9 Deutschrap-Newcomer, die du 2025 im Auge behalten musst
Eurothug, Ayca & Idolinjo

Ende des Jahres blicken wir bei unseren Hiphop.de Awards immer auf die Newcomer zurück, die das Jahr über abgerissen haben. An dieser Stelle wollen wir das genaue Gegenteil tun und schauen auf diejenigen, die das Potenzial besitzen, im kommenden Jahr komplett durchzustarten. Newcomer ist dabei ein bewusst dehnbar gehaltener Begriff: Das können Artists sein, die in ihren ersten Release bereits das gewisse Etwas erkennen lassen, aber auch solche, die bereits eine kleine Fanbase haben und dieses Jahr den nächsten Schritt machen könnten. Kurz gesagt: einfach jeder, der krass ist.

Deutschrap Newcomerinnen & Newcomer 2025

Idolinjo

(Leon Schäfers)

Songtitel wie "Ambitioniert" und "Young & Hungry" sagen im Grunde schon alles: Idolinjo ist ein Baller durch und durch. Sein junger Hunger macht sich vor allem in seinem energetischen Sound bemerkbar, der weitaus mehr nach Dagenham, London als nach Duisburg, NRW klingt. Dafür verantwortlich sind fließende Übergänge zwischen englischer und deutscher Sprache, die durchaus an einen Elias in seiner Hochphase erinnern. Nur halt mit etwas britischerem Einschlag. Die Ähnlichkeit weist er selbst nicht mal von der Hand – so rappte er selbst auf seiner Icon 3-Qualifizierung vor gut dreieinhalb Jahren:

"Ich bin nicht Elias, doch trotzdem so fly wie ein Avenger"

Auch an anderen Stellen füllt Idolinjo das Loch, das die verschollene Deutschrap-Hoffnung bereits vor einigen Jahren in der Szene hinterlassen hat: Connections zu Summer Cem sind spätestens seit der sechsten "Champions Leak"-Ausgabe ersichtlich, die Instrumentals von "Hustle & Prayer" und "Entspannter Typ (Chill Guy)" gehen aufs Konto der häufig als Duo auftretenden Produzenten Young Mesh und Juh-Dee. Duisburg represent!

Den Newcomer allein mit einem naheliegenden Vergleich abzuhandeln, würde ihm und seiner Musik aber nicht gerecht werden. Seit der oben erwähnten Icon-Quali hat er seinen Sound stark verfeinert. Und dass da ordentlich Potenzial drinsteckt, wittern auch schon die gut 250.000 Menschen, die seinen (aktuell noch äußerst überschaubaren) Katalog monatlich auf Spotify streamen. Vom absoluten Insidertipp ist Idolinjo bei solchen Zahlen zwar schon etwas entfernt; dass er im Laufe des Jahres nur größer und relevanter wird, dürfte aber alles andere als ein Hot Take sein.

Junge Arbeiter

(Till Hesterbrink)

Die Jungen Arbeiter aus Süddeutschland kamen Anfang des letzten Jahres quasi aus dem Nichts und haben den YouTube- und TikTok-Algorithmus zurecht einmal kurz auseinandergenommen. Bislang hat die Gruppe lediglich vier Tracks veröffentlicht – und alle sind komplette Bretter.

Die drei sehr unterschiedlichen Stimmen von Chawe, Marcirati und MoHunnid-Ali sowie ein krasses Gespür für eingängige Hooks sorgen dafür, dass jeder Song quasi direkt ins Ohr geht. Das absolute Herzstück des Ganzen ist die absurd gute Production auf jedem einzelnen Track. Was AZ beispielsweise auf der Gwen Stefani-Hommage "Hollaback" gezaubert hat, ist nicht mehr normal. Das sind Beats, die man eigentlich in den Top 10 der Charts findet und nicht bei einer Newcomer-Gruppe mit unter 2k Instagram-Followern. Aber es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis man Junge Arbeiter auch da antrifft.

Generell passt vor allem das Spiel mit den Gegensätzen: Retro-Charme trifft auf modernen Sound und textlich geht es um die Scharfe im Handschuhfach, während die Beats auch locker im Radio laufen könnten. Da wird sogar Stuttgart kurz zum "Hexenkessel". 2025 stehen für die drei eigentlich alle Zeichen auf Durchbruch. Und wenn der hier kommt, dann ist sowieso Feierabend.

Ayca

(Alina Amin)

"Was für B*tch-Rap? Ich rap' nur über Kiste": Fans von authentischem Straßenrap kommen bei der Nachwuchskünstlerin Ayca voll auf ihre Kosten. Kein Fake-Geplänkel, sondern nur echte, raue Storys aus dem Block. Es geht um TPs, Silberketten und Porsche Turbos. Und das kommt extrem gut an. In nicht einmal einem Jahr konnte Ayca bereits über 80k monatliche Hörer*innen bei Spotify ansammeln. Aber auch abseits von klassischem Straßenrap liefert die junge Künstlerin komplett ab. Für ihre neueste Single "Çok güzel" setzt sie auf einen entspannten Drum 'n Bass-Beat von 2sick und das kommt mindestens genauso wild:

Manch einer dürfte Ayca wahrscheinlich schon kennen, immerhin steht die Berlinerin bei dem aktuell wahrscheinlich vielversprechendsten Label der Szene unter Vertrag: Caney030s Kleine Handys Große Träume. Also eigentlich das beste Umfeld, um dieses Jahr komplett abzureißen.

Sahil

(Michael Ebenger)

Sahil gehört zu den aktuell vielversprechendsten Newcomern. Wenn man müsste, würde man ihn wahrscheinlich in der Richtung Yeat, Osamason und Ken Carson einordnen. Der Hamburger besticht in seiner Musik jedoch mit seinem eigenen Stil: Harte, überproduzierte Trap-Beats und seine raue Stimme sorgen zusammen mit seinem Rapstil und Wortschatz bestehend aus einem Mix aus amerikanischen und deutschen Slang für eine einzigartige Mischung.

Da ist es fast verwunderlich, dass Sahil bisher nur knapp 5.000 monatliche Hörer*innen auf Spotify hat. Im Untergrund macht der junge Hamburger aber mittlerweile gut Welle. Mit seinen Tracks erreicht der selbsternannte "Rackistan President" schon regelmäßig Streams im fünfstelligen Bereich auf Spotify. Der vor gut drei Wochen erschienene Song "Bhaimano" ist auf dem besten Weg, sich zu einem kleinen Underground-Hit zu mausern:

Wie so oft in der Rage-Szene knackt kaum einer von Sahils Tracks die Zwei-Minuten-Marke. Das müssen sie aber auch nicht, denn seine Songs sind trotzdem nicht eindimensional und sorgen dadurch für einen hohen Replay Value. Abschließen kann man das hier mit Sahils eigenen Worten: "Ich bin hot, ich bin next up, ich bin wie Verano."

kt

(Till Hesterbrink)

"Ich schicke mein' Youngin laufen/ er schickt dich dann in die stabile Seitenlage": kt (katastrophaler Name zum googlen auf jeden Fall) dürfte manch einem vielleicht schon dank seines Auftritts in der aktuellen Rap La Rue-Staffel bekannt sein. Der Hamburger Newcomer hat aber noch deutlich mehr zu bieten, als den für die Casting-Show typischen Sound. Mit "Beilage", "deutsche wagen, "fresh sein", "2 b's" und dem frisch veröffentlichten "Pufferjacke" hat er im letzten Jahr gleich fünf Bretter back-to-back gedroppt.

Egal ob auf einem Nelly- oder auf einem New Boyz-Beat, der jungesterne-Rapper schafft es, unterschiedlichsten Sounds eine ganz persönliche Note aufzudrücken. Wer nach tiefsinniger Lyrik und verschachtelten Reimketten sucht, wird wahrscheinlich enttäuscht. Wer aber Bock auf Zwei-Minuten-Banger und "Fritten in die Bag" hat, wird hier bestens bedient.

Vor einigen Jahren hätte man ihn wahrscheinlich zur New Wave gezählt – zum Glück ist diese Bezeichnung mittlerweile tot. Was man jedoch ungeachtet aller Begrifflichkeiten nicht von der Hand weisen kann, kt trifft soundtechnisch genau den Zeitgeist und kann äußerst stabil rappen. Mehr Einordnung braucht es eigentlich gar nicht, Mucke nach Schublade ist ohnehin für Oldheads.

"Euer Sound ist noch derselbe von der Zeit, da war ich nicht geboren"

*maliiik

(Leon Schäfers)

Nein, das hier ist kein Tippfehler. Auf seiner entsprechend betitelten Single fordert *maliiik es selbst: "Schreib’ mich mit ‘nem Asterisk!" Ebenso eigenwillig wie der mit dem Sternchen beginnende Künstlername ist auch sein Sound, der schon in so manch einem Pressetext als das "musikalische Äquivalent zu Alice im Wunderland" beschrieben wurde. Völlig zurecht: Warme Soul-, R’n’B- und Jazz-Einflüsse etablieren einen nahezu psychedelischen Groove, auf dem *maliiik mit seiner markanten Stimme aufbaut. Und die weiß er  einzusetzen: Flow und Delivery sind im besten Sinne unorthodox, die schwammige Bezeichnung Sprechgesang könnte an dieser Stelle kaum treffender sein. Auch sein Vokabular ist wohl mindestens spannend – wo sonst werden die Bricks "ge-Rubik's Cube-t"? (Wirklich keine Ahnung, wie man dieses Wort verschriftlichen soll.)

Insgesamt eine Mischung, die mal nach maximaler Smoothness ("bojack", "Murphy’s Gesetz") und mal wiederum nach einer deutschsprachigen Antwort auf Griselda Records klingt. Etwa wenn atmosphärische Instrumentals durch allenfalls subtile Drums ihre nötige Luft zum Atmen bekommen ("Verflixt und Zugenäht", "Barcode"). Was alle Songs eint, ist ein durchgängiger Vibe, der trotz stellenweiser Weirdness zugänglich bleibt. Das beste Beispiel hierfür dürfte wohl "Sie passt nicht nach Berlin" sein. Die Zusammenarbeit mit Zartmann ist mit Streams in siebenstelliger Höhe sein bis heute erfolgreichster Song.

Just saying: Das letzte Mal, als wir euch einen Newcomer als gleichermaßen weird wie massentauglich vorgestellt haben, war dabei die Rede von Ski Aggu – und wie er im Anschluss abgeräumt hat, müssen wir euch hier wohl nicht erklären. *maliiik ist klanglich zwar kaum mit "Wilmersdorfs Kind" zu vergleichen, eine rosige Zukunft können wir ihm hier aber dennoch guten Gewissens prophezeien.

Eurothug

(Till Hesterbrink)

Eurothug ist so jemand, auf den die Bezeichnung Newcomer höchstens mit etwas Wohlwollen zutrifft. Wer sich mit aufstrebenden Straßenrappern auseinandersetzt, kann in den letzten zwei Jahren eigentlich nur schwer an dem Mann mit der Sternen-Maske vorbeigekommen sein. Die beiden "Geheimtipp"-Tapes mit Cgoon, das Debütalbum "Eurojackpot" und "Bentley Apartments" zusammen mit Locke167 – der Status als "Accermann" kommt nicht von ungefähr. 

Für alle, die geschlafen haben, gibt es also bereits einiges nachzuholen. Denn die Releases können sich durch die Bank weg sehen lassen. Das hat auch Daueranwärter auf den Hiphop.de Award für den Produzenten des Jahres Funkvater Frank mitbekommen und macht seit neuestem gemeinsame Sache mit Euro.

Mit einer sehr markanten tiefen Stimme und etwas mehr Wortwitz, als man auf den ersten Blick vielleicht erwarten würde, rappt Eurothug hauptsächlich über eines: Geld machen. Ganz egal, ob zusammen mit Gola Gianni "Cola" an Ältere gegeben oder wie bei "Oceans Eleven" der Tresi geknackt wird. So oder so, es werden Scheine gemacht.

"Echte Verbrecher von Kind auf"

vini baby

(Michael Ebenger)

Wer an Newcomer denkt, hat heutzutage oft ein Bild von gerade frisch volljährigen Teenagern im Kopf. Dass der Spruch "Gut Ding will Weile haben" aber auch im Hiphop Anwendung findet, beweist der 30-jährige Rapper vini baby. vini macht schon Musik seit er 13 ist, seinen ersten kleineren viralen Hit hatte er schon mit 17. Das Hobby Musik hat er jedoch erst seit knapp vier Jahren zum Beruf gemacht und konnte seitdem auch schon einige viralere Hits wie "Love in Berlin", "F*ck die AfD" und "Kiffer" landen.

vini baby vermischt Cloud- mit Conciousrap und thematisiert in seinen Songs meist das Leben als junger Erwachsener in Deutschland: Quarter Life Crisis, Depressionen, Liebe, Partys, Konsum, Leben in der Großstadt und die Folgen davon. Das Ganze macht vini aber nicht nur mit Pathos, sondern verpackt in einer positiven Ehrlichkeit, genügend Witz und Ironie.

"Alle meinten 'Nur paar Bier', das Ding ist, dass hier jeder lügt/ Mag sie dich grad' wirklich oder hat sie nur die E gespürt?/ Du musst machen, was du willst, keinen juckt, wie du dein Leben führst"

Ein weiteres großes Thema seiner letzten Veröffentlichungen ist aber auch das Älterwerden: Was bedeutet es eigentlich, erwachsen zu sein? Auf "Homecoming" aus seiner im Sommer letzten Jahres veröffentlichten "Heimspiel EP" ist sich vini den Unterschieden und Widersprüchen seines Lifestyles verglichen mit denen von seinen normalen Freunden in der Heimat bewusst. Mit einem normalen Alltag, dem immergleichen Job, Risikoarmut und Sicherheit in der Heimat kann er nämlich nichts anfangen. vini babys Output hat ihn mittlerweile auch bei einigen Hamburger Rap-Kollegen wie Jace auf die Karte gebracht.

Hoti

(Till Hesterbrink)

Vor knapp einem halben Jahrzehnt machte die Nachricht die Runde, dass Xatar einen 13-jährigen Rapper namens Yung Hoti bei sich unter Vertrag nehmen wollte. Die damals veröffentlichten Songs des (sehr) jungen Künstlers bekamen von allen möglichen Seiten Props, doch eine Übernahme der Szene blieb irgendwie aus.

Bis jetzt. In den letzten Monaten sind unter dem Namen Hoti drei Tracks veröffentlicht worden und was soll man sagen, das "Yung" wurde definitiv zurecht abgelegt. Das Fahrrad ist einem Audi gewichen und die Kette von deinem Dad steckst du auch besser wieder unters T-Shirt.

"Alle H*es nenn' mich Don Hamburg West/ Das die Kette von dei'm Vater? Hast du Pech"

Hoti wirkt dabei nicht weniger hungrig als früher, aber deutlich ausgewählter. Hier hat sich jemand ganz offensichtlich einige Gedanken zum eigenen Sound und der Ästhetik gemacht. Das Ergebnis: Statt mit einem Gimmick wie dem Alter besticht Hoti jetzt damit, dass seine Mucke einfach sehr hart kommt.

Wen wir euch letztes Jahr präsentiert haben, könnt ihr hier checken:

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