Corona bedroht die Live-Kultur: Alternativen & Support-Möglichkeiten

Die Corona-Krise crasht den Festivalsommer. Aber nicht nur das: Bis Ende August sind alle großen Veranstaltungen abgesagt. Damit ist die Pandemie gleichzeitig eine Krise für die komplette Live-Musik und trifft damit natürlich auch Rapper. Jetzt stellt sich die Frage: Wird das alles wieder irgendwann normal? Was findet stattdessen statt und wie können wir die Betroffenen unterstützen?

Viele Rapper sind auf Konzerte, Live-Touren & Merch-Verkauf angewiesen

Ob Oldschool oder Newcomer: Viele Rapper haben sich jahrelang nur von einer Tour-Gage zur nächsten gehangelt. Das mag sich durch Streaming-Einnahmen ein bisschen verbessert haben, war aber lange Zeit vor allem auch durch sinkende CD- oder Platten-Verkäufe der Standard. Mit Musik lässt sich in der Regel nur dann gut Geld verdienen, wenn Du richtig große Hits landest oder eben fleißig tourst und eine stabile Fanbase hast.

Nicht nur Rapper: Unter den aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise leiden alle, deren Beruf mit öffentlichen Veranstaltungen zu tun hat. An so einer Tour hängen nicht nur die Jobs der Artists selbst. Es geht hier auch um die Promoter*innen, Veranstalter*innen, Bühnenbauer*innen, DJs, Clubbesitzer*innen, Securitys, Bar-Menschen, Ticket-Verkäufer*innen, Tourbus-Fahrer*innen, Catering-Firmen und so weiter.

Was zum Beispiel Megaloh, Mauli, Mine, Ghanaian Stallion oder DJ Illegal von den Snowgoons über die Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf ihre Arbeit berichten, könnt ihr euch beim thematakt-Podcast über Corona von Tobias Wilinski anhören.

Keine Planungssicherheit: All diese Existenzen sind durch die Coronavirus-Pandemie bedroht, und zwar auf lange Sicht. Dass es erste schnelle staatliche Hilfen gab, ist natürlich gut. Aber damit ist vielen wenn überhaupt, nur für sehr kurze Zeit geholfen. Langfristige Perspektiven existieren nicht. Und selbst wenn im September wieder Großveranstaltungen stattfinden dürfen, bleibt unklar, wie genau es wieder losgehen kann.

Corona crasht Festivalsommer 2020: Splash! Festival, Summerjam & mehr betroffen

Von Michael Rubach am 21.04.2020 - 13:08 Massiv ist nach seinem Auftritt für einen Elektronikmarkt mal wieder in einem Werbespot angekommen. Für die Drogeriekette Rossmann bewirbt er jedoch nicht platt Produkte, sondern ist Teil einer größeren Charity-Aktion für die hiesige Clubszene. Es wird wohl kaum jemanden entgangen sein: Vor Supermärkten und Drogerieketten bilden sich Schlangen.

Die Corona-Krise bedroht nicht nur Rapper, sondern die komplette Kultur

Selbstverständlich betrifft das nicht nur unser aller Lieblingsgenre Hiphop beziehungsweise Rap. Der Kulturbetrieb liegt aktuell eigentlich weltweit fast komplett brach – zumindest, was den Live-Aspekt des Ganzen angeht. Aktuell finden so gut wie keine Veranstaltungen statt, die den Menschen Zerstreuung und Nahrung für den Geist außerhalb ihrer eigenen vier Wände ermöglichen.

Einfach alles: Es gibt nicht nur keine Live-Konzerte, sondern auch keine normalen Theater-Vorführungen mehr. Die Menschen können nicht ins Kino, nicht in Clubs oder auf Partys. Die Wiesn aka das Oktoberfest wurde bereits abgesagt und auch zu Fußballspielen oder anderen Sport-Veranstaltungen können wir aktuell alle nicht gehen. So etwas passiert wirklich nicht alle Tage und stellt alle vor große Herausforderungen.

Sowohl Konzert-Musiker*innen, Theater-Menschen und Bar-Personal als auch Bademeister oder Kellner*innen sind betroffen. Auch in der Entwicklung von Computerspielen macht sich die Corona-Krise bemerkbar, Spiele werden zum Teil verschoben. Aber auch Dreharbeiten von Serien müssen ausfallen, weil einfach nicht so viele Leute gleichzeitig auf einem Haufen sein sollten. Das könnte sich noch stärker auswirken.

Einen niederschmetternden ersten Schadensbericht mit Aufruf zu noch mehr Unterstützung liefert der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e.V. (BDKV). Jetzt werden vor allem "schnelle staatliche, nicht rückzahlbare Soforthilfen zur Kompensation für entstandene Schäden benötigt." Die dürften dann auch nicht hinter bürokratischen Hürden oder einschränkenden Bedingungen versteckt werden.

Musikwirtschaft - Bericht der Verbände zu Covid-19 - Bundesverband der Konzert und Veranstaltungswirtschaft

Die so vielseitige und identitätsstiftende Musikkultur in Deutschland befindet sich angesichts der Corona-Pandemie in einer dramatischen Situation und steht vor einer ungewissen Zukunft.

Festival-Saison 2020 ist abgesagt: So reagieren die Veranstalter

Der komplette Festival-Sommer 2020 wurde gecancelt. Nicht nur Rap-Fans, Artists, Veranstalter*innen & Co müssen leiden. Die großen Festivals finden allesamt nicht statt. Auch wer zum Southside, Rock am Ring, Wacken, Melt oder auf die Fusion wollte, schaut in die Röhre. Auch die Zeit schreibt, die komplette Zukunft der Musik sei bedroht. Vielen Festivals droht die Pleite und es bleibt auch unklar, wann überhaupt wieder internationale Touren stattfinden können.

Das Splash-Festival: Harter Tobak für alle Deutschrap-Fans, aber das Splash-Festival 2020 findet nicht statt. Gar nicht. Stattdessen werde schon mit Hochdruck am Splash-Festival 2021 gearbeitet und es soll "schnellstmöglich Lösungen und Optionen" für alle Ticketinhaber und Ticketinhaberinnen geben. Wir haben beim Splash nachgefragt, wie es jetzt weitergeht, aber noch keine Antwort bekommen.

splash! Festival on Twitter

Liebe splash! Fans, bis zuletzt hatten wir auf bessere Nachrichten gehofft, müssen schweren Herzens aber verkünden, dass das splash! Festival 2020 nicht stattfinden kann. Macht Euch keine Sorgen, bleibt gesund, seid füreinander da und passt aufeinander auf! Euer splash! Team

Openair Frauenfeld 2020: Die Situation beim Openair Frauenfeld stellt sich nicht weniger dramatisch dar. Eine offizielle Absage des OAF 2020 gibt es aktuell allerdings immer noch nicht. Das liegt vor allem wohl daran, dass die Veranstalter höchstwahrscheinlich darauf warten, dass (wie bei uns) auch in der Schweiz Großveranstaltungen wie das Openair Frauenfeld gesetzlich verboten werden. Oft sind Versicherungen an solche Dinge geknüpft und greifen sonst nicht.

Aber dass das Festival diesen Sommer wie gewohnt in der Nähe von Zürich stattfinden kann, wirkt äußerst unwahrscheinlich. Der Medienchef des Openair Frauenfeld hat vor einiger Zeit online schon ein paar Fan-Fragen beantwortet und dabei erklärt, dass eine Absage des OAF 2020 so große finanzielle Probleme mit sich bringen könnte, dass das Festival möglicherweise komplett in seiner Existenz bedroht sein könnte.

Spektrum Festival: Auch das Spektrum Festival 2020 kann wegen der Coronavirus-Pandemie nicht stattfinden. Das geben die Verantwortlichen auf der offiziellen Webseite des Festivals bekannt. Dort heißt es auf der Homepage zwar, dass an allen aktuellen Fragen noch gearbeitet werde, aber ein eigens eingerichtetes Covid-19-FAQ liefert die wichtigsten Antworten.

Das Spektrum-Festival fällt zwar aus, die Karten können aber auch für das kommende Spektrum-Festival am 31. Juli 2021 genutzt werden. Das sei die einfachste Lösung. Wer an dem Datum nicht kann oder sein Ticket umtauschen will, muss sich noch etwas gedulden. Die Macher*innen des Spektrum-Festivals hoffen auf eine Lösung aus der Politik:

"Da dieses Thema alle Festivals in Deutschland betrifft, hat sich die Politik der Sache angenommen und arbeitet aktuell an einer Lösung. Das kann allerdings noch mehrere Wochen dauern und uns bleibt gerade nichts anderes übrig, als abzuwarten. "

Juicybeats: Das Juicybeats-Festival muss dieses Jahr ebenfalls ausfallen. Was laut den Veranstalter*innen besonders deshalb schade ist, weil so erneut der Geburtstag des Festivals ins Wasser fällt. Durch die Teilabsage von 2015 seien die Menschen dort aber zumindest schon "auf solche schwierigen Situationen vorbereitet. Natürlich müssen wir jetzt auf das Geld gucken, aber wir werden 2021 auf jeden Fall stattfinden. Das steht fest."

"Jetzt schauen wir, wie wir die Rückabwicklung der Tickets machen, sodass es eine gute Möglichkeit gibt. Sowohl für alle, die ihre Tickets behalten wollen, als auch die, die es zurückgeben möchten. Gleichzeitig konzentrieren wir uns ab sofort auf 2021."

Summer Jam: Auch das Summer Jam 2020 hätte dieses Jahr eigentlich ein großes Jubiläum gefeiert, das jetzt so nicht stattfinden kann. Auf unsere Nachfrage reagieren die Verantwortlichen mit der extrem verständlichen Bitte um Nachsicht und dem Verweis auf die Pressemitteilung. Darin heißt es, dass für 2021 fast schon alle Künstler*innen erneut zugesagt hätten und noch nach einer Lösung für die Ticket-Situation gesucht werde.

Dear Summerjam Friends We have to celebrate our 35. anniversary Summerjam Festival 2021!! Safe the Date! 02.-04.07.2021 Vibez can't be cancelled!

679 Likes, 18 Comments - Summerjam Festival (@summerjam_festival_official) on Instagram: "Dear Summerjam Friends We have to celebrate our 35. anniversary Summerjam Festival 2021!! Safe..."

Jetzt ist noch mehr Kreativität gefragt: Das machen die Artists

Die Reflex-artige Reaktion vieler Betroffener lautet: Live streamen. Immerhin besitzen wir die technischen Möglichkeiten, abgefahrene Dinge zu tun, also können wir sie auch nutzen. Auch Hiphop.de streamt seit der Coronavirus-Pandemie täglich "Auf Abstand"via Twitch. Damit stehen wir selbstverständlich nicht alleine da.

Viele Artists weichen auf Streams aus: Sido geht regelmäßig live und streamt, was das Zeug hält. Das ganze Projekt war kurzzeitig wegen akuter Nacktheit in Gefahr, scheint jetzt aber wieder in geregelten Bahnen zu laufen. Auch Ahzumjot schraubt an seiner Discord- sowie Twitch-Community und veranstaltet zum Beispiel eine Live-Challenge für Producer. Dabei werden zusätzlich Spenden gesammelt.

Aber auch Lakmann, Kianush und andere Künstler nutzen die technischen Mittel der Gegenwart. Aktuell passiert extrem viel auf Instagram Live. Es gibt zum Beispiel die überaus kuriosen wie spannenden Live-Sessions vieler US-Artists. Da haben sich vor gar nicht allzu langer Zeit unter anderem schon DJ Premier und RZA gegenüber gestanden, ein Battle geliefert und daraus eine Geschichtsstunde gemacht.

DJ Premier vs. RZA: Hiphop-Sternstunden bei Instagram live

In Zeiten von Corona sorgen manche Persönlichkeiten aus dem Rapkosmos immer wieder für positive Vibes und demonstrieren, wie man kreativ mit der Krise umgehen kann. So auch die beiden Hiphop-Legenden Timbaland und Swizz Beatz, die mit dem Battle-Format Verzuz eine interessante Plattform für Live-Unterhaltung auf die Beine gestellt haben.

United we stream: Ursprünglich für die Berliner Clubszene und in Kooperation mit arte entwickelt, gibt es jetzt seit ganz schön vielen Wochen schon die United we stream-Initiative. Das bedeutet, dass (Techno-)DJs trotzdem in Clubs auflegen können, auch wenn niemand da ist. Die Gigs werden einfach live gestreamt, um den Leuten das Social- beziehungsweise Physical Distancing zu versüßen und gleichzeitig Spenden zu sammeln.

Es hat ein bisschen gedauert, aber mittlerweile machen auch einige Menschen aus dem Hiphop-Kosmos dabei mit und das Konzept hat sich auch auf andere Städte ausgeweitet. Unter anderem waren dort zum Beispiel schon Afrob und DJ Stylewarz live aus Hamburg oder Rola, Cashmiri und im Anschluss Ebow live aus dem The Reed zu sehen.

Autokino & Podcasts: Podcasts waren auch schon vor Corona extrem beliebt und genießen seitdem eigentlich nur noch größeren Hype. Kein Wunder, dass sie jetzt also mehr denn je aus dem Boden sprießen. Da wären zum Beispiel SSIO und Xatar, die einen Podcast gestartet haben. Deutlich unkonventioneller ist die Idee von SSIO, Sido oder Alligatoah, einfach in einem Autokino Konzerte zu geben.

Travis Scott in Fortnite: Nochmal eine Spur kreativer, unkonventioneller und größer fällt Travis Scotts Reaktion auf die weltweite Corona-Pandemie aus. Er geht einfach auf virtuelle Tour, und zwar innerhalb von Fortnite. Das epische Event fährt Rekorde ein, lieferte eine Song-Premiere und läuft aktuell noch. Ihr könnt euch das Spektakel im Spiel bis Sonntag geben.

Travis Scotts episches Fortnite-Konzert mündet in Rekord

Von Michael Rubach am 20.04.2020 - 20:03 UPDATE vom 20. April: Was Fans schon seit einer Weile vermuteten, wurde nun offiziell von Epic Games bestätigt: Travis Scott beehrt die Welt von Fortnite. Er geht innerhalb des Games sogar auf Tour. Das musikalische Event nennt sich "Astronomical" und findet zwischen dem 24.

Das könnt ihr tun, um von Corona betroffene Künstler zu supporten

Support-Möglichkeiten: Viele Fans, die aktuell nicht selbst in ihrer Existenz bedroht sind (und manchmal selbst die), fragen sich aktuell, wie sie ihre Lieblings-Artists in dieser schwierigen Krisen-Zeit supporten können. Es gibt zumindest ein paar Dinge, die wir wirklich alle tun können, um uns gegenseitig und anderen zu helfen.

Solidarisch sein: Helft euch gegenseitig, wo es nur geht. Fragt eure Freund*innen, Nachbar*innen und alle anderen, was sie brauchen und ob ihr ihnen helfen könnt. Wer weiß, vielleicht wohnt ihr ja neben einem selbstständigen Konzert-Musiker oder einer aktuell existenziell bedrohten Tour-DJ.

Positiv & realistisch bleiben: Je schneller wir diese Krise hinter uns lassen, desto besser. Das heißt, dass wir alle daran mitwirken können, indem wir zum Beispiel darauf achten, keine unnötigen Risiken einzugehen und Abstand zu halten. Gleichzeitig wird uns diese Problematik noch eine Weile beschöftigen, also gilt es, sich so viel Gelassenheit und Positivität wie nur irgend möglich zu bewahren.

Einfach Tickets behalten!? Wer es sich leisten kann, sollte vielleicht darüber nachdenken, bereits gekaufte Tickets für Veranstaltungen aller Art nicht zurückzugeben. Das erspart den ganzen bürokratischen Umtausch-Aufwand und das Hin- und Her-Überweisen. Zusätzlich gehen den Artists natürlich im Idealfall einfach gar keine Einnahmen verloren.

Spenden, Streamen, Kaufen: Wenn eure Lieblings-Künstlerin und der Rapper eurer Wahl das anbieten, dann schaut euch deren Streams an. Oft gibt es dort direkt die Möglichkeit, zu spenden oder den Menschen jedenfalls Geld zukommen zu lassen.

Viele Einrichtungen haben mittlerweile auch schon Crowdfunding-Kampagnen eingerichtet oder bieten Supporter-Tickets an.

Selbstverständlich hilft es Musiker*innen auch, wenn ihr deren Tracks kauft oder streamt. Gleichzeitig könnt ihr natürlich auch Merch und dergleichen zur Unterstützung kaufen.

Wie geht ihr mit der aktuellen Lage um, was trifft euch am meisten, was hilft euch am besten?
Wen wollt ihr unterstützen, welche Corona-Aktion findet ihr am coolsten?

Hiphop.de im Home Office: Was hat sich durch Corona geändert?

Hiphop.de arbeitet zum Großteil sowieso schon viel im Home Office. Aber natürlich ändert sich auch für uns einiges durch den Coronavirus. Wie wir mit Physical Distancing, freiwiliiger Isolation und Lockdown so klarkommen, was wir für Home Office-Tipps geben und wie es uns geht, könnt ihr hier nachlesen.

Verlässliche sowie hilfreiche Informationen zu Corona und COVID-19 stellen zum Beispiel die WHO oder die Webseite der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung zur Verfügung. Aktuelle Entwicklungen und Daten finden sich zudem auf der Page vom Robert Koch Institut.