Raws: Wie die Graffitiszene von Instagram & Co profitiert

Von Kool Savas, Samy und Beatfabrik wurde er Anfang der 2000er, auf seinem Skateboard durch Berlin heizend, in den Bann von Hiphop gezogen. Auf dem gleichen Board rollte er 2004 zum Sound der ersten großen Aggro-Alben dann auch Graffiti in die Arme. Heute macht er seine Leidenschaft mit bald 100.000 Followern auf Instagram zum Hauptberuf.

Raws hat die Entwicklung von mehr als einer der vier viel zitierten Hiphopsäulen auf dem Weg in die digitale Welt begleitet. Für ihn und viele weitere Szeneangehörige ist der Siegeszug der sozialen Medien auch die Chance, eine breitere Masse anzusprechen. Parallel zu Rap – wenn auch nicht in der gleichen Größenordnung – hat Graffiti längst einen Platz in der Popkultur gefunden und sich etabliert.

Auch hier schwirrt einigen ein kleines Teufelchen um den Kopf, das ihnen unnachlässig: "Sellout! Sellout!", in die Ohren brüllt. Rapfans erinnern sich an ähnliches oder praktizieren die Teufelchentaktik heute immer noch selbst. Und wie in der Rapwelt liegt auch in Raws' Metier ein endloses Spektrum an Optionen zwischen dem Tag an der Bahn und dem Bild, das für hunderttausende Euro an einen lächerlich reichen Menschen versteigert wird, der noch nie Bahn fahren musste.

"War ein geiles Projekt. Das Piece steht in der Mitte eines großen Einkaufzentrums in Berlin. Mehrere tausend Leute laufen da täglich lang."

"2014 in Marzahn an einer Turnhalle. Wir brauchen mehr solche Flächen in Berlin!"

Auch wenn der Vergleich an manchen Stellen hinkt: Instagram ist für Leute wie Raws, die mit visuellen Reizen arbeiten, in etwa wie Spotify für Musiker. Hier wird sichtbar, was vor einigen Jahren noch schwerer zu finden und erst recht zu verfolgen war. Daraus entstehen Kontakte und Synergien mit anderen Künstlern. Und wenn du gut bist und vielleicht den richtigen Kontakt geknüpft hast, kommt irgendwann jemand auf dich zu.

"Dadurch, dass wir die Möglichkeit haben, unsere Kunst über das Internet fast jedem zu zeigen, wurden viele Menschen auf meine Sachen aufmerksam und so kam es dazu, dass ich die Möglichkeit hatte, mit großen Brands zusammenzuarbeiten oder bei Ausstellungen mitzumachen. Und das ohne mich zu verstellen oder ausbeuten zu lassen."

Für Kai Imhof – so sein bürgerlicher Name – bedeutet das konkret: ausgewählte Aufträge annehmen, Videos drehen (nach seiner Ausbildung zum Grafikdesigner hat er sich selbstständig gemacht), auf Streetart-Festivals rund um den Globus Bilder malen und einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Bei den Projekten wie The Haus und Wandelism konnte er seine Kunst zuletzt einer breiteren Masse präsentieren. Neue Kontakte, neue Aufträge, das Netzwerk wird engmaschiger.

Mit seinem meist sehr cleanen Lettering und dem statischen, rhythmischen Stil hat der Berliner eine Handschrift entwickelt, die man in vielen seiner Werke wiederfindet. Wer über seine Instagram-Seite scrollt, versteht schnell, was damit gemeint ist. Diese Optik benutzt er auch gerne, wenn er einigen Rappern Sketches widmet.

"Nutttöööö. Mehr brauch ich nicht sagen. Geiler Typ!"

"Ich feier es extrem, einfach mal raus aus Berlin zu fahren, um verlassene Gelände zu entdecken. Und zu sprühen."

"Savas hat mich in meiner Jugend krass geflasht! Gerade die WBM Zeit war krass. Einer meiner Lieblingsrapper."

"Mir macht es extrem Spaß, auch einfach mal einfache Sachen zu malen. Just for fun."

Aber auch einen aufwendigeren Semi-Wildstyle beherrscht Raws in einer Form, die besser ins 21. Jahrhundert passt. Deutlich verspielter in der grafischen Gestaltung der Buchstaben als bei den obigen Pieces.

"Klassisches Hall-Piece. Ich mag's."

"Das war in Stuttgart. Auch nen geiler Trip gewesen. Wir haben ein komplettes Haus umgestaltet."

"Roskilde Festival 2017 in Dänemark. Geile Party gewesen. Das Festival gehört zu den größten Europas und hat mehr als 150.000 Besucher. Und einen Graffitibereich."

Und auch abstraktere Formen und Buchstaben finden immer mehr Einzug in Raws' Schaffen:

"Wandelism war eine Ausstellung in Berlin, bei der ich die Möglichkeit hatte, mein abstraktes Zeug zu zeigen."

Mit Künstlern wie Raws ist Graffiti – ob auf der Straße oder in der Galerie – bereit für das anbrechende Zeitalter, in dem das Internet die Welt zwar spaltet, aber gleichzeitig auch näher zusammen rücken lässt. Wer den Schritt aus der Illegalität schaffen möchte, hat mittlerweile viele Möglichkeiten, seine Werke online zu präsentieren. Raws und immer mehr Kollegen zeigen, wie es gehen kann.

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