In Frankreich sprießen gefühlt jeden Tag vielversprechende Newcomer aus dem Boden. Den Durchblick zu behalten ist daher schwierig und die meisten Jungspunde sind dann ohnehin nach ein paar Monaten bereits wieder verschwunden. 404Billy wird wohl keiner davon sein. Mit einem einzigen Mixtape auf der Habenseite hat er sich bereits einen Deal bei Damso, dem derzeit vielleicht größten französischsprachigen Rapper, erarbeitet und sein Weg zeigt steil nach oben. Eine Vorstellung.
Wer ist 404Billy?
Der 23-Jährige stammt aus Villiers-le-Bel, einem Pariser Vorort in Frankreich 95. Département. Durch seinen musikalischen Vater kommt Billy bereits als Kind mit verschiedensten Genres in Berührung. Mit zarten elf Jahren schreibt er seine ersten Texte. Hauptsächlich Jay-Z und 50 Cent sind der Antrieb, der den damals 16-Jährigen überzeugen, sich aufs Rappen zu fokussieren. Seinen Künstlernamen schaut er sich von Billy The Kid ab, die Zahlenkombination 404 steht für sein Kollektiv im 95.
Seinen allerersten Song "Mourrir" nahm Billy im Studio von Siboy auf – jedoch noch vor dessen Unterschrift bei Boobas Label 92i, zu dem Billys heutiger Labelchef Damso bis August 2018 gehörte. Auch wenn keine Zusammenarbeit zwischen den beiden entstand, war es ein Wendepunkt in Billys Karriere.
2017 veröffentlichte der junge Pariser dann nach und nach seine ersten Songs. Neben einem noch weitgehend unbeachteten Song für Daymolition gab es eine vierteilige Freestyle-Serie namens "Error" zu begutachten, welche aber (bis auf den letzten Teil) nicht mehr auf seinem Kanal zu finden ist.
Bis zum Release seines Debüt-Tapes "Hostile" pünktlich zu 4/20 droppte Billy weiterhin fleißig Singles. Der Reihe nach erschienen "Le Kid est mort", "Pour le meilleur", "Oxford / X", "T.P.L.C" und "Azerty". Nur drei seiner Solo-Songs haben bisher die 100.000er-Marke bei Youtube geknackt.
"Hostile" wurde über Culture Records auf allen möglichen Plattformen releast und konnte in Rapkreisen erstmals für Aufsehen sorgen. Damso, Vald und Siboy teilten das Tape über ihre Social-Media-Kanäle und gaben Billy somit einen kleinen Karriereschub. Mitte Juni wurde Billy dann zum ersten Mal mit Damso gesehen. Dass parallel dazu dessen Album "Lithopedion" auf Billys Insta-Kanal beworben wurde, war dann schon ein relativ deutlich Signal.
Damso als prominenter Mentor
Anfang November wurde bekannt, dass Billy auf der aktuellen Damso-Tour als Voract auftreten würde und nun Teil seines Teams sei. Plötzlich stand der junge MC vor bis zu 20.000 Zuschauern, wenn man das Konzert in der Accorhotels Arena Paris als Gradmesser nimmt.
Letzten Freitag folgte mit dann mit "RVRE" featuring Damso das bisherige Highlight seiner Karriere. Mit über 400.000 Views nach einem Tag konnte sich 404Billy endlich auch einer breiteren Masse präsentieren. In diesen Minuten dürfte "RVRE" die zusammengezählten Klickzahlen aller übrigen Clips auf Billys Kanal hinter sich lassen – kein Wunder bei einer dermaßen eingängigen Damso-Hook. Der Song deutet bereits an, in welche Richtung der Sound in Zukunft gehen kann.
Harter Rap statt "Zumba"-Sound
404Billys Stil ist schwer greifbar. Er hängt sich deutlich weniger an aktuelle Trends und zieht ohne Umschweife sein Rapding durch. Von ihm sind keine "Zumba" Sommerhits zu erwarten, wie die durch Dancehall und Afrobeat inspirierten Songs in Frankreich humorvoll genannt werden. Für die musikalische Untermalung auf "Hostile" waren zehn verschiedene Produzenten zuständig, wobei die Startproduzenten D$T (Booba) und Pyroman ("Réseaux", "Mwaka Moon"). Trotz des bunten Mixes an Produzenten haben alle Tracks einen (dunkel)roten Faden, was durch die schwarz-weißen Videos und Billys düstere Mimik zusätzlich unterstützt wird.
"J'ferai plus de clips en couleurs / quand j'aurai soigné mes douleurs"
("Ich werde mehr Clips in Farbe haben / wenn ich meine Schmerzen behandelt habe")
Sein Rapstil ist sehr trocken und roh, Punchlines werden nicht erzwungen, sondern finden sich oft zwischen den Zeilen. Im Interview mit #LaSauce erwähnte er, dass Technik beim Rappen ein zentraler Aspekt für ihn ist – aber nicht auf Kosten der Lyrics durch verkrampfte Reime.
"Gewalt & Melancholie" – Auf der Spur des Mentors
Seine Musik nennt Billy selbst eine Mischung aus Gewalt und Melancholie. Parallelen zu Damso und seiner "schönen dreckigen Welt" springen dem Beobachter der Szene angesichts dieser Beschreibung direkt ins Auge. In seinen Texten erzählt er von seiner Kindheit, seiner Karriere, seinen Schmerzen und seinen Strapazen. Der Junge ist offenherzig und lädt uns dabei in sein dunkles Universum ein. Beim Magazin Yard gewährte Billy einen Einblick in das, was hinter seinen Texten steht:
"Meine Musik ist nicht wirklich bewusst, ich würde sie eher als 'spirituell' bezeichnen. Das heißt, ich spreche viel über Gott, über den Tod, über das Leben nach dem Tod, über die Handlungen und Reaktionen des Menschen im Allgemeinen."
Billy scheint sich nicht um Kleinigkeiten zu scheren und nennt die Dinge direkt beim Namen. Er macht Musik, um zu beschreiben, was er fühlt, denkt und sieht. Rap ist für ihn ein Ventil, um seinen Standpunkt klar und deutlich zu vertreten – wie bei so vielen Rappern, bevor das Konto sich mit Nullen hinter dem Komma füllt und Kleiderschrank sowie Kopf irgendwann vor lauter Gucci, Fendi und Prada überquellen.
"Ich habe einen speziellen, schrägen Blick auf das Leben, die Musik hilft mir, mich auszudrücken, ohne wie ein Verrückter dazustehen. Es hilft mir, den in mir verborgenen Mann hervorzubringen ... der sich eigentlich nur ausdrücken will, aber auch Angst hat, missverstanden zu werden."
Bald ein ganz Großer?
Wenn alles so weiter läuft wie bisher, ist sind Billy und seine Gedanken vielleicht das einzige, das ihm im Weg stehen kann. Seine Musik verbreitet sich immer schneller und kommt durchweg positiv an. Mit Damso hat er einen wortwörtlich breiten Rücken und gleichzeitig einen Mentor, welcher ihn Stuck für Stuck aufbauen wird. Die inhaltliche Kongruenz der beiden ist ebenso eine Basis für eine gute Zusammenarbeit wie die Tatsache, dass Dems sich nach seiner Trennung von 92i nicht nur als Musiker, sondern auch als Unternehmer beweisen wollen wird.
Für die vom Partysound übersättigte Rapszene Frankreichs kommt einer wie Billy wie gerufen. Zwar im modernen Gewand, aber mit einem Herz für die alten Raptugenden. Und das schon im jungen Alter.
"Meine Musik ist gut. Auf den ersten Blick sieht sie brutal aus, voller Beleidigungen und Dreck. Aber wenn sie auf meine Worte hören, sind sie tiefgründig."