Massenhysterie bei 187 & Co.: Wieso eskalieren Autogrammstunden so oft?

Die 187 Strassenbande- und RAF Camora-Autogrammstunde, die gestern abend in Wien stattfinden sollte, musste vorzeitig abgebrochen werden. So etwas passiert aber natürlich nicht zum ersten Mal. Auch Nimo, Eno, Kurdo, Capital Bra, KC Rebell, Farid Bang oder Fard können ein Lied davon singen, wenn Autogrammstunden außer Kontrolle geraten. Aber wieso passiert das so oft?

Wir können darauf natürlich auch keine erschöpfende Antwort geben, die das ein für allemal klärt. Aber wir wollen trotzdem einige Überlegungen dazu anstellen. Zuallererst scheint es sich dabei um einen unangenehmen Trend zu handeln, der erst in den letzten Jahren verstärkt aufgekommen ist – und offenbar zunimmt. Das könnte schlicht und ergreifend mit dem Siegeszug des deutschsprachigen Raps im Allgemeinen zu tun haben.

187 - Bigger than Jesus (& Beatles)

Immerhin dominiert Rap andauernd die Charts, wochenlang. Das ist Helene Fischer-Level, ob ihr wollt oder nicht. Mit dem Popstar-Ruhm, den Echos und den millionenfachen Verkäufen sowie Streams kommen unweigerlich auch die Fans. Und manchmal handelt es sich bei den neu hinzugewonnenen Hörern eben auch um (sehr viele) kreischende Teenies. Das ist Popstar-Level, ob ihr wollt oder nicht.

Aber auch wenn wir jetzt glasklar herausgearbeitet haben, dass 187 die neuen Beatles sind, geht die Rechnung immer noch nicht ganz auf. Schließlich treten Marteria, Cro, Casper und Konsorten zum Teil vor noch größeren Menschenmengen auf, die weniger eskalieren. Liegt es also vielleicht an den Autogrammstunden an sich? Oder an den Veranstaltern, die für zu wenig Sicherheit sorgen?

Ist (wie immer) Straßenrap Schuld?

Sehen wir uns an, was die Rapper gemeinsam haben, bei denen Autogrammstunden eskalieren: Farid Bang, Kurdo, Capital Bra und die 187 Strassenbande machen allesamt tendenziell eher Musik der härteren Gangart – oder zumindest mit einem Bezug zur Straße, wenn wir so wollen. Dasselbe lässt sich auch über KC Rebell, Nimo und Eno sagen. Vielleicht liegen wir mit dieser Straßenrap-Theorie aber auch kolossal falsch. 

Denn selbstverständlich schaffen es die meisten Autgrammstunden einfach überhaupt nicht in die Medien. Auch wenn sich die Berichte in letzter Zeit zu häufen scheinen, finden mit Sicherheit mehr Autogrammstunden statt, bei denen schlicht und ergreifend gar nichts Aufregendes passiert, als Autogrammstunden, bei denen der ganze Laden einstürzt. Das sollten wir bei der Diskussion nicht vergessen.

Wenn es also tatsächlich an der Straßenrap-affinen Zuhörerschaft liegen sollte, müsste dann nicht ausnahmslos jede Autogrammstunde dieser Rapper eskalieren? Dass das nicht der Fall ist, dürfte außer Frage stehen. Es gibt sogar sehr prominente Beispiele. Wie zum Beispiel dieser Autogrammstunden-Marathon – der bis 8 Uhr morgens ging und offenbar friedlich bis zum Ende abgehalten werden konnte:

Autogramm-Marathon bis kurz vor 8 Uhr: Der 187-Feiertag ging "geisteskrank" los

Der Sampler 4 ist da und das wurde heute Nacht in Hamburg gebührend gefeiert...

Social Media, Sicherheit & die Fans selbst

Eine derartige Autogrammstunde steht und fällt offenbar mit der Organisation vor Ort. Wenn die Verantwortlichen gut informiert sind, wissen sie, was auf sie zukommt. Dann treffen sie entsprechende Sicherheitsvorkehrungen, um alles in geordnete Bahnen lenken zu können. Dann funktioniert das auch und niemand muss die Polizei rufen. Normalerweise.

Aber es gibt ja eigentlich immer mehrere Gründe für alles, was so passiert. Eine Verkettung ungünstiger Umstände kann dann dazu führen, dass trotzdem alles den Bach runter geht. Die beste Sicherheit und die genaueste Vorbereitung bringen nun mal nichts, wenn es ein paar Leute einfach drauf anlegen. Darum liegt die Verantwortung selbstverständlich auch bei den Fans, dass so ein Event gelingt.

"Zu gefährlich": Polizei bricht Autogrammstunde von RAF Camora und der 187 Strassenbande ab

RAF Camora und die 187 Strassenbande haben gestern eine Autogrammstunde in Wien abgehalten. Die Polizei ist sogar mit Schlagstöcken, Hunden und Blaulicht angerückt.

Sie stehen sich dabei manchmal selbst im Weg. Sie alle wollen auch an die Reihe kommen und das kriegen, weswegen sie hergekommen sind. Wenn zuviel Randale ist, gucken alle in die Röhre. Und eine abgebrochene Autogrammstunde wirkt auf diejenigen, die da unbedingt reinwollten, auch nicht gerade deeskalierend. Nur so als Tipp.

Möglicherweise trägt auch der Social Media-Grind der Künstler selbst einen gewissen Teil dazu bei, dass Autogrammstunden von Rappern so oft außer Kontrolle geraten. Wenn die Fans eh schon richtig heiß sind, empfiehlt es sich vielleicht nicht unbedingt, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Eventuell verstärken die hautnahen Instagram-Stories auch den Wunsch der Fans, ihren Idolen dann tatsächlich einmal zum Greifen nah zu sein.

Wieso das jetzt alles passiert, wissen wir immer noch nicht genau. Auch wer daran Schuld ist, bleibt unklar (ganz davon abgesehen, dass das sowieso keine zielführende Frage ist). Aber vielleicht können wir alle dabei helfen, so etwas in Zukunft zu vermeiden.

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