der Letzte bleiben – ob Lockdown oder Pasha-Banger.

An dieser Stelle gehen große Shoutouts raus an Stickle, der für den Tech House-mäßigen Beat verantwortlich ist. Jahre zuvor hatte er sich mit "Popo" von Yung Hurn bereits in ganz ähnliche musikalische Gewässer gewagt. Kein Wunder, dass wir uns seine eindrucksvolle Karriere als Producer bereits etwas näher angeschaut haben.

nikan – chelsea 2009

Auch bei nikan hat Stickle seine musikalisch begabten Finger im Spiel. Er hat den jungen Künstler bei seinem Label "NOV11" unter Vertrag genommen und bereits mit vielen Instrumentals versorgt. Der Beat von "chelsea 2009" ist jedoch auf Alexis Troy zurückzuführen – der zweite Producer, den wir nicht zum ersten Mal in dieser Liste sehen.

"chelsea 2009" ist ein cleaner und entspannter Song, der über die Genre-Grenzen hinaus schießt. Von der BPM-Zahl passt er klar ins House-Genre. Zwischendrin erinnert ein Drum Break wiederum an etwas zu langsames Drum and Bass. Aber genug mit musikalischer Haarspalterei und Schubladendenken: Der Track ist und bleibt ein Brett und macht gespannt auf alles Weitere, was von dem jungen Rapper noch kommen wird. 

OMG & Ski Aggu – Blau

Zum Schluss geht hier noch Liebe raus an zwei aufstrebende wie vielversprechende Künstler. Binnen drei Jahren hat OMG eine rasante und ziemlich bemerkenswerte musikalische Entwicklung durchgemacht. Rückblickend betrachtet hat er sich beinahe auf jeder neuen Single verbessert und professionalisiert. Das wird besonders dann auffällig, wenn man sich heute noch mal seine ersten Songs wie "Lol" oder "No Cap" – immer noch krasser Track – anhört. "Blau" beweist abermals, dass er ein Ohr für catchy Melodien hat und in ihm wahres Hitpotenzial schlummert. Der mitreißende Beat von DJ Samir, PTL und Lord JKO fördert das natürlich ungemein. Es wäre kaum verwunderlich und nur verdient, wenn OMG in den nächsten Monaten seinen Hype um einiges vergrößern kann.

Ski Aggu steuert hier ebenfalls einen stabilen Part bei und ist mit seiner leicht schrägen und humorvollen Art eine nicht minder interessante Künstlerfigur. Dass man ihn im Auge behalten sollte, haben wir bereits zu Beginn des Jahres in unserer heißen Newcomer-Liste klargestellt. 

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