Anfang des Monats fand wie jedes Jahr die Oscar-Verleihung im Dolby Theatre in Los Angeles statt. Am meisten abgeräumt haben dort die Filme "Anora" (5 Oscars) und "Der Brutalist" (3 Oscars). Da haben wir uns aber etwas überlegt: Da es ja mittlerweile genug Filme im Spektrum Rap und Hiphop gibt, könnte man diese auch mal würdigen. Deswegen haben wir uns einige der Academy Award-Kategorien genommen und sie auf Hiphop-Filme umgemünzt. Im Gegensatz zu den Oscars bekommt jeder der ausgezeichneten Filme und Akteure hier jedoch nur einen Preis. Und, nicht vergessen: Das ist natürlich nur eine subjektive Liste.
Die Hiphop-Oscars
Bester Dokumentarfilm
Bevor wir zu den ersten fiktionalen Filmen kommen, sollte man die Dokumentationsfilme würdigen. Hier geht der Hiphop-Oscar an die "Jeen-Yuhs: A Kanye Trilogy"-Dokureihe aus 2022. Kaum eine Künstlerdoku hat einen tieferen und detaillierten Einblick in das Werk eines populären Musikers. Um Kanye West (oder zumindest den alten Kanye) zu verstehen, muss man sich "Jeen-Yuhs" ansehen. Denn die Entscheidung des Rappers, seinen musikalischen Werdegang von fast Anfang an mit einer Kamera zu verfolgen, hat sich vollends ausgezahlt. Die Doku über den Entstehungsprozess von Yes Debütalbum hat dafür gesorgt, dass "The College Dropout" nach fast 20 Jahren wieder in die amerikanischen Album-Charts eingestiegen ist.
Beste Filmmusik
In dieser Kategorie der Hiphop-Oscars würdigen wir den besten Filmsoundtrack. Dort gibt es zwar starke Konkurrenz, am Ende muss es aber der Soundtrack des ersten "Black Panther"-Films aus 2018 sein. Kaum ein Hiphop-Soundtrack hatte in den vergangenen Jahren so einen Einfluss wie das mit einem Grammy ausgezeichnete Album zum Marvel-Superheldenfilm. Auch bei der richtigen Oscar-Verleihung hatte Filmkomponist Ludwig Göransson damals den Preis für die "Beste Filmmusik" erhalten. Görannson (der vor seiner Zeit als Filmkomponist übrigens für Childish Gambino produziert hat), Producer Sounwave und Rapper Kendrick Lamar kreieren 14 Tracks für den Film. Dabei entstehen gleich mehrere absolute Hits wie "Pray vor Me" mit The Weeknd und "King’s Dead" von Jay Rock, Kendrick, Future und James Blake.
Die absolute Krönung des "Black Panther"-Albums ist aber auf jeden Fall "All The Stars" von SZA und K.Dot. Der Track hat alleine auf Spotify über zwei Milliarden Streams und wurde bei den Oscars 2019 als "Bester Song" nominiert, musste sich aber "Shallow" von Lady Gaga und Bradley Cooper geschlagen geben.
Bestes Kostümdesign
Hier wird es ein bisschen abstrakter. Denn für den Hiphop-Oscar in der Kategorie "Bestes Kostümdesign" muss die perfekte Mischung aus Drip und wirklich ausgefallenen Outfits treffen. Der perfekte Kandidat dafür ist der Martial-Arts-Film "The Man with the Iron Fists" aus 2012. Der Streifen von Wu-Tang Clan-Anführer RZA, der sowohl Regie als auch die Hauptrolle übernimmt, spielt im China des 19. Jahrhunderts und dreht sich um den titelgebenden Mann mit den eisernen Fäusten, der zusammen mit anderen Kriegern sein Dorf beschützen muss. Die Mischung aus zeitgemäßen Gewändern und abgefahrenen Ausrüstungen ist einfach stylisch und hebt den Coolness-Faktor des Films erheblich an. Für einen Großteil werden im Film mit RZA, Russell Crowe und Co. tatsächlich eher praktische Spezialeffekte genutzt als computergenerierte. So auch bei den eisernen, Schleifpapier-ähnlichen Fäusten von RZAs Figur, die manchen Schauspielern, darunter Wrestling-Legend Dave Bautista, beim Dreh sogar einige Verletzungen zugefügt haben.
Der Ehrenoscar
Zugegeben, der Ehrenoscar ist keine der üblichen Kategorien der Academy Awards. Der Sonderpreis wird eigentlich nur an Personen vergeben, vor 1990 konnten aber auch Filme für ihren außerordentlichen Beitrag ausgezeichnet werden. Deswegen zeichnen wir auch hier einen Streifen aus, der nicht ganz in das Schema Hiphop-Film passt, aber in diesem Kontext unbedingt genannt werden muss. "Scarface" ist so eine Ausnahme. Das Gangster-Epos rund um Tony Montana hat, wie Capo es auf seinem Track "Lambo Diablo GT" so schön gesagt hat, "Köpfe gef*ckt". Unzählige Samples, Zitate, Anspielungen und sogar Künstlernamen basieren nur auf "Scarface".
Auch Hauptdarsteller Al Pacino weiß, dass der Film seinen Kultstatus mitunter der Hiphop-Szene zu verdanken hat.
Bester Hauptdarsteller
Kommen wir jetzt zur wohl besten schauspielerischen Leistung eines Rappers in einem Film. Die Westcoast-Legende 2Pac hat es mit seiner ersten Filmrolle in dem Krimithriller "Juice" (1992) geschafft, sich nicht nur als Rapper, sondern auch als Filmstar zu etablieren. Als Roland Bishop lebt er zusammen mit seinen Freunden als Jugendliche im New Yorker Stadtteil Harlem ein Leben in Armut, Gangs und Gewalt. Achtung, Spoilerwarnung: Im Laufe der Geschichte entwickelt sich Bishop jedoch zum Antagonisten des Films, der in einen regelrechten Blutrausch verfällt. Durch seine krasse schauspielerische Leistung als Roland Bishop trägt 2Pac "Juice" fast ganz alleine, der Rolling Stone nannte ihn damals "die anziehendste Figur" des ganzen Films.
Wer sich selbst von Makavelis Schauspiel-Skills überzeugen will, sollte sich diese Szene hier ansehen:
Bester internationaler Film
Natürlich werden auch bei den Hiphop-Oscars nicht nur amerikanische Bewegtbilder gewürdigt. Für die Kategorie "Bester internationaler Film" müssen wir sogar nicht mal über unsere eigenen Ländergrenzen hinausschauen: "Rheingold" (2022) ist mit weitem Abstand der beste deutsche Hiphop-Film. Regisseur Fatih Akin inszeniert hier natürlich die autobiografische Story von der deutschen Rap-Legende Xatar. Mit Emilio Sakraya in der Hauptrolle als AoN-Gründer geht es von Xatars Anfängen als Dealer von Drogen und Pornokassetten bis hin zu seinen musikalischen Anfängen als Rapper und schließlich dem Höhepunkt rund um den legendären Goldraub. Durch "Rheingold" konnte Fatih Akin mit 170.000 Zuschauern am ersten Wochenende den besten Kinostart seiner Karriere hinlegen und hat damals Dwayne "The Rock" Johnsons Superheldenfilm "Black Adam" von Platz Eins der Kinocharts gestoßen.
Durch den hierzulande großen finanziellen Erfolg von "Rheingold" wurde der Film auch in mehrere Sprachen übersetzt. Einen prominenten Fan hat Fatih Akin mit dem Xatar-Biopic dazugewonnen: den "Metal Gear Solid"-Schöpfer Hideo Kojima.
Bester Song
In der Hiphop-Oscars-Kategorie "Bester Song" gibt es zwar starke Konkurrenz (Shoutout an "It's Hard out Here for a Pimp" von Three 6 Mafia aus "Hustle & Flow"), aber schlussendlich führt hier kein Weg an Eminem vorbei. Kaum ein Track zu einem Film hat im Hiphop-Genre so einen großen Impact gehabt, wie "Lose Yourself". Der erfolgreichste Song des "8 Mile"-Soundtracks ist mit 13-facher Platinauszeichnungen und einer Diamant-Schallplatte einer der erfolgreichsten Rap-Songs aller Zeiten und wurde auch bekannterweise 2003 auch mit dem Oscar für den "Besten Song" ausgezeichnet. Mit über 2,5 Milliarden Streams auf Spotify ist "Lose Yourself" nicht nur eines der meist abgespielten Lieder der 2000er-Jahre, sondern zählt auch zu den beliebtesten Workout-Songs überhaupt. Oder kennt ihr eine Gym-Playlist ohne "Lose Yourself"?
Bester Film
"And the Oscar goes too..:" Das Grande Finale einer jeden Oscar-Verleihung ist natürlich die Vergabe des Preises in der Kategorie "Bester Film". Dieser letzte Hiphop-Oscar muss an "La Haine - Hass" gehen. Der französische Klassiker aus 1995 begleitet 24 Stunden des Alltags der drei Jugendlichen Vinz (Vincent Cassel), Saïd (Saïd Taghmaoui) und Hubert (Hubert Koundé) in den Pariser Banlieues. Der in schwarz-weiß gedrehte Film aus der Feder von Regisseur Mathieu Kassowitz dreht sich um Rassismus, Perspektivlosigkeit, Arbeitslosigkeit und die dadurch entstehenden Gewaltspiralen. Einige Ereignisse des Streifens, wie die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, basieren unter anderem auf realen Ereignissen aus dem Frankreich der 90er-Jahre. "La Haine" zeigt aber auch gleichzeitig, wie Menschen sich die Lebensfreude trotz ihrer sozialen Situation nicht nehmen lassen.
Auch der Soundtrack, kuratiert von der legendären Rapgruppe Assassins (dessen Mitglied Rockin' Squat der Bruder von Vincent Cassel ist) verkörpert und ergänzt die Szenerie des Films perfekt. Solo, der ehemalige Rapper der Gruppe, fungierte zudem als künstlerischer Leiter des Films. Einige der Darsteller waren selbst aus den Vororten von Paris und, um die Authentizität des Films zu gewährleisten, hat die gesamte Filmcrew mehrere Monate in den Banlieues gelebt.
Jeder Deutschrap-Fan wird vermutlich einige Referenzen und Samples aus dem Film schon in diversen Songs gehört haben: Darunter fällt zum Beispiel das legendäre Zitat "Bis hierhin lief's noch ganz gut" oder die Szene, in der die drei Hauptcharaktere vor einer Haustür nach einem gewissen Astérix fragen. Wer "La Haine" noch nicht gesehen hat, sollte das auf jeden Fall nachholen.