Battlerapstandort Deutschland: Was von Videostars und realen Cyphern übrig bleibt

Mit Rap am Mittwoch macht eine der bekanntesten Battlerapplattformen die Tore dicht. Alle Beteiligten haben was mit Hiphop zu tun und müssen das Live-Event in der bisherigen Form dennoch hinter sich lassen. Veranstalter und Gründer Ben Salomo möchte nach der Antisemitismus-Diskussion um Kollegah und Farid Bang keinen gestalterischen Part in der Szene mehr übernehmen.

Unabhängig von dieser Einzelentscheidung hat sich in den letzten Jahren Battlerap in Deutschland breit aufgestellt. Die sportlich aggressive und kunstvoll verletzende Variante des Raps, die wohl selten so oft zitiert und definiert worden ist wie in der Nachberichterstattung des Echos, hat eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Der Wettkampf am Mikrofon und auch ohne technische Stimmenverstärkung taugt immer häufiger als Sprungbrett in die Musikindustrie.

Untergrund, Feuer & Internet

Schon 1998 wird im Royal Bunker beleidigt, was die Stimme hergibt. Gerade in Berlin ist es eher verpönt, nicht zu sagen, was man denkt, und so bildet die Cypher im Bunker den Anlaufpunkt für Künstler wie Kool Savas oder Sido. Sichtbar für mehr als ein Nischenpublikum wird Battlerap mit dem Release der "Feuer über Deutschland"-Reihe. Es gilt, das 8 Mile-Feeling über den großen Teich zu holen. Wenn man so sieht, wer damals alles an der lyrischen Konfrontation interessiert ist, dann erschließt sich, dass die Faszination für den Rap-Kampfsport verschiedenste Künstler-Egos verbindet. Unter anderem Casper, Fard, Marteria, Favorite und Morlockk Dilemma würden heute wohl kaum unter dem gleichen Motto zum geregelten Beleidigen antreten.

Team Selfmade-Records vs. Team Schalke - Feuer über Deutschland 1 (hosted by Kool Savas)

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Die wohl bekannteste Cypher Deutschlands entsteht in keinem Bunker, sondern in einem Kellergewölbe ebenfalls in Berlin. Abgeleitet von der Kindersendung "Spaß am Dienstag" finden ab 1999 die ersten Rap am Mittwoch-Veranstaltungen statt. Bei den Sessions darf jeder zum Mic greifen, der sich dazu berufen fühlt. B-Tight, Mc Bogy oder Frauenarzt konnten sich hier ausprobieren. Rap in seiner rohesten Form schlägt seine Wurzeln im Berliner Untergrund. Im Hinblick auf die Karrieren der genannten, hat diese Übungsphase sicher nicht geschadet. Die Cypher 2.0 startet jedoch parallel in einem anderen Universum ihren Siegeszug.

Im Windschatten des Internets etabliert sich schon ein paar Jahre zuvor eine Plattform, die Onlinebattles überhaupt populär gemacht hat. Die Reimliga Battle Arena oder kurz RBA bietet MCs die Möglichkeit zu battlen. Außerdem liefert sie den Luxus, sich nicht in andere Städte bewegen zu müssen. Innerhalb eines ausgeklügelten Systems können Rapper Audio-Dateien uploaden, um ihre Kontrahenten so künstlerisch und vernichtend wie möglich zu erniedrigen. Eine Jury entscheidet bis heute über Sieg oder Niederlage. Hier stoßen sich zum Beispiel Kollegah, die Jungs von K.I.Z. oder auch Cro ihre Punchline-Hörner ab. Letztgenannter kehrt 2015 sogar auf die Plattform zurück und tritt nach Jahren der Absenz im Superstarolymp erneut gegen seinen alten Spezi BlaDesa an.

Cro vs BlaDesa - RBA - Das ganze Battle

mir war langweilig. ja, 50fps. http://r-b-a.de/index.php?ID=4101&BATTLE=73968 https://www.facebook.com/BlaDesa44 https://www.facebook.com/cromusic

Kampf der Bilder

Da Audiospuren allein irgendwann nicht mehr genug sind, etabliert sich gegen 2007 eine neue Form des Wettbewerbs. Das Prinzip des Videobattleturniers wird geboren und macht das Game variantenreicher. Die Protagonisten haben fortan die Möglichkeit, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Bildern zu punkten. Das Konzept erfährt einen immer größeren Zulauf. Fans und Relevanz des Turnierprinzips steigen kontinuierlich. Battlerunden beliebter Protagonisten wie Weekend oder Battleboi Basti erreichen um die Hochzeit 2011/2012 mehrere Millionen Aufrufe. Fans warten ungeduldig auf den nächsten Upload. Battlen ist zu diesem Zeitpunkt nahezu gleichbedeutend mit einem neuen Videoclip.

Viele der Teilnehmer leben seitdem mit dem ewigen Stempel des VBT-Rappers. Einerseits sind sie über das Turnier bekannt geworden. Andererseits wollen viele mit ihrer Künstlerpersönlichkeit meist nicht auf reinen Battlerap reduziert werden. Das Abnabeln, das den Battlerappern der ersten Stunde noch ohne weiteres gelingt, ist den Artists der Videobattlezeit nicht vergönnt. Gemessen an der Teilnehmerzahl schaffen es nur wenige, sich wirklich von dieser so prägenden Vergangenheit zu lösen. 3Plusss, Lance Butters und Weekend haben wohl noch den nachhaltigsten Karriereweg genommen. Um Battleboi Basti ist es eher ruhig geworden und frühere Stars des Turniers wie Tamo-Flage tauchen wieder in der finalen Aufmachung auf, ohne dass die Runden auch nur annährend an die Aufmerksamkeit von damals heranreichen. Wohl aus Nostalgie und Liebe für das Format beteiligen sich auch größere YouTuber wie KuchenTV. Dieser lässt seine Runden über seinen eigenen Kanal mit 666.000 Abos laufen und trat auch früher schon einmal unter dem Namen Kuchengeschmack in Erscheinung.

BattleBoi Basti vs. Weekend HR1 (feat. 4Tune) [FINALE] VBT Splash!-Edition

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Jemand, der das Prinzip der Gegner zerfleischenden Selbstvermarktung bis zum Maximum ausgereizt hat, ist Julien Sewering. Im Fahrwasser etlicher Rapanalysen, grenzwertiger Unterhaltungsvideos und einiger Rapversuche hebt der YouTuber sein eigenes Battleturnier aus der Taufe, das er vor allem über sich als polarisierende Figur aufzieht. Das Bewertungssystem ist meist stimmungsabhängig, die Kriterien ändern sich ständig und die Teilnehmer werden vom Schirmherren des Turniers teilweise vorgeführt. Wer sich jedoch auf dieses Spiel mit dem Teufel einlässt, bekommt sehr schnell eine öffentliche Bühne, die in ihrer Wirkungskraft indiskutabel ist.

Es ist nun möglich (insofern man die Vorauswahl übersteht), fast über Nacht ein hohes Maß an Bekanntheit zu erlangen, ohne sich durch etliche Vorrunden schlagen zu müssen, bis jemand Notiz nimmt. Selbst nach dubiosen Pausen, lieblosen Bewertungen und der inzwischen offensichtlichen Verbindungen zwischen Juror und ehemaligem Turniergewinner SpongeBozz steht die Maschine nicht still. Das Turnier ist 2018 wieder in vollem Gange und genießt weiterhin die stärkste Präsenz auf dem Feld der Onlinebattles.

PA Sports ist angetreten, diese einzudämmen. Seine Life is Battle Area versteht sich als Konkurrenzturnier und ist das erste Onlinebattleturnier, das von einem Rapper für Rapper organisiert wird. Olli Banjo trat bisher als Moderator des RapSparring in Erscheinung und auch Gast-Juroren auf anderen Plattformen rekrutieren sich häufiger aus der Szene. Das Battleturnier von PA ist dabei auch unter dem Aspekt zu sehen, dass ihn und YouTuber Julien eine Beef-Historie verbindet, die nun auf dieser Ebene fortgeführt wird. Die Teilnehmer der LIBA rekrutieren sich auch teilweise aus dem Besetzungen voriger Turniere.  Es ist ein wenig wie mit Soap-Darstellern – einmal mit einer Rolle verknüpft, wird es schwierig sie abzulegen und auf anderen Wegen durchzustarten. Entweder sie spielen das Spiel, solange es funktioniert, oder sie verschwinden in der Versenkung.

Nicht zu vergessen sei noch das MOT. Beim Moment of Truth setzen die Veranstalter auf eine prominente Fachjury, Zuschauerbeteiligung und themenbezogene Runden, um einen Gewinner zu ermitteln. Hier hat auch Storytelling seinen Platz und nicht nur die abgefahrensten Battlebars. Aus diesem Turnieransatz geht beispielsweise Goldroger hervor und auch Curly hat einen Gastauftritt in einem Video des bereits zuvor aus dem VBT bekannten Schote.

Live ist Life

Was auch in Zeiten des Internets noch mit weitaus mehr Nachhaltigkeit verknüpft zu sein scheint, ist der steinige Battleweg mit direktem Zuschauerkontakt. Nach über zehn Jahren der Ruhe kommt Rap am Mittwoch 2010 zurück und kann sich auf die Fahne schreiben, Stars herausgebracht zu haben. Aus der Cypher gehen Charaktere hervor, um die ein regelrechter Kult entstanden ist. Karate Andi schafft es mit Schnäuzer und Bukowski-Swag zu Selfmade Records und damit zu einem Label, das es bis vor ein paar Jahren noch wie wenige versteht, Künstler zu formen. Einer der erfolgreichsten Artists Deutschlands entstammt ebenso der RAM-Kaderschmiede. Mit Gucci Cap und jeder Menge „Brraas“ battlet sich Capital durch die Runden. Auch Finch Asozial scheint auf Kurs zu liegen und das Asozialitäts-Vakuum auszufüllen, dass Karate Andi mehr und mehr hinterlassen hat. Vom Mofa-Fahrer ist lange kein musikalisches Lebenszeichen mehr vernommen worden.

Mit DLTLLY hat sich parallel dazu eine zweite Battleliga hervorgetan, die immensen Zuspruch genießt. Dort ist die Teilnehmerliste keineswegs mit No-Names gefüllt. Ob Written, on Beat oder a capella – zum Teil gestandene Künstler fronten sich zur Belustigung der Crowd. Big Chief hält den Laden zusammen und mit Schote, Veedel Kaztro oder Pilz treten auch Artists an, die sich nicht ausschließlich im Battlekosmos bewegen. Letztgenannte liefert sich 2017 mit Champion Nedal Nib ein Gefecht, das viel Staub aufwirbelt. Religionskritik im Kontext von Battlerap und die Ausgangslage mit den verschiedenen Geschlechtern sorgen dafür, dass hier die Echo-Frage nach der Kunstfreiheit bereits einmal im kleineren Rahmen diskutiert wird.

DLTLLY // Rap Battles // Pilz VS Nedal Nib (Tapefabrik Festival)

Don't Let The Label Label You: https://www.facebook.com/DontLetTheLabelLabelYou/ Nedal Nib: https://www.facebook.com/profile.php?id=1780352414 Pilz: https://www.facebook.com/PILZ13/

Mit einem Blick auf das letzte RAM-Event, das im März in Stuttgart stattfand, ist klar zu erkennen, dass Battlerap nicht mehr kleinzuhalten ist. Mit Rappern, die oftmals nur in jener Battlesparte stattfinden und mit kommerzielleren Musikversuchen wenig am Hut haben, lassen sich problemlos Hallen mit vierstelligen Fassungsvermögen ausverkaufen. Der Markt für die gekonnte Beleidigung ist vorhanden und wartet darauf bedient zu werden. Die passionierte Community lässt auch kleinere Formate zu. Der von diversen Veranstaltungen bekannte Merlin hat beispielsweise Die Battlerap-Bundesliga gegründet und ist Mitorganisator des OLYMP Festival, das im Juni für Battlerap-Feinkost sorgt.

Über 1100 Leute - Danke Stuttgart eines der besten finals ever #größtecypherdeutschlands #wirwirwir #stillno1

Gefällt 339 Mal, 8 Kommentare - Tierstar Andrez (@tierstar_andrez) auf Instagram: „Über 1100 Leute - Danke Stuttgart eines der besten finals ever #größtecypherdeutschlands..."

Die Zeit für RAM ist bald vorbei. Mit Toptier Takeover und der Liga Is doch nur Rap steht aber bereits der legitime Nachfolger in den Startlöchern und wartet mit dem bekannten Gesicht von Tierstar Andrez auf. Die große Zeit des Onlineschlagabtausches scheint jedoch vorbei. Auf all den Plattformen wird es zunehmend schwieriger, noch Innovationen oder Unvorhersehbares an den Zuschauer heranzubringen. Meist fahren die Kandidaten auf dem Karussel des Altbekannten und kopieren einfach schon oft gesehene Einstellungen, Szenarien und Fronts. Frische und Authentizität bekommt der Zuschauer eher im Live-Game. Atmosphäre durch eine Crowd und die unmittelbare Reaktion auf Lines lässt sich schwer auf einen Bildschirm übersetzen.
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